Seit 1.000 Jahren

Europäer können seit Mittelalter Milch verdauen

Wissenschaft
24.01.2014 09:15
Bereits vor 1.000 Jahren konnten Mitteleuropäer Milch, Joghurt und Käse ebenso gut verdauen wie heutige Europäer. Das hat ein internationales Forscherteam bei der Untersuchung des Erbguts von Einwohnern des mittelalterlichen Dalheim im Westen Deutschlands herausgefunden. Demnach hat sich Milchverträglichkeit früher ausgebreitet als bisher angenommen.

Das Erbgut hat ein Team um Frank Rühli vom Zentrum für Evolutionäre Medizin der Universität Zürich aus den Zähnen von 36 menschlichen Überresten in einem mittelalterlichen Friedhof gewonnen. Dabei zeigte sich, dass bereits 72 Prozent der damaligen Dalheimer genetische Mutationen besaßen, dank denen sie während des gesamten Lebens das Milch verdauende Enzym Laktase herstellen konnten. Dies entspreche den modernen Werten von 71 bis 80 Prozent in Deutschland und Österreich, berichten die Forscher im Fachjournal "PLOS One".

Verträglichkeit ist eigentlich Ausnahme
Die Milchverträglichkeit ist eigentlich der Ausnahmezustand. Milch und vor allem der in ihr enthaltene Milchzucker Laktose ist das Grundnahrungsmittel für Säuglinge. Die meisten Säugetiere verlieren im Verlauf des Wachstums die Fähigkeit, Laktose zu verdauen, weil das Laktase-Gen allmählich ausgeschaltet wird.

Doch mindestens fünf verschiedene Populationen in Europa, Saudi-Arabien und Ostafrika haben unabhängig voneinander genetische Mutationen für einen lebenslangen Laktoseabbau entwickelt.

Frühere genetische Studien haben gezeigt, dass Bauern um 5.000 vor Christus Milch noch kaum verdauen konnten, erklärten die Forscher in der Mitteilung. In der Jungsteinzeit um 3.000 vor Christus konnten dies aber immerhin bereits 27 Prozent der spanischen Bauern und fünf Prozent der skandinavischen Jäger und Sammler.

Widerspruch zu früheren Daten
Dass die Dalheimer im Mittelalter so hohe Werte aufwiesen, steht laut den Wissenschaftlern im Widerspruch zu früheren Daten aus dem mittelalterlichen Ungarn. Dort konnten nur etwas mehr als ein Drittel der Menschen Milch verdauen, verglichen mit 61 Prozent der heutigen Ungarn.

Offenbar ist die Evolution der Milchverträglichkeit in Europa regional unterschiedlich abgelaufen, erklärten die Forscher. Dabei hätten Faktoren wie unterschiedliche Ernährungs- und Migrationsmuster eine Rolle gespielt. Die Studie deute darauf hin, dass Milchverträglichkeit in Zentraleuropa früher verbreitet war als in Osteuropa.

Milchunverträglichkeit galt lange als Krankheit
Da die Laktoseverträglichkeit heutzutage in europäischen oder aus Europa stammenden Völkern derart hoch ist, galt Milchunverträglichkeit bis vor Kurzem als Mangel oder Krankheit. Erst als Milch in Ernährungskampagnen im 20. Jahrhundert weltweit propagiert wurde, erkannte man, dass der größte Teil der Weltbevölkerung laktoseintolerant ist.

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