Warum das bunte Narrentreiben auch einen wichtigen psychologischen Effekt hat, erklärt Expertin Christa Schirl: „Dieses Brauchtum ist quasi wie Stuhlgang für unsere Seele.“ Ein Verkleidung ist aber noch immer kein Freibrief dafür, wahllos Mitmenschen zu beleidigen.
Die Narren sind los, und so richtig die Sau rauszulassen, macht nicht nur Spaß, sondern ist auch ein wahres Wunder für unsere Psychohygiene. Aber warum? Einerseits ist der Fasching die Zeit der geheimen und ungelebten Träume. Wir schlüpfen in fremde Gewänder, spielen Chef, Prinzessin und Pilot oder erlegen uns als Priester für eine Nacht selbst ein Zölibat auf. Dieser Rollentausch und das Ausleben verborgener Träume soll laut allgemeiner Expertenmeinung supergesund sein.
Bräuche stehen auf UNESCO-Liste
Doch damit nicht genug, denn der Fasching und seine Narretei haben auch noch andere Benefits für unsere seelische Verfassung parat: Unter der Narrenkappe schimpft es sich leichter – und auch das ist gesund. In Oberösterreich geht es zu diesem Thema seit Jahrhunderten so richtig zur Sache. Drei legendäre Faschings-Bräuche, die es sogar auf die UNESCO-Liste geschafft haben, sorgen für Ausnahmezustand: Am Faschingssonntag startet die „Traunkirchner Mordsgschicht“, am Rosenmontag tobt der berüchtigte „Fetzenzug“ in Ebensee, und am Faschingsdienstag bebt Sierning beim „Rudentanz“. Bei allen drei Events heißt es: Klartext statt Maulkorb!
„Richtig abzulästern tut jedem Menschen gut“
Ob Missstände aufdecken oder lokale Ereignisse mit einem Augenzwinkern nacherzählen – hier kommt alles auf den Tisch. Und dank Maskerade und Rollentausch können die Narren sagen, was sonst keiner zu sagen wagt. Warum das so wichtig ist, erklärt Psychologin Christa Schirl: „Einmal so richtig abzulästern, tut gut, das ist wie Stuhlgang für die Seele. Das können wir im Alltag oft nicht machen. Wir können nicht einfach unseren Nachbarn über den Gartenzaun hinweg anschreien oder beim Bürgermeister ins Büro platzen und Dampf ablassen. Bei Faschingsbräuchen kann diesen Gefühlen, die uns diesen Wunsch verspüren lassen, Platz gegeben werden.“
Bräuche unterliegen genauen Regeln
Der Fasching lade dazu ein, eigene Bedürfnisse zu formulieren und auch ansonsten Ungesagtes einmal zu artikulieren. Ist das jetzt ein Freibrief, gegen alles und jeden zu schimpfen? „Nein, absolut nicht. Beim lokalen Fasching weiß ich auch trotz Maskerade eigentlich immer sofort, wer der Absender des Ärgers ist. Man erkennt bei diesen Brauchtümern die handelnden Personen recht schnell, auch wenn dieser Jemand verkleidet ist.“ Das ist laut der Expertin zentral, denn die Faschingsbräuche unterliegen genauen Regeln.
„Humor ohne zu verletzten ist zentral“
„Der Zweck ist nur erfüllt, wenn ich als Person weiß, dass mich mein Gegenüber erkennen könnte, dann hat es eine reinigende Wirkung. Ist dies nicht der Fall, wie beispielsweise bei anonymisierten verbalen Attacken im Internet, ist das absolut nicht gesund.“ Wichtig sei auch der Humor und dass die Grenzen des Gegenübers immer gewahrt bleiben, verrät die Psychologin: „Die Linien sind natürlich etwas verschoben, und gewisse Tabus müssen fallen, sonst wären die Witze ja nicht lustig.“
Was ist aber, wenn man keine Lust hat, sich zu verkleiden und aktiv an den Späßen teilzunehmen? „Das macht gar nichts, denn auch das Zuschauen und über die Pointen zu lachen, ist durchaus heilsam. Darum gehen viele Leute auch so gerne ins Kabarett – auch hier gibt es Rahmenbedingungen und die handelnden Personen sind nachvollziehbar.“
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