Säure macht jung

Revolution in der Stammzell-Forschung vorgestellt

Wissenschaft
30.01.2014 10:28
Es könnte eine Revolution in der Stammzellforschung sein: Japanische Forscher haben eine völlig neue Art der Verjüngungskur für Zellen geschaffen. Mithilfe von Säure versetzen sie Mäusezellen wieder in eine Art Embryonalzustand zurück - ein viel schnellerer und günstigerer Weg, Stammzellen zu gewinnen, als bisher. Stammzellen sind in der Medizin von immensem Interesse, bekämpfen sie doch Leukämie, können Tumore schrumpfen sowie geschädigtes Gewebe, Knorpel und Knochen reparieren. Theoretisch könnten aus ihnen ganze Organe gezüchtet werden.

Die mithilfe von Säure verjüngten Stammzellen könnten sich in nahezu jeden Zelltyp entwickeln, berichten die Wissenschaftler aus Japan in der britischen Fachzeitschrift "Nature".

Bisher waren spezielle Gene oder Proteine für die Rückprogrammierung nötig. Das Team um Haruko Obokata (kleines Bild) vom Riken-Zentrum für Entwicklungsbiologie im japanischen Kobe behandelte Körperzellen neugeborener Mäuse mit einer Lösung aus schwacher Zitronensäure. Dabei entwickelten sich einige Zellen in einen früheren, undifferenzierteren Entwicklungszustand zurück. Die Forscher nennen sie STAP-Zellen (stimulus-triggered acquisition of pluripotence/durch einen Reiz angestoßene Bildung von Pluripotenz).

Mit genetischen Markern konnten sie nachweisen, dass diese STAP-Zellen ähnliche Eigenschaften haben wie embryonale Stammzellen. Allerdings können sie sich wesentlich schlechter selbst vermehren.

Stärkere Vermehrung möglich
In einem weiteren Versuch entdeckten Obokata und seine Mitarbeiter, dass die Fähigkeiten der STAP-Zellen noch weiter reichen können: In einer Kulturlösung, wie sie zur Vermehrung embryonaler Stammzellen verwendet wird, begannen die Zellen sich besser zu vermehren und entwickelten strukturelle und genetische Eigenschaften embryonaler Stammzellen.

Pflanzten die Forscher STAP-Zellen in einen Mäuse-Embryo ein, so entstanden Tiere, deren verschiedene Gewebetypen sich sowohl aus Nachfahren der eigenen Zellen als auch aus denen der STAP-Zellen zusammensetzten. Zudem heben die Wissenschaftler eine besondere Eigenschaft vor: STAP-Zellen entwickelten sich sogar in eine Art Trophoblast - eine äußere Zellschicht von Embryonen, die wichtig für das Einnisten in die Gebärmutter ist. Dies deute auf eine besonders breite Differenzierungsfähigkeit der Zellen hin, schreibt das Team.

Bessere Hilfe für jeden einzelnen Patienten möglich
Die Rückprogrammierung von Körperzellen in einen Zustand, in dem sie sich wie embryonale Stammzellen zu vielen verschiedenen Gewebetypen entwickeln können, war zuvor nur durch biochemische und genetische Manipulationen gelungen. Das Verfahren, solche jugendlichen Zellen durch simplen Säurestress zu erzeugen, eröffne ganz neue Möglichkeiten, um eines Tages patienteneigene Stammzellen zu erzeugen, kommentiert Austin Smith von der britischen Universität Cambridge in "Nature".

Man müsse allerdings bedenken, dass die Versuche bisher nur mit unausgereiften Mäusezellen gemacht wurden. Es bleibe abzuwarten, ob dies auch bei anderen Organismen gelinge, vor allem beim Menschen.

Wissenschaftler: "Revolutionärer Ansatz"
Von "einer neuen Ära der Stammzellbiologie", spricht der Stammzellforscher Dusko Ilic vom Kings College London. Den Ansatz des Forscherteams nennt Ilic "revolutionär". "Es wird einen fundamentalen Wechsel geben in der Art und Weise, wie Wissenschaftler das Zusammenspiel von Umwelt und Genen betrachten."

"Ob menschliche Zellen in ähnlicher Weise auf solche Einflüsse reagieren, muss allerdings noch gezeigt werden", schränkte aber auch er ein. "Es (das Verfahren) bringt die auf Stammzellen basierende Therapie nicht näher", betonte er. Man müsse auf dem Weg zum klinischen Einsatz genauso vorsichtig sein wie bei anderen Methoden der Zellrückprogrammierung.

Dazu zählen die 2006 entwickelten induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS-Zellen), die bisher noch nicht zu einer zugelassenen Therapie geführt haben. Anders als bei embryonalen Stammzellen muss jedoch für STAP- oder iPS-Zellen kein Embryo zerstört werden. So dürften auch die neuen Zellen nicht zu größeren ethischen Bedenken führen.

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