Chaos in Ägypten

Salafisten-Partei stoppt Ernennung von ElBaradei

Ausland
07.07.2013 12:42
Nach dem Sturz von Mohammend Mursi durch das ägyptische Militär hätte am Samstag Friedensnobelpreisträger Mohamed ElBaradei zum neuen Regierungschef ernannt werden sollen. Doch die salafistische Al-Nur-Partei blockierte den Beschluss zunächst und enttäuschte damit Hoffnungen auf ein rasches Ende der gesellschaftlichen Turbulenzen, zumal beide rivalisierenden Lager neue Massenproteste ausriefen.

Am Samstagabend hatte es noch aus mehreren offiziellen Quellen geheißen, ElBaradei sei zum Chef einer mit den "vollen Befugnissen" ausgestatteten Übergangsregierung ernannt worden. Doch der persönliche Berater des als Interims-Präsident eingesetzen obersten Verfassungsrichters Adli Mansur ruderte kurz darauf wieder zurück: ElBaradei sei zwar "die logische Wahl" für den Posten, aber noch nicht offiziell ernannt, betonte Ahmad al-Muslimani.

Derzeit sollen Verhandlungen über die Besetzung des Postens laufen, Mansour und ElBaradei trafen sich zu Gesprächen. Angekündigte Stellungnahmen der Politiker wurden allerdings wieder abgesagt. Nach den blutigen Massenprotesten gegen die Absetzung von Mursi hatten sowohl Präsident Mansour wie auch ElBaradei in den letzten Tagen mehrfach betont, die Islamisten an der Regierung beteiligen zu wollen. Dies schlossen die religiösen Kräfte jedoch kategorisch aus. Mursi selbst bezeichnete seine Entmachtung als "klaren Militärputsch".

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Demonstranten feierten ElBaradei
Nach der vorschnell verkündeten Personalie hatten Demonstranten auf dem symbolträchtigen Tahrir-Platz in Kairo und vor dem Präsidentenpalast mit Hupkonzerten, Feuerwerkskörpern und wehenden Fahnen gejubelt. Sie machen Mursi und seine Muslimbrüder für eine amateurhafte Wirtschaftspolitik und eine zunehmende Islamisierung des Landes verantwortlich. Für Sonntag kündigte die maßgeblich an Protesten gegen Mursi beteiligte Tamarod-Bewegung eine neue Großversammlung auf dem Tahrir-Platz an, auch die Islamisten planten eigene Demonstrationen.

ElBaradei hatte Mursis Absetzung befürwortet und war in der Vergangenheit vor allem vom Westen immer wieder als Hoffnungsträger für den demokratischen Transformationsprozess ins Spiel gebracht worden. Nach jahrzehntelanger diplomatischer Tätigkeit im Ausland war er ein Jahr vor dem Sturz des ägyptischen Machthabers Hosni Mubarak im Februar 2011 in seine Heimat zurückgekehrt und hatte sich für Ägyptens demokratischen Wandel stark gemacht. Als Chef der Internationalen Atomenergiebehörde IAEO hatte ElBaradei 2005 den Friedensnobelpreis erhalten.

37 Tote bei Protesten
Bei Ausschreitungen waren am Freitag und in der Nacht auf Samstag nach Angaben des staatlichen Ambulanzdienstes mindestens 37 Menschen ums Leben gekommen, davon 16 durch Schüsse. Mehr als 1.400 weitere hatten Verletzungen erlitten.

Der demokratisch gewählte, aber wegen seiner Amtsführung umstrittene islamistische Mursi war am Mittwoch nach einem Jahr im Amt vom Militär entmachtet worden. Seine Gegner wehrten sich gegen angebliche Pläne zur Islamisierung des Landes und machten ihn für die Wirtschaftsmisere verantwortlich. Mursi wurde nach dem Sturz von Langzeit-Präsident Mubarak Präsident. Er befindet sich in Gewahrsam. Seine Unterstützer wollen sich nicht mit der Absetzung abfinden.

Internationale Kritik an der Gewalt
UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon rief die ägyptischen Sicherheitsleute auf, die Demonstranten zu schützen. Polizei und Militär müssten alle gewaltsamen Zusammenstöße vermeiden, erklärte Ban am Samstag in New York. Zugleich rief er das ägyptische Volk auf, "sein Recht auf Demonstrationen ausschließlich friedlich auszuüben".

US-Präsident Barack Obama verurteilte die Gewalt in Ägypten und zeigte sich besorgt über die politische Polarisierung im Land. Wie das Weiße Haus am Samstag mitteilte, analysierte Obama in einer Telefonkonferenz mit dem Nationalen Sicherheitsrat die Lage in Ägypten. Der Präsident unterstrich erneut, dass die USA nicht mit einer bestimmten politischen Partei oder Gruppe in Ägypten verbunden seien oder sie unterstützten. Der künftige Weg des Landes könne nur von den Ägyptern selbst bestimmt werden. Der Präsident rief alle Ägypter auf, die bestehenden Gräben zu überwinden und die Stabilität und die ägyptische Demokratie wiederherzustellen.

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