Armeechef putschte

General al-Sisi: Das ist Ägyptens wahrer starker Mann

Ausland
04.07.2013 12:32
Erneut hat Ägyptens Militär in die politische Landschaft eingegriffen - diesmal hat es den demokratisch gewählten, aber höchst umstrittenen und mit diktatorischen Zügen regierenden Präsidenten Mohammed Mursi aus dem Amt entfernt. Dabei hat General Abdel Fattah al-Sisi, zugleich Armeechef und Verteidigungsminister unter Mursi, die Fäden gezogen. Doch wer ist der mächtigste Mann Ägyptens?

Der in Kairo geborene al-Sisi gilt als strenggläubiger Sunnit. Seine Frau soll die Nikab, den Ganzkörperschleier, tragen. Manche munkelten daher, der 58-Jährige sei "der Mann der Muslimbruderschaft in der Armeeführung".

Diese Charakterisierung dürfte jedoch unzutreffend sein, versteht sich al-Sisi verschiedenen Medien zufolge doch als Anhänger des verstorbenen säkularen Staatspräsidenten Gamal Abdel Nasser, der zuvor ebenfalls im Militär Karriere gemacht hatte. Nasser trat für die Säkularisierung Ägyptens und gegen die Muslimbruderschaft ein. So war es nun ausgerechnet der als Muslimbruder beäugte al-Sisi, der der strenggläubigen Bewegung mit der Absetzung Mursis einen schweren Schlag zugefügt hat.

Karriere im Heer ohne Teilnahme an Kriegen
Al-Sisi wurde im November 1954 in Kairo geboren, 1977 schloss er seine Ausbildung an der Militärakademie ab. Er bildete sich in Großbritannien und den USA weiter und machte in der Armee Karriere. Dabei gehört er einer Generation von Stabsoffizieren an, die - anders als der ehemalige Luftwaffenpilot Hosni Mubarak - an keinem der Kriege aktiv teilnahmen, in die Ägypten in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verstrickt war.

Noch unter Mubarak wurde er Kommandant des Armeebereichs Nord mit Sitz in Alexandria, zudem bewies er als Militärattaché in Saudi-Arabien diplomatisches Geschick. In der Zeit nach dem Sturz des Langzeitpräsidenten Mubarak im Februar 2011 und vor seiner Ernennung zum Verteidigungsminister und Armeechef im August 2012 leitete der Generaloberst den Militärgeheimdienst. Außerdem gehörte er dem Oberkommando der Streitkräfte an, das unter dem Namen Oberster Militärrat nach dem Abgang Mubaraks die Macht im Lande übernahm.

Frischer Wind in angestaubter Armeeführung
Dass al-Sisi der erste Verteidigungsminister der ägyptischen Geschichte ist, der von einem demokratisch gewählten Präsidenten ernannt wurde, stieß auch bei jüngeren Offizieren auf Zustimmung, nachdem jahrzehntelang alte Generäle die oberen Posten besetzt gehalten hatten. Schließlich ist al-Sisi mit 58 stolze 20 Jahre jünger als sein Vorgänger im Verteidigungsministerium.

In der ägyptischen Krise seit dem Sturz Mubaraks hatte er sich zuvor weitgehend zurückgehalten. Allerdings sah er sich vor dem Ultimatum an Mursi, das zum Putsch geführt hat, schon einmal im Jänner 2013 zu einer Warnung an die politischen Kräfte veranlasst: Als heftige Krawalle die Städte am Suezkanal erschütterten, sprach er von einem Staatskollaps und erklärte, die ägyptische Armee als "stabile Säule des Staates" werde dies verhindern.

Al-Sisi will Ruf der Armee aufpolieren
Gleichzeitig versucht al-Sisi nach Ansicht von Politikern und Journalisten laut Nachrichtenagentur AFP, die Armee von ihrem schlechten Ruf befreien, der ihr seit der Militärherrschaft zwischen dem Sturz Mubaraks im Februar 2011 und dem Wahlsieg Mursis im Juni 2012 nachhängt. Schon Ende letzten Jahres habe al-Sisi versucht, am Verhandlungstisch einen nationalen Konsens in der Frage der neuen Verfassung zu finden.

Zynische Bemerkungen zu misshandelten Frauen
Doch al-Sisi ist im In- und Ausland auch für seine bedenkliche Erklärung für brutale Übergriffe auf Frauen bekannt. Als im März 2011 Militärpolizisten jugendliche Demonstranten vom Tahrir-Platz in den Keller des Ägyptischen Museums verschleppten und dort misshandelten, unterzogen sie die Mädchen und jungen Frauen unter ihnen einer besonders grausamen und erniedrigenden Behandlung - den sogenannten Jungfräulichkeitstests.

Es war al-Sisi, damals in der Funktion als Chef des Militärgeheimdienstes, der diese Praxis einige Wochen später gegenüber westlichen Medien zu begründen versuchte: Die Frauen hätten gemeinsam mit jungen Männern auf dem Tahrir-Platz campiert, und damit sie nicht später sagen würden, sie seien von Militärpolizisten vergewaltigt worden, hätte man eben ihre "Jungfräulichkeit" geprüft, behauptete er zynisch.

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