„Krone“-Interview

Low Life Rich Kids: Ein Plädoyer fürs Miteinander

Musik
21.05.2025 09:00

Aus einer Theaterproduktion heraus entstand völlig unerwartet ein Projekt, auf das wir lange gewartet haben: die Low Life Rich Kids. Indie-Pop, Neue Deutsche Welle, Rock und auch etwas Hip-Hop verbinden sich mit sozialkritischen und hedonistischen Texten. Eine neue Klangfarbe, die Wiens Sound-Landkarte gut steht.

(Bild: kmm)

Alles begann vor etwas mehr als zwei Jahren im Wiener Burgtheater. In Lucien Haugs „Über Nacht“ spielten Mara Romei und Coco Brell wichtige Rollen, Bernhard Eder inszenierte dazu die Musik. Während der Aufführungen fand das Trio künstlerisch zusammen und verstand sich auch musikalisch bestens. Gemeinsam komponierte man für das Stück den Song „Angst“, landete in den FM4-Charts damit weit vorne und erregte plötzlich die Aufmerksamkeit einer größer werdenden Öffentlichkeit. „Wir haben gut miteinander funktioniert und es war Potenzial da“, erzählt das musikalische Mastermind Eder im gemeinsamen Gespräch mit der „Krone“, „also haben wir eine Band gegründet.“ Zwei Jahre später veröffentlichen die Low Life Rich Kids nun ihr Debütalbum namens „Lieblingslieder“. Ein Titel, der so offensichtlich wirkt, dass man sich die ganze Zeit fragt, warum vorher noch niemand draufgekommen ist.

Liebe zur Gegensätzlichkeit
Der Bandname bedient sich der gleichen scheinbaren Gegensätzlichkeit, wie es auch alle anderen Komponenten tun. Da ein Mann, dort zwei Frauen. Da leichtfüßige Texte über sonnige Sommerurlaube, dort direkt adressierte Klimakritik. Da die Lust an der Zwanglosigkeit, dort die Befürchtung, von den rasant mahlenden Mühlen des Neoliberalismus zermalmt zu werden. Deshalb eben auch Low Life Rich Kids. „Da geht es durchaus um Klassismus. Wir alle kennen diese typischen Bubbles mit Bobo-Kids in Wien, die sich dann bewusst asozial aufführen. Die Rich Kids, die in zerfetzten Adidas-Hosen und barfuß herumrennen, um ,edgy‘ zu sein. Das ist irgendwie ein politischer und zu einem gewissen Grad auch selbstironischer Name.“ Zwischen Eder und den beiden Sängerinnen/Schauspielerinnen besteht eine erhebliche Alterskluft, die für die Benennung mitentscheidend war. „Wir wollten keinesfalls in die ,Teenies machen eine coole Band‘-Schiene gestopft werden.“

Die Band erwuchs einerseits aus der gegenseitigen Sympathie füreinander, andererseits aus einem massiven Sound-Archiv, das sich bei Eder zu Hause aufgestaut hat. „Ich habe ein paar schöne Demos gefunden, weitergeschickt und sortiert. Wir haben alle drei so wenig Zeit, dass wir gelernt haben, akkurat zu arbeiten, darauf zu texten, ins Studio zu gehen und alles in ein oder zwei Takes einzuspielen. Mittlerweile versuchen wir uns mehr Zeit zu nehmen und präziser zu sein“, lacht Eder. Doch bitte nicht zu präzise, denn die Mischung aus halbironischer Neuer Deutscher Welle, Indie-Pop und Postpunk-Zitaten funktioniert auch deshalb so gut, weil man Gedanken an den Perfektionismus erst gar keinen Raum gibt. „Was das angeht, sind wir relativ Rock’n’Roll“, betont Eder, der als Beatles-, Oasis- und Radiohead-Fan im Solo-Bereich eine große (und vorwiegend melancholische) Nummer in der heimischen Musikszene darstellt, „und als wir bemerkt haben, dass immer mehr Leute unsere Lieder mögen, hat uns das zusätzlich gepusht. Wenn man die Früchte ernten kann, kommt auch mehr Ernsthaftigkeit dazu.“

Organisation ist alles
Die Low Life Rich Kids sehen sich als „Performanceband“, weil sie im Livekontext entstanden und sich dort gestärkt haben. Bei zwei Schauspieler- und einer Musikerkarriere muss man organisatorisch einwandfrei funktionieren, sonst wären die famosen „Lieblingslieder“ eine Totgeburt geblieben. „Wir drei fühlen uns ein bisschen wie Geschwister“, schmunzelt Romei, die unlängst erst in der zweiten Staffel der ORF-Serie „Biester“ reüssierte, „wir können uns liebhaben, aber auch mal necken. All das geht nur mit Leuten, die eine ähnliche Vorstellung von Musik haben und den Humor teilen.“ Als Vollblutmusiker ist Eder so etwas wie der Häuptling und Bandleader, doch das gemeinsame Besprechen, Ausarbeiten und Zusammenstellen der Songs hat oberste Priorität. Eklektizismus hat jedenfalls seinen Platz bei der Band. Es darf in Nuancen auch mal in andere Genres austreiben, sich ständig etwas drehen. Stillstand wäre Rückschritt und Rückschritt ist schlecht.

Mit dem Song „Lieblingslieder“ eröffnet das Album und zieht den Indie-Pop-affinen Hörer sofort in den Mahlstrom seines Klangs. Das Lied handelt auch vom Alltagsdruck und davon, wie wichtig es manchmal ist, sich in die eigenen vier Wände zu verziehen, das Handy abzudrehen und die Welt da draußen Welt sein zu lassen. Die Low Life Rich Kids spielen auch gerne mit doppelbödigen Titeln wie „Anti-Woke-Generation“ oder „Wasserstoff brennt“. Neben lockeren und sonnigen Songs wie der Urlaubssehnsuchtshymne „Italien“ wird vor allem der global katastrophale Kurs bei der Klimathematik angeprangert. Wichtig ist dem Trio, nicht zu pauschalisieren und alle in einen Topf zu werfen. „Wir nehmen uns schon auch selbst bei der Nase“, präzisiert Brell, „es geht nicht darum, mit dem Finger auf ältere Menschen zu zeigen und sie zu beschuldigen. Man denkt sich oft genug selbst, man hätte vieles anders und besser machen können, als man jünger war. Man darf nicht vergessen, dass mit steigendem Alter die Angst größer wird und man immer schwerer aus seiner Komfortzone kommt.“

Offenheit und Verständnis
Romei pflichtet ihrer Kollegin bei. „Menschen, die einen gewissen Lebensstandard haben, fühlen sich schnell angegriffen, wenn man ihr zweites Auto kritisiert oder ihnen sagt, sie sollen weniger Fleisch essen. Es braucht Offenheit und Verständnis von beiden Seiten. Der Wunsch, sich die Neugierde zu bewahren. Das fängt schon beim Musikhören an.“ Das Thema Generationskluft ist in Songs wie „Unter den Wolken“, „Angst“ oder „Samba allein“ durchaus auch ein Thema. Die 23-jährige Romei sieht bei ihren Altersgenossen einen Paradigmenwechsel. „Viele schauen bewusst am Sonntagabend den ,Tatort‘ und sehen sich nach einer gewissen Stabilität und Ankerplätzen. Ich fahre oft mit meinem Papa mit dem Motorrad auf einen Berg, wo es keinen Empfang gibt und man den Frühling förmlich riecht. Da fühle mich sofort zurückversetzt in meine Kindheit. Das ist aber auch der Beweis dafür, dass ich auch Angst vor Veränderungen habe und mich gerne an diesen Erlebnissen festklammern möchte.“

„Lieblingslieder“ soll im Endeffekt ein Album für das Miteinander sein. Ein Highlight ist etwa der die Neue Deutsche Welle ehrende und auch persiflierende Song „NNNDW“, auf den sich Fans von Minisex, Andreas Dorau und Co. einigen können, ohne sich dabei überholt vorkommen zu müssen. Wer alle Referenzen im Song erkennt, der kann sich als Experte des Genres fühlen. Wie bei fast allen Pop-Bands, kommt man auch bei den Low Life Rich Kids irgendwann zu den Beatles zurück. Etwa dabei, die drei Stimmen als Harmoniegesang zu verwenden. Was anfangs nur probiert wurde, hat sich mittlerweile etabliert – und gibt einigen Liedern auch eine besondere Note. „Lieblingslieder“ pendelt irgendwo zwischen mahnenden (Umwelt)Zeigefinger und dem Wunsch nach Freiheit und Ausbruch. Es ist vor allem aber ein musikalisches Statement für Toleranz, fürs gegenseitige Zuhören und für die Tatsache, dass eine gute Freundschaft und ebenso gute Musik das Leben in jeder Hinsicht verbessern können. „Es geht darum zu sagen, dass wir die Probleme gemeinsam angehen sollten. Solidarisch. Und das wollen wir auch mit unseren Live-Performances vermitteln.“

Live zu sehen
Die offizielle Album-Release-Show findet heute Abend, 21. Mai, im Wiener Rhiz statt. Live sehen kann man die Low Life Rich Kids auch noch am 22. Mai mit Buntspecht im St. Pöltner Cinema Paradiso, am 28. Mai in der ARGE Salzburg und am 30. Mai im OKH in Vöcklabruck. Karten werden noch überall erhältlich sein.

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