Nicht nur Kinder sollten weniger auf Bildschirme schauen – auch Eltern. Eine neue Studie belegt jetzt nämlich, wie die Handy-Nutzung der Eltern die Entwicklung der Kinder beeinträchtigen kann. Und die Ergebnisse sind alarmierend. Die „Krone“ hat mit einem Grazer Medien-Experten darüber gesprochen.
Eine junge Mutter schaut in der Straßenbahn auf ihr Handy, während ihr Baby im Kinderwagen vergeblich ihren Blick sucht. Am Spielplatz sitzen Mama und Papa auf einer Bank und starren in ihre Smartphones, anstatt auf ihre Dreijährige zu achten, die von der Rutsche aus beifallheischend zu ihnen hinüberblickt. Oder im Restaurant, wo ein kleiner Bub im Hochstuhl seinem Papa gern ein zermatschtes, vor Ketchup triefendes Pommes abgeben würde, doch der junge Mann ist mit Scrollen beschäftigt. Alles Alltagsszenen, die inzwischen leider schon Normalität sind.
Handy stört Kommunikation
Allerdings eine verheerende Normalität, denn eine aktuelle Studie aus Australien zeigt: Die digitale Ablenkung der Eltern durch Smartphones oder Tablets kann bei Kindern – besonders im Alter bis fünf Jahre – mehr Schaden anrichten, als den meisten Eltern wohl bewusst sein dürfte. In der Forschung wird das als Technologie-Interferenz bezeichnet, kurz Technoferenz. Sie tritt auf, wenn die Interaktion und Kommunikation durch die Verwendung digitaler Geräte gestört wird.
Das Forschungsteam kommt zu dem Ergebnis, dass Kinder, deren Eltern häufig am Handy waren, geringere kognitive Fähigkeiten zeigten, emotional instabil waren und sich weniger sozial verhielten. Außerdem hätten diese Kinder insgesamt eine schwächere Bindung zu ihren Eltern. Zudem verbrachten selbst zukünftig auch viel mehr Zeit vor Bildschirmen.
Handys haben eine Tendenz, jede freie Lücke im Leben zu füllen. Leider geht dadurch auch viel an Aufmerksamkeit verloren.
Lukas Wagner, Medienpädagoge
Bild: zVg
„Bindung braucht Aufmerksamkeit“
„Handys lenken ab. Beim Autofahren, beim Gespräch mit Freunden - aber insbesondere bei der Interaktion mit Kindern“, sagt der Grazer Medienpädagoge Lukas Wagner. „Bindung aber braucht Aufmerksamkeit. Handys kommen dabei in die Quere. Mein Fokus, meine Aufmerksamkeit wechselt ständig zwischen Handy und Kind. Immer wieder wird die Beziehung unterbrochen oder Eltern sind auch dauerhaft abgelenkt. Doch dabei versäumen sie die Bindungsangebote ihrer Kinder“, betont der Experte.
Für Familien war der Smartphone-Konsum von je her eine große Herausforderung. Das Handy weckt natürlich die Neugierde von Kindern jeden Alters. Daher ist es umso wichtiger, einen verantwortungsvollen Umgang vorzuleben. „Denn Kindern lernen viel durch Imitation und Beobachtung.“
Wir wollen das Bewusstsein der Eltern schärfen, wie sich die Gerätenutzung auf Momente der Bindung zu ihrem Kind auswirken kann.
Studienautor Marcelo Toledo-Vargas
„Kleine Änderungen machen den Unterschied“
„Unser Ziel mit der Studie ist es natürlich nicht, Eltern ein schlechtes Gewissen zu machen. Wir wollen stattdessen das Bewusstsein dafür schärfen, wie sich die alltägliche Handynutzung auf Momente der Verbundenheit mit seinen Kindern auswirken kann. Und wie kleine, minimale Änderungen einen bedeutenden Unterschied machen können“, betont Marcelo Toledo-Vargas, Hauptautor der brisanten Studie des Uni Wollongong.
Tatsache ist allerdings, wenn Mama oder Papa öfter das Handy benutzen, so die Studie, bekommt das Gerät die Aufmerksamkeit, die sonst für das Kind da gewesen wäre. Die Eltern reagierten auf die Signale ihrer Kleinen verzögert, oberflächlich, ruppig oder sogar abweisend – oder sie nähmen sie gar nicht wahr.
Regulation ist das Zauberwort
Wie man diesem Trend gegensteuern kann? „Da wird es mehrere Offensiven brauchen“, weiß Experte Lukas Wagner. „Medien, die für Kinder und Jugendliche problematisch sind, müssen reguliert werden, allen voran Social Media.“ Auch handyfreie Kinderspielplätze wären Thema. „Parallel dazu braucht es eine große Elternbildungsoffensive, etwa in Form von Workshops oder Elternabenden.“
Aber auch andere Gesundheitsberufe müssten mitdenken wie Hebammen, Kinderärzte, Kinderpsychiater, Sozialarbeiter, Lehrer, Sozialpädagogen. In allen diesen Berufen sollte das Thema Medien als Querschnittsmaterie unterrichtet werden. „Und natürlich bedarf es gesellschaftlich einem Umdenken. Früher war das Rauchen in geschlossenen Räumen mit kleinen Kindern ja auch normal. Wenn wir als Gesellschaft zunehmend in Sachen Medien umdenken, wird sich die Handynutzung neben kleinen Kindern auch ändern. Dazu müssen die Gefahren und Auswirkungen klar benannt werden!“, betont der Handy-Experte mit Nachdruck.
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