Kunstwerke verkauft

Dokumente belegen Nazi-Aufträge an Gurlitt

Österreich
08.11.2013 17:00
Paukenschlag im Fall Gurlitt: Bei der Recherche zu einem Bild stieß ein ehemaliger Tiroler Galerist auf bisher nicht veröffentlichte Dokumente, die das Nahverhältnis des Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt zum damaligen Reichspropagandaministerium belegen. Diese Unterlagen präsentierte er nun exklusiv der "Krone".

Werner Reimoser (Bild) kann heute nichts mehr erschüttern. Trotz seiner gut 70 Jahre, die er auf dem Buckel hat, wirkt er ruhig und fast jugendlich. Ob es daran liegt, dass er in seinem Leben mehr Berufe ausgeübt hat als viele seiner Bekannten zusammen? Seine Biografie liest sich fast wie ein Abenteuerroman.

Die der "Krone" vorgelegten Papiere sehen Sie hier:
Dokument 1, Dokument 2, Dokument 3, Dokument 4, Dokument 5, Dokument 6.

Geboren in Niederösterreich, dann der Sprung nach Moskau, wo er einst eine Nachrichtenagentur betrieb, schließlich seine Tätigkeit für einen Pharmakonzern und zu guter Letzt auch noch die Kunst. "Ich habe jahrelang eine Galerie betrieben, mich auf sowjetische Avantgarde spezialisiert und diese im Westen verkauft", erzählt der Fachmann. Auch heute ist der derzeit in Tirol und Russland lebende Weltenbummler vereinzelt noch im Bilder-Geschäft tätig - aber nur, "wenn es mich auch wirklich interessiert".

"Dachte, Gurlitt besaß auch eines meiner Werke"
Ein Gemälde hat es zuletzt geschafft, seine Neugierde zu wecken. "Um die genaue Abstammung zu klären, habe ich im Sommer Recherchen im deutschen Bundesarchiv in Berlin eingeleitet. Im Gegensatz zu Österreich waren die Behörden hier sehr kooperativ." Reimoser stieß dabei immer wieder auf einen Namen: Hildebrand Gurlitt.

"Ich dachte zunächst, dass er einst auch eines meiner Werke besessen hatte", schildert Reimoser. "Doch die zuständige Projektleiterin für 'Entartete Kunst', Meike Hoffmann, hat mir erklärt, dass es sich doch nicht um mein Bild handeln würde." Was Reimoser und der Öffentlichkeit damals nicht bekannt war: Hoffmann wusste damals längst über das 1.406 Werke umfassende Geheimdepot von Cornelius Gurlitt, dem Sohn von Hildebrand, Bescheid.

Beste Beziehungen zu Nazi-Granden, 25% Provision kassiert
Die vom Experten im Archiv aufgestöberten Unterlagen haben es dennoch in sich. Es handelt sich um Dutzende Briefe und Verträge aus den Dreißiger- und Vierzigerjahren zwischen Hildebrand Gurlitt und dem "Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda". Und die Dokumente belegen, wie sehr der 1956 in Düsseldorf bei einem Autounfall ums Leben gekommene Historiker von Zwangsenteignungen profitierte.

Gurlitt war einer der prominentesten "Kommissionshändler" seiner Zeit. "Das Reich übergibt an Herrn Gurlitt die in beiliegender Liste angeführten Werke", steht in den Verträgen. Und dann werden die Künstler angeführt: Kokoschka, Kandinsky, Picasso etc. Gurlitt antwortet "mit sehr vielem Dank und Heil Hitler!" und kassierte 25 Prozent Vermittlungsgebühr. "Goebbels schätzte Gurlitt sehr, das geht aus den Schriftstücken klar hervor", so Reimoser.

Meisterwerke jahrzehntelang in vermüllter Wohnung gehortet
Wie berichtet, behauptete Hildebrand Gurlitt nach Kriegsende, dass die meisten Werke bei den Bombenangriffen auf Dresden zerstört worden seien. Doch in Wirklichkeit dürfte er sie an seinen Sohn Cornelius vermacht haben, der sie bis zum Auffliegen des "Nazi-Schatzes" im Februar 2012 in einer vermüllten Wohnung in München gehortet hat. Vom heute 79-Jährigen fehlt nach wie vor jede Spur.

Die "Krone" leitete die erhaltenen Unterlagen zu weiteren Überprüfungen an den Historiker Stefan Karner vom Boltzmann-Institut weiter.

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