krone.at: Sie sind in den vergangenen eineinhalb Jahren rennserienmäßig "gestanden" und zudem inzwischen 36 Jahre alt. Was treibt Sie dazu, gerade jetzt Ihr Debüt in der MotoGP zu geben?
Martin Bauer: Naja, es war ja nicht so, dass ich echt eine Pause eingelegt hätte. Ich habe ja ursprünglich mit KTM am Einstieg in die Superbike-WM gearbeitet, nur wurde er kurzfristig gecancelt. Daher bin ich zwar ein Jahr lang nicht gefahren, aber ich habe sehr wohl in der Entwicklung weitergemacht. Und weil ich jetzt nicht ausgelastet war, was die Rennerei betrifft, sind Andreas Bronnen und Fritz Schwarz auf mich zugekommen und haben gesagt, sie hätten ein Projekt, und ob mich das nicht interessieren würde. So ist das ins Rollen gekommen. Ende 2012 habe ich mich bereit erklärt, Testfahrten zu machen und zu schauen, wie das Motorrad funktioniert - und nach ein paar Tests war dann klar, dass wir relativ flott unterwegs sind.
krone.at: Stichwort Rennpause. Ist es nicht doch auch problematisch, ein Rennen in der Königsklasse ohne Wettkampfpraxis mitzumachen?
Bauer: Nachdem ich sehr viel Erfahrung habe, ist es nicht unbedingt notwendig, permanent Rennen zu fahren, um auf dem Level zu bleiben. Auch bei Tests ist man gezwungen, immer zu pushen - das macht zu einem Rennen fahrerisch eigentlich kaum einen Unterschied. Superbike-Rennen wären für die MotoGP auch keine große Hilfe gewesen, weil sich diese Motorräder ja doch anders fahren und anders anfühlen, als MotoGP-Maschinen. Ich muss aber auch sagen, dass ich nie davon abhängig war, beständig fahren zu müssen, um auf einem gewissen Level zu bleiben. Egal, wie lange eine Pause war, es braucht vielleicht eine halbe Stunde am Motorrad und das Gefühl ist sofort wieder da.
krone.at: Gehen Sie jetzt mit einer großartig anderen Vorbereitung in das Moto-GP-Wochenende?
Bauer: Grundsätzlich ist das ein Renneinsatz wie die, die ich in den vergangenen Jahrzehnten gemacht habe. Das Business ist das gleiche, es läuft nur in einer ein bisschen anderen Umgebung ab. Natürlich ist es schön, den direkten Vergleich mit den Werksteams zu erleben, das ist schon eine sehr interessante Sache. Von der Superbike-WM her kenne ich das ja, da war ich schon das eine oder andere Mal, aber die Moto-GP ist doch noch einmal ein anderes Pflaster.
krone.at: Was ist das für ein Gefühl, der erste Österreicher in der MotoGP (seit 2002) und der erste Österreicher in der Königsklasse seit Karl Truchsess 1996 zu werden?
Bauer: (lacht) Naja, warten wir ab, es hängt auch davon ab, wie es ausgeht. Im Nachhinein, wenn alles halbwegs gut gegangen ist, denke ich, werde ich schon nicht ganz unglücklich darüber sein, dass ich Österreich vertreten konnte.
krone.at: Mit welchen Zielsetzungen gehen Sie ins Brünner MotoGP-Rennen? Gibt's eine spezielle Zeit, die Sie erreichen wollen, einen bestimmten Platz - oder sind die Ziele ergebnisunabhängig?
Bauer: Ich möchte nicht einfach nur dort mitfahren, sondern den Anschluss zu den anderen CRT-Teams - das sind Teams, die ähnliches Material wie wir einsetzen - schaffen und vielleicht den einen oder anderen hinter mir lassen. Wenn wir das zusammenbringen, ist das eine gewaltige Sache, weil wir nur wenige Möglichkeiten hatten, zu testen. Wir konnten mit dem Motorrad in dieser Konfiguration zweimal fahren, während die anderen mindestens zwei Jahre Erfahrung haben.
krone.at: Was bedeutet das konkret?
Bauer: Wir sind jetzt vielleicht bei 25 Prozent von dem, was man eigentlich austesten könnte. Mehr haben wir nicht geschafft, weil wir nicht genug Zeit hatten. Der limitierende Faktor für uns ist die Zeit auf der Rennstrecke. Da haben wir jetzt nur mehr die zwei Testtage in Brünn. Wenn ich davon rede, dass es gut läuft, dann geht es nicht darum, im Mittelfeld mitzufahren oder gar mit einem Lorenzo oder einem Rossi zu kämpfen. Das ist gar nicht möglich in dieser kurzen Zeit. Dafür ist das Material viel zu unterschiedlich.
krone.at: Nur vielleicht um das zeitlich jetzt zu konkretisieren - von welchen Abständen pro Runde zur Spitze sprechen wir jetzt?
Bauer: Wir bewegen uns schätzungsweise in einem Bereich von vier Sekunden Rückstand auf die Spitze.
krone.at: Vorbehaltlich der Tests mit Legende Valentino Rossi - wo könnte es am ehesten noch an Ihrem Renner haken?
Bauer: Was die ganze Sache stark erschwert, sind die im Grenzbereich sehr heiklen Einheitsreifen von Bridgestone, die zu verwenden sind. Um wirklich bis ans Limit gehen zu können, bedarf es normalerweise einer sehr hochwertigen Elektronik, die wir nicht haben. Und die haben wir deswegen nicht, weil es unglaublich aufwendig ist, sie abzustimmen. Wir wussten aber schon im Vorhinein, dass wir diese Zeit nicht haben würden, daher haben wir uns dafür entschieden, uns auf die Basis für schnelles Fahren zu konzentrieren: das Chassis. Allerdings: Du kannst an dem Motorrad alles verändern, aber es kann dir keiner sagen, was das Motorrad schneller macht. Es muss alles empirisch ermittelt werden. Weiterkommen tun wir auf jeden Fall. Es ist nur eine Frage der Zeit.
krone.at: Stichwort Rossi. Wie ist es dazu gekommen, dass Sie ausgerechnet mit dem Yamaha-Star einen Test bestreiten konnten?
Bauer: Wir haben nach einer vernünftigen Möglichkeit gesucht, in Brünn vorher nochmal fahren zu können. Die Tests, die wir bisher gemacht haben, die fanden im Rahmen einer Hobbyveranstaltung statt und da hast du das Problem, dass du irrsinnig viel Verkehr draußen hast. Das behindert sehr stark. Dann hat sich herausgestellt, dass Yamaha zu Vorbereitungen für das Grand-Prix-Wochenende die Strecke für zwei Tage exklusiv gemietet hat - für Yamaha war das gar kein Thema, dass wir auch teilnehmen können, wir stehen ja nicht in direkter Konkurrenz zum Yamaha-Werksteam (lacht).
krone.at: Wenn Sie schon den Leistungsunterschied ansprechen - von was für einer Größenordnung sprechen wir da ungefähr?
Bauer: Wir werden mit 225 PS ins Rennen gehen, während die Top-Teams 260 PS haben.
krone.at: Kein kleiner Unterschied...
Bauer: Ja, das ist schon nicht so wenig, wobei diese Differenz gar nicht so gravierend ist. Was den Unterschied zwischen meinem Motorrad und einem Werksmotorrad wirklich ausmacht, das sind die Elektronik und die Gewichtsverteilung. Die Top-Motorräder sind genau für diesen Motor gebaut, die sind entwickelt und vom Gewicht her optimiert worden.
krone.at: Das heißt, die Kraft wird besser auf die Strecke übertragen?
Bauer: So ist es! Die sind in der Lage, die Kraft im Kurvenausgang viel früher auf die Straße zu bringen, als wir das können. Und wenn es auf die Gerade geht, kommt die Power auch noch dazu. Letztlich können die Topteams konstanter über die ganze Renndistanz fahren, weil die Elektronik hochwertig ist und das Material viel weniger belastet wird.
krone.at: Auch wenn man über Geld an und für sich nicht spricht - wie teuer ist die Maschine, mit der Sie Ende August in Brünn zu reüssieren versuchen werden?
Bauer: Ich bin zwar jetzt nicht so für die Finanzen zuständig, aber es wird irgendwo um die 100.000 Euro sein.
krone.at: Was sind, ganz einfach gesagt, die größten Unterschiede zwischen einer Superbike-Maschine und einem MotoGP-Renner?
Bauer: Die größten Unterschiede sind, dass erstens die Motorleistung noch einmal bedeutend größer ist, und zweitens, dass man auf einem Prototypen, wie es sie in der MotoGP gibt, alles ändern kann. Bei einem Superbike bist du mehr oder weniger auf die Serieneinstellung angewiesen, die darf man vom Reglement her auch gar nicht ändern. Aber nur weil ich alles ändern kann, heißt das nictrong>krone.at: Sie scheinen generell einen guten Draht zu Weltstars zu finden, Michael Schumacher war ja eine Zeit lang Ihr Teamkollege und Lehrbub - wie haben Sie die Zusammenarbeit mit ihm damals erlebt?
Bauer: Es war eine sehr, sehr angenehme Zeit. Wir haben uns in erster Linie natürlich aufs Motorrad konzentriert, aber es war auch interessant, wie die Probleme im F1-Zirkus angegangen werden. Für ihn war es toll, weil er mit mir nicht nur einen "Fahrlehrer" gehabt hat, sondern auch einen Techniker, der ihm alles erklären konnte - denn er ist ja auch technisch sehr interessiert, der Michael. Er hat in kurzer Zeit ein Level erreicht, das ich nicht für möglich gehalten hätte. Am Anfang, als ich die ersten Runden mit ihm gemacht und ihn beobachtet habe, habe ich mir gedacht: "Das wird nix!" Aber er hat so schnell gelernt, so genau zugehört und alles umgesetzt, das war sehr beeindruckend.
krone.at: Zurück zum Thema. Wie geht's mit dem ganzen Projekt nach dem Brünn-Wochenende weiter? Ist das ein Probelauf für eine Teilnahme an der ganzen Saison 2014? Und was für eine Rolle werden Sie dann noch spielen?
Bauer: Natürlich sind nachhaltigere Pläne im Hintergrund am Laufen. Für uns ist das jetzt einmal eine Probe, um zu sehen, wie diese Plattform angenommen wird, wie wir ankommen, auch bei der Industrie. Natürlich kann man die ganze Sache auch noch höher treiben, wenn finanzielle Unterstützer im Hintergrund einsteigen. Der Plan ist, weiterzumachen und - wenn möglich - sogar den einen oder anderen Lauf dieses Jahr noch mitzufahren. Aber fixiert ist noch nichts.
krone.at: Und von Ihrer Seite? Wie würde es von Ihrer Seite weitergehen? Wären Sie dann nächstes Jahr auch dabei?
Bauer: Natürlich! Für mich ist es eine sehr interessante Geschichte, weil ich das erste Mal in der Lage bin, mit einem Motorrad nach diesem Reglement zu arbeiten. Ich bin bei dem Projekt ja nicht dabei, um MotoGP fahren zu können - das ist für mich nicht so wichtig, wie die meisten vielleicht glauben. Mir macht es Spaß, mit so einem Motorrad in so einem offenen Reglement arbeiten zu können, weil das meinen Horizont erweitert. Das ermöglicht dir als Techniker komplett andere Einblicke in die Motorradwelt - wir bewegen uns hier im obersten Level. Wenn du da mal Einblicke gewinnen und Erfahrungen sammeln konntest, tust du dir viel leichter, wenn du in Zukunft wieder Superbikes fährst.
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