Ein Ex-Beamter des aufgelösten Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) ist am Mittwoch in St. Pölten nicht rechtskräftig zu zwei Monaten bedingter Haft verurteilt worden. Der 66-Jährige soll für eine Privatermittlerin gegen Entgelt Firmenbuch-Abfragen gemacht und Organigramme erstellt haben.
Mit „Die Privatagentin und der Geheimdienstler“ hatte Wolfgang Handler von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) am ersten Prozesstag am 3. Juli 2024 die Causa zusammengefasst. Die deutsche Privatagentin Christina W. – „Deckname Nina“ – hatte Aufträge von Unternehmen erhalten. Bei zwölf Recherchen soll der frühere Beamte mitgearbeitet und dafür laut Anklage rund 90.000 Euro Honorar in bar erhalten haben.
Vorgeworfen wurde dem 66-Jährigen Bestechlichkeit in mehreren Fällen von 2010 bis 2016. Der Mann soll der Anklage zufolge einige Male ohne dienstliche Rechtfertigung Abfragen im Firmen- und Grundbuch getätigt und u.a. Organigramme oder Schaubilder erstellt haben. Bei mehreren von der WKStA angeführten Projekten gab es für den 66-Jährigen am Mittwoch allerdings einen Freispruch. Von der ebenfalls von der Anklage umfassten Bestimmung zum Amtsmissbrauch im Zusammenhang mit von Finanzbeamten abgerufenen Steuererklärungen ist der Beschuldigte ebenfalls nicht schuldig gesprochen worden.
Langjähriges Bekanntschaftsverhältnis
Der frühere Beamte hatte die Frau, die zuvor laut WKStA für das Ministerium für Staatssicherheit (Stasi) der DDR tätig gewesen war, im Jahr 1997 kennengelernt. Sie arbeitete als Buch- und Fernsehautorin sowie Journalistin, bevor sie aus Sicht der Staatsanwaltschaft ungefähr ab 2004 im Auftrag von Firmen als Unternehmensberaterin tätig war. Recherchieren sollte sie beispielsweise für die Novomatic AG oder für die OMV-Tochter Petrom. Die 78-jährige Privatagentin stellte den Angaben zufolge auch dem BVT Informationen zur Verfügung, sie galt offenbar als „Quelle Bertram“.
Der in ihrem Heimatland einschlägig vorbestraften Christina W. wird Bestechung von 2009 bis Anfang 2016 sowie versuchte Bestimmung zum Amtsmissbrauch in mehreren Fällen 2009 und 2013 vorgeworfen. Die ursprünglich mitangeklagte Frau erschien aufgrund eines Krankenhausaufenthalts beim Prozessauftakt im Vorjahr nicht in St. Pölten bei Gericht. Das Verfahren gegen W. wurde daraufhin ausgeschieden und aufgrund des schlechten Gesundheitszustands der Frau vorerst abgebrochen. Auch die Zeugenbefragung der 78-Jährigen im Schöffenverfahren war bereits mehrfach angepeilt worden, ehe sie am Mittwoch per Videoschaltung aus Deutschland über die Bühne ging.
Christina W. berichtete über freundschaftlichen Austausch mit dem Beschuldigten. Das Erfüllen von Aufträgen durch den Ex-Beamten habe sich dann ergeben, „und mir tut das bis heute leid“. Sie habe den Angeklagten dazu gedrängt und überredet. „Er hat es nie gewollt, überhaupt nicht. Das ist alles von mir ausgegangen.“
Zeugin will maximal 12.000 Euro übergeben haben
Vom 66-Jährigen für sie angefertigte Schaubilder zu Projekten seien eine Notwendigkeit gewesen, um komplexe Sachverhalte zu verstehen: „Im Internet bin ich ein Dinosaurier.“ Im Gegenzug habe sie dem Mann mehrfach „einen Umschlag untergeschoben“ – aus Sicht von Christina W. eine Entschädigung für zusätzlichen Arbeitsaufwand. Die in der Anklage erfasste Honorarsumme von mehr als 90.000 Euro sei aber „jenseits von Gut und Böse“, die 78-Jährige ging selbst von 10.000 bis 12.000 Euro aus.
Verurteilt wurde der 66-Jährige laut der vorsitzenden Richterin letztlich bezüglich jener sechs Projekte, bei denen er selbst zuvor einen Zahlungsfluss eingeräumt hatte. Der Angeklagte hatte sich jedoch damit verantwortet, in der Freizeit und damit nicht dienstlich gehandelt sowie recherchiert zu haben und sich generell unschuldig bekannt. Vom Gericht wurden letztlich 7.900 Euro an Gesamthonorar für diese sechs Projekte angenommen, die Summe wurde für verfallen erklärt.
Mildernd wirkte sich laut Richterin neben der Unbescholtenheit vor allem die überlange Verfahrensdauer aus. Aus diesem Grund seien sechs Monate bei der Strafbemessung abgezogen worden. Als erschwerend galten das Zusammentreffen mehrerer Vergehen sowie der längere Tatzeitraum. Staatsanwaltschaft und Verteidigung gaben zum Urteil jeweils keine Erklärung ab.
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