Weiter Kritik an Karl

Justizexperten für Comeback des Jugendgerichtshofs

Österreich
01.07.2013 14:28
In der Diskussion um den Umgang mit minderjährigen U-Häftlingen haben sich Justizexperten zu einer "Allianz gegen die Gleichgültigkeit im Strafvollzug" zusammengeschlossen. Sie fordern unter anderem die Wiedereinführung des vor rund zehn Jahren aufgelösten Jugendgerichtshofs und üben heftige Kritik an Missständen im Strafvollzug. Die Generalsekretärin der Vereinigung österreichischer Strafverteidiger, Alexia Stuefer, bezeichnete es am Montag etwa als "absurd", dass bei sinkender Kriminalität die Haftzahlen steigen.

Den Fall jenes 14-Jährigen, der Anfang Mai in der Untersuchungshaft von Mitgefangenen mit einem Besenstiel vergewaltigt worden war (siehe Infobox), bezeichnete Stuefer als "Pleite des Rechtsstaates". Die österreichische Gesellschaft sei so beschaffen, dass sie "Kinder - und ein Jugendlicher mit verzögerter Reife ist ein Kind - wegsperrt und sich selbst überlässt", erklärte die Juristin.

Der Vollzug in seiner derzeitigen Form sei "nicht gesetzeskonform". Vorgesehen sei, dass Inhaftierte über Nacht alleine in einer Zelle seien. Es sei darüber hinaus "internationaler Standard, dass Jugendliche von Erwachsenen getrennt untergebracht werden".

Richter: Vergewaltigung hätte sich verhindern lassen
Der Richter Oliver Scheiber zeigte sich davon überzeugt, dass die Vergewaltigung des 14-Jährigen zu verhindern gewesen wäre. Es sei ein Fehler gewesen, dass der Jugendgerichtshof im Jahr 2003 geschlossen wurde. In anderen Bereichen, etwa der Korruptionsbekämpfung, gehe man den umgekehrten Weg hin zu mehr Spezialisierung. Im Strafvollzug sei das nicht machbar.

Der Kinder- und Jugendpsychiater Ernst Berger sagte, dass die Haftbedingungen in der Wiener Justizanstalt Josefstadt für Kinder und Jugendliche Merkmal einer überforderten Großanstalt seien. Es gebe keine zusätzlichen Ausbildungsangebote für die Justizwachebeamten und viel zu wenig therapeutische Betreuungsmöglichkeiten. Udo Jesionek, einst Präsident des Jugendgerichtshofs und jetzt Präsident der Opferhilfe Weißer Ring, erklärte, es gehe im Jugendstrafvollzug auch darum, alles zu tun, "um zu verhindern, dass der Jugendliche rückfällig wird, wenn er rauskommt".

Allianz will Jugendkompetenzzentren und mehr Personal
Die Allianz forderte neben der Wiedererrichtung des Jugendgerichtshofs die Schaffung von Jugendkompetenzzentren in den Ballungsräumen und Alternativen zur Untersuchungshaft für Jugendliche, wie das laut den Experten in Ländern wie Schweden, der Schweiz und Italien der Fall ist. Darüber hinaus sollte das Angebot an Pädagogen, Therapeuten, Psychologen und Sozialarbeitern verstärkt werden.

Das Personal in den Haftanstalten müsste nach Meinung der Allianz aufgestockt werden, damit die Einschlusszeiten verringert werden könnten. Weiters wollen die Experten kurze Freiheitsstrafen bis zu sechs Monaten durch freiwillige gemeinnützige Arbeit ersetzen. Nicht zuletzt müssten die Besuchsmöglichkeiten ausgebaut werden.

Prammer: Karls Wortwahl "unglaublich" und "unangemessen"
Auch auf politischer Ebene ging der Schlagabtausch weiter. Am Montag meldete sich Nationalratspräsidentin Barbara Prammer zu Wort. Sie meinte in Richtung der unter Beschuss geratenen Justizministerin Beatrix Karl (Bild rechts), dass diese ihre Worte unglücklich gewählt habe - "da ist fast die ganze Republik einig", so Prammer. Karls erste Reaktion bewertete sie als "sehr merkwürdig", die Wortwahl als "unglaublich" und "unangemessen". Sie hoffe gleichzeitig, dass der Fall "nach der ganzen Latte an Fehlern" auch Gutes bringe, nämlich Veränderungen und Verbesserungen im System.

ÖVP-Generalsekretär Hannes Rauch zeigte sich daraufhin empört über Prammer. "Dieser Kommentar ist einer Nationalratspräsidentin unwürdig", erklärt er am Montagnachmittag. Karl habe bereits die Sachlage klargestellt, ihr persönliches Bedauern ausgedrückt und weitere Maßnahmen eingeleitet.

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