Wenige Tage vor dem Start in die 2. Liga gab Austria Salzburgs Sportboss Roland Kirchler der „Krone“ ein großes Interview. Dabei sprach der Tiroler über die Ausgangslage für die 2. Liga, das Potenzial der Violetten und erklärte, warum er sich nie ein Blatt vor den Mund nehmen wird.
Im Stadion von Austria Salzburg einen Raum für ein Interview zu finden, ist schwerer als gedacht. Noch hat Sportboss Roland Kirchler kein eigenes Büro. „In den ersten Wochen war mein Lebensmittelpunkt im Auto“, erzählt der Tiroler, der mittlerweile eine Wohnung in Salzburg gefunden hat. Am Ende wird die Trainerkabine für das Gespräch frei.
„Krone“: Herr Kirchler, wie waren die ersten Wochen?
Roland Kirchler: Es steckt enorm viel Energie im Verein, aber eben auch viel Amateurdenken. Die Umstellungen, die es braucht, gehen nicht von heute auf morgen. Aber Zeit ist das Letzte, was man im Fußball hat – vor allem in der Vorbereitungsphase. Da wurde deutlich, dass meine Position viel zu spät besetzt wurde. Man hätte sich früher einen Überblick über die Mannschaft verschaffen müssen. Alles war zwei, drei Wochen zu spät. Deshalb hinkt man dem Kern der Mannschaft aktuell noch hinterher. Es wird wohl noch zwei, drei, vier Wochen dauern, bis alle neuen Spieler da und integriert sind.
Man hat einige Spieler verpflichtet, die aus langen Verletzungspausen zurückgekommen sind. Geht man damit nicht ein Risiko ein?
Stimmt. Aber andere Spieler bekommt man aktuell nicht. Nehmen wir Luca Meisl: Wenn er sich nicht verletzt hätte, würde er heute wohl noch in der österreichischen Bundesliga spielen. Da wäre Austria Salzburg nie an so einen Spieler rangekommen. Das muss man ganz ehrlich sagen. Klar ist das ein gewisses Risiko, aber auch eine große Chance.
Wann sind die Kaderplanungen abgeschlossen?
Ich bin lange genug im Fußballgeschäft, um zu wissen: Meistens tut sich in der letzten Woche vor Transferschluss noch etwas. Wenn andere Mannschaften Spieler übrig haben, wird es oft besser und billiger. Auf solche „Schnäppchen“ werden wir definitiv achten.
Am Freitag startet die 2. Liga. Wie blicken Sie der Saison entgegen?
Wir sind noch nicht top vorbereitet und auch noch nicht zu 100 Prozent eingespielt. Die Abläufe passen noch nicht. Am Freitag werden auch noch nicht alle Spieler verfügbar sein, die uns helfen könnten, die Liga zu halten. Deshalb müssen wir uns möglichst schnell finden. Idealerweise bis zur Länderspielpause. Klagenfurt hat selbst auch Probleme. Da geht’s drunter und drüber. Diese Unruhe wollen wir nutzen. Wir haben ein volles Haus. Wer da nicht motiviert ist, hat seine Leidenschaft verfehlt. Ich glaube, dass wir Austria Klagenfurt sogar schlagen können.
Aber es wird von Beginn an ein Kampf um den Klassenerhalt.
Ganz klar. Wer das nicht realistisch sieht, hat den Fußball falsch eingeschätzt. Wir werden uns im unteren Drittel bewegen. Vielleicht läuft es besser als erwartet – gerade, wenn wir gut starten. Das muss unser Ziel sein, unsere Tugenden und die Unterstützung der Fans nutzen, um eine Atmosphäre zu schaffen, die uns trägt.
Wie läuft die Zusammenarbeit mit Trainer Christian Schaider?
Für mich ist ein großes Erfolgsrezept in einem Verein, dass Sportdirektor und Trainer eine Sprache sprechen. Es muss nicht immer alles freundschaftlich sein – da dürfen auch mal die Funken fliegen. Aber wenn es zusätzlich auf menschlicher Ebene gut passt, ist das natürlich umso besser. Ich telefoniere mit ihm öfter als mit meiner Frau – das sagt eigentlich schon alles. Auch mit dem restlichen Trainerteam passt es super.
Wie viel Zeit hat Christian Schaider, wenn es nicht nach Wunsch läuft?
Diese Frage beantworte ich nicht. Ich bin ein positiver Mensch, ein Optimist – ich sehe die Dinge lieber Weiß als Schwarz. Aber ich beschäftige mich ungern mit „Was wäre, wenn“-Fragen. Was wäre, wenn ich heute heimfahre und ein LKW fährt mich zusammen? Dann stellt sich die Frage morgen eh nicht mehr.
Natürlich hängt vieles am Geld. Das ist nun mal so. Der Plan ist: Diese Saison mit fast nichts überleben und dann mit ein bisschen mehr Budget strategisch etwas aufbauen.
Roland Kirchler
Welches Potenzial hat die Austria generell?
Ein großes. Natürlich hängt vieles am Geld. Der Plan ist: Diese Saison mit fast nichts überleben – und dann mit ein bisschen mehr Budget strategisch etwas aufbauen. Ziel ist, Kapital hereinzubringen, sodass wir vielleicht irgendwann einen guten Spieler verkaufen oder sogar Leihgebühren kassieren können. Dann wären wir endlich im Denken eines Profivereins angekommen: mit Struktur, Basis und Kapital im Hintergrund.
Wie groß ist die Erwartungshaltung – und auch der Druck?
Ich weiß, dass das hier eine echte Challenge ist, aber genau das hat mich immer gereizt. Das hat mir immer getaugt. Ich bin als Tiroler auch in die Nationalmannschaft gekommen. Das war mit all den Wienern damals nicht gerade leicht. Aber ich bin länger geblieben, als viele gedacht haben.
Meine Karriere war nicht immer nur positiv, aber ich hab so hart gearbeitet, dass ich 18 Jahre lang Profi war. Hinten raus hätte ich sogar noch zwei Jahre dranhängen können. Wenn ich mich in etwas verbeiße, dann haue ich alles rein. Und meistens hab ich’s dann auch irgendwie geschafft. Aber ich will das hier nicht alleine durchziehen. Ich will alle mitnehmen – und da hab ich ein gutes Gefühl. Die Truppe macht trotz der ganzen Arbeit wirklich Spaß.
Kurz noch zu Ihrer Person: Sie haben für Austria Salzburg und Red Bull Salzburg gespielt …
(lacht) … und für Wacker Innsbruck, nicht zu vergessen! Das sind alles Todfeinde. Ich bin mit unserem Fanclub offen damit umgegangen. Ich habe volles Verständnis. Aber ich kann nichts dafür, dass ich in Tirol groß geworden bin und dass mich Kurt Jara damals gefragt hat, ob ich bei Red Bull spielen will. Da hab ich dann auch nicht so schlecht verdient. Im Fußball zählt – neben Herz und Leidenschaft, sonst wär ich nicht hier – eben auch das Geld. Das muss man ehrlich sagen.
Eigentlich wäre die Frage gewesen: Ist das hier für Sie die sogenannte „echte“ Austria?
Ja. Ich glaube, dass ich bei den Bullen da auch niemanden beleidige. Ich brauche keinen Luxus, bin bodenständig – und genau deshalb bin ich hier bei der „echten“ Austria gelandet.
In einem TV-Interview bei Altach haben Sie im Abstiegskampf die Begriffe „Weicheier“ und „Arschlöcher“ verwendet. Was war bisher hier Ihr „schlimmstes“ Wort?
(lacht) Ich verhalte mich aktuell noch recht human. Aber ich bin wie ein wildes Tier, ich muss mich oft selbst zügeln. Manchmal gehen die Pferde mit mir durch. Viele sagen dann: „Du bist halt authentisch.“ Meine Frau meint: „Wegen sowas hast du schon Jobs verloren.“ Und ich sage dann: „Ja, dann verliere ich halt wieder einen.“ Ich werde mich nicht mehr ändern. Ich werde im September 55. So lange ist’s nicht mehr bis zur Pension. Klar, ich bin ruhiger geworden, erfahrener. Aber aus meiner Haut kann ich nicht raus.
Deshalb wird’s hier sicher auch wieder das eine oder andere harte Wort geben. Ich hoffe nur, dass es nicht nötig ist, denn das würde heißen, dass wir erfolgreich sind.
Sowas passiert einfach. Die Fernsehzuschauer oder Zeitungsleser verdienen sich auch mal eine ehrliche Meinung. Jeder weiß, dass sowas vorkommt, nur spricht halt kaum jemand offen darüber, weil man in dieser Gesellschaft nicht mehr alles sagen darf. Aber das ist die Fußballsprache. Ich kann mich auch anders ausdrücken. Aber nach 30 Jahren im Fußball, 18 davon in der Kabine – so redet man eben. Und manchmal brauchen das die Spieler auch.
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