Das Foto des entzückenden Eichhörnchens, das von seinem Ziehvater gefüttert wird, erntete im Internet vielfach Begeisterung. Die Wogen gingen hoch, als das Tier von den Behörden beschlagnahmt wurde. Doch diese Abnahme war gerechtfertigt: Denn aus falsch verstandener Tierliebe war der putzige Nager bereits todkrank.
Die Szenen bei der behördlichen Abnahme dürften dramatisch gewesen sein. „Er hat herzerweichend geschrien – er kennt ja nur mich“, schildert Pensionist Helmut P. den traurigen Abschied von „Valentino“, den er vor Monaten entkräftet gefunden hatte. Dass das bereits ein ernster Hinweis auf eine Fehlprägung des schutzbedürftigen Wildtiers ist, blendet der Wiener offenbar aus.
So ehrenwert und wichtig die Rettung eines Tiers in Not auch ist, sie darf nicht im Alleingang und ohne Fachwissen passieren. Es über einen langen Zeitraum einfach in einer Wohnung zu halten, verringert die Chancen auf eine Auswilderung enorm. Dass „Valentino“, nachdem er dankenswerterweise von Herrn P. in der ersten Not versorgt wurde, nicht in eine Wildtierstation zur Aufzucht gegeben wurde, war sein Todesurteil.
Besorgniserregend erkrankt
Erst nach Einschreiten der Behörde wurde das Eichhörnchen in eine Einrichtung gebracht, die auf Aufzucht und Auswilderung spezialisiert ist. Tierarzt Manfred Hochleithner ist Experte auf dem Gebiet und untersuchte mit seinem Team den Neuzugang. Seine traurige Diagnose: „Valentino“ war durch die falsche Aufzucht bereits todkrank.
Pathologische Befunde
Durch die unzureichende und vollkommen falsche Fütterung konnte er keine normale Darmflora aufbauen, weiters wurde schwerster Parasitenbefall nachgewiesen, eine bakteriologische Untersuchung ergab Koli-Bakterien und Sporenbilder. Es wurde auch ein massiver Organschaden bei „Valentino“ entdeckt, den man bei Menschen als „Fettleber“ bezeichnen würde – ein weiterer Hinweis auf unpassende Kost.
Vor allem falsches Futter hat besonders zum schlechten Gesundheitszustand beigetragen. Während erwachsene Tiere im Park schädliche „Leckereien“ wie Chips und Brot in kleinen Dosen meist überleben, ist das bei einem jungen, mit Parasiten belastetem Tier, brandgefährlich.
Von Keimen und Parasiten befallen
„Da der Mann den kritischen Zustand des Tiers nicht erkannt hat, ist zu befürchten, dass ,Valentino‘ in seinem Zustand unter Leid und Qualen dort langsam gestorben wäre. Mit diesen Keimen und Parasiten hatte es keine Chance, der Zeitpunkt der Abgabe kam schlichtweg zu spät“, so Hochleithner, der erfahrener Wildtierexperte und Präsident der Tierärztekammer Wien ist.
Für den Veterinär ist das leider kein Einzelfall. Immer wieder ist er damit konfrontiert, dass private Pflege aus tierlieber Absicht erfolgt, aber die Herangehensweise von Grund auf falsch ist, erzählt er im Gespräch mit der „Krone“.
Einschläfern als letzter Ausweg
Nachdem die Prognose für das kleine Eichhörnchen katastrophal war, entschied man sich schweren Herzens, das Tier zu erlösen. „Ein absolut sinnloser Tod, der zu vermeiden gewesen wäre, hätte sein Ziehvater auf die kritischen Stimmen gehört. Die Rettung von ,Valentino‘ ist grundsätzlich zu begrüßen, aber diese Engstirnigkeit fällt unter falsch verstandene Tierliebe“, mahnt „Krone“ Tierecke-Leiterin Maggie Entenfellner.
Wenn Sie ein verletztes Wildtier in Wien gefunden haben, kontaktieren Sie bitte die zuständige Abteilung für Forst- und Landwirtschaft (MA 49):
Wiener Wildtierservice großartig
„Gerade in Wien, wo es durch das Wildtierservice der MA 49 großartige Hilfe gibt - um die uns der gesamte deutschsprachige Raum beneidet - ist es nicht nachvollziehbar, wenn man als Laie selbst handelt“ zeigt sich auch Wiens Tierschutzombudsfrau Eva Persy betroffen.
Aus der vermeintlichen Zuneigung zu dem putzigen Eichhörnchen wurde letztendlich Tierquälerei – und dies wird der Verein Freunde der Tierecke der „Krone“ auch zur Anzeige bringen. Es darf nicht sein, dass herzige Fotos und vollkommene Unwissenheit dazu führen, dass ein Tier leidet und sogar stirbt.
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