Der Amoklauf in einer Grazer Schule mit zehn Todesopfern erschüttert Österreich, lässt uns aber auch enger zusammenrücken. Ein Rückblick auf fünf Tage im Ausnahmezustand. Fest steht: Die Schule bleibt weiterhin geschlossen.
Am Anfang stand in der „Steirerkrone“-Redaktion der Anruf eines Lesers. „25 Streifenwagen sind aus der Landespolizeidirektion gerast, das habe ich noch nie gesehen!“ Fast parallel dazu die erste Info aus Wien: Amok-Alarm! Es ist Dienstag, 10. Juni 2025, kurz nach 10 Uhr. Der Horror nimmt seinen Lauf.
Dienstag, 10.30 Uhr: Ausnahmezustand in Graz. Der Täter ist zwar längst tot, die Lage aber noch unklar. Das BORG Dreierschützengasse ist großräumig abgesperrt. Schlimme Gerüchte schwirren herum: Sind es doch zwei Täter? Fielen Schüsse auch in der nahen Volksschule? Die Zahl der in zwei Klassen ermordeten Jugendlichen erhöht sich in den nächsten Stunden auf neun. Eltern bangen, atmen auf, brechen zusammen.
Dienstag, 15 Uhr: Die erste Pressekonferenz mit Polizei und Politikern. Das Ausmaß des Anschlags macht fassungslos, die Gesichter sind wie versteinert. Erste Details zum Täter werden bekannt. Die Regierung ordnet drei Tage Staatstrauer an.
Dienstag, 16 Uhr: Eine Welle der Solidarität schwappt durch die Stadt: Das Rote Kreuz ruft in Graz zum Blutspenden auf, und 600 Menschen kommen. Sie warten teilweise bis weit nach Mitternacht.
Dienstag, 18 Uhr: Das LKH-Universitätsklinikum Graz meldet: Eine Lehrerin (59) ist ihren schweren Verletzungen erlegen. Es sind nun (mit dem Amokläufer) elf Tote.
Dienstag, 21 Uhr: Nach zwei bewegenden Trauergottesdiensten im Grazer Dom und in der Kirche St. Vinzenz unweit der Schule findet am Hauptplatz ein Lichtermeer statt. Wie vor zehn Jahren nach der Amokfahrt des Alen R., der drei Menschen getötet hatte. Ein Déjà-vu, das niemand wollte.
Mittwoch, 7.30 Uhr: Schüler und Lehrer des BORG treffen sich in der Helmut-List-Halle, betreut vom Kriseninterventionsteam, belagert von einer großen Medienschar. Religionslehrer Paul Nitsche sah den Attentäter während seiner Flucht, er stellt sich Interviews, nimmt so Druck raus. Schulsprecher Ennio Resnik bittet um Zurückhaltung.
Mittwoch, 10 Uhr: Österreich steht für eine Trauerminute still. Der ORF unterbricht sein Programm, die Wiener Linien halten ihre Fahrzeuge an. Es sind 24 Stunden vergangen, seit im BORG die Schüsse gefallen sind.
Mittwoch, 17.45 Uhr: Bundespräsident Alexander Van der Bellen ist in Graz, trägt sich ins Kondolenzbuch ein. In Richtung der Opfer sagt er: „Wir werden euch nie vergessen!“ Der Bruder einer ermordeten 15-Jährigen spricht ebenfalls: „Wir vermissen dich. Wir lieben dich.“ Eine überlebende Schülerin sagt mit fester Stimme: „Unsere Antwort ist Liebe.“
Donnerstag, 11.30 Uhr: Die Polizei berichtet in einer Pressekonferenz über den Tathergang, wie kaltblütig und strukturiert sich der 21-Jährige vorbereitet hatte und dann vorging. Er suchte sich seine Opfer wahllos aus. Kurze Zeit später wird bekannt: Der Steirer war für das Bundesheer psychisch untauglich, zu Waffen kam er dennoch legal.
Donnerstag, 18 Uhr: Mit einem Gedenkgottesdienst im Wiener Stephansdom endet die Staatstrauer. Erzbischof Franz Lackner erkennt ein „merkliches Zusammenrücken“ nach der Amoktat.
Freitag, 15 Uhr: Die erste 15-jährige Hanna wird beim Verein der Bosniaken in Graz verabschiedet, Hunderte kommen. Die Opfer erhalten zusehends Namen und Gesichter: Leo, Lea, Kaid, Leonie, Anna Bella. Der Schmerz, der aus den Traueranzeigen spricht, ist kaum zu ertragen. Bekannt wird indes: Die Schule bleibt noch eine weitere Woche geschlossen.
Samstag, 12 Uhr: Gute Nachrichten aus den Spitälern: Alle sechs verletzten Jugendlichen sind auf der Normalstation, am UKH Graz sind noch drei von fünf Amok-Opfern auf der Intensivstation. Die Tatortarbeit in der Schule ist beendet. Die Ermittler müssen mehr als 100 Zeugen befragen und 800 hochgeladene Videos sichten, dazu sehr viel Datenmaterial des Täters. Wichtige Gutachten (Gerichtsmedizin, Ballistik) sind ausständig.
Viele Fragen sind noch offen. Fest steht: Eine Narbe bleibt – in Graz, in diesem Land.
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