28.12.2012 11:43 |

Fall Magnitski

Moskau heizt neuen "Kalten Krieg" mit den USA weiter an

Der qualvolle Tod des russischen Anwalts und Aufdeckers Sergej Magnitski in Haft belastet weiter die Beziehung zwischen den USA und Russland. Ein Gericht in Moskau hat am Freitag den Vizechef des Untersuchungsgefängnisses Butyrka, Dmitri Kratow, vom Vorwurf der Fahrlässigkeit freigesprochen. Zugleich unterzeichnete Präsident Wladimir Putin ein umstrittenes Gesetz, das US-Bürgern die Adoption russischer Kinder untersagt. Beobachter sehen sich bereits in die Zeit des "Kalten Krieges" zurückversetzt.
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Zwischen den Handlungen des Gefängnis-Vizes und dem Tod des - zum Zeitpunkt seines Todes in Haft schwer kranken - Magnitski gebe es keinen Zusammenhang, entschied das Gericht in Moskau. Der an einer Entzündung der Bauchspeicheldrüse leidende Anwalt hatte laut Medienberichten in Haft wiederholt Hilfe von Fachärzten erbeten. Kratow sei jedoch unschuldig und habe "alles in seiner Macht Stehende getan", um Magnitski zu retten, erklärte die Gerichtsvorsitzende Tatjana Newerowa laut einer Meldung der Agentur Interfax.

Das US-Investmentunternehmen Hermitage Capital, für das Magnitski gearbeitet hatte, sprach am Freitag von einem politisch motivierten Urteil. "Kratow und andere sind schuldig", sagte der Bürgerrechtler Waleri Borschtschew. Beobachter hatten den Freispruch des Justizbeamten erwartet, nachdem die Staatsanwaltschaft bereits am Montag alle Vorwürfe gegen Kratow fallengelassen hatte. Bereits im April war eine Gefängnisärztin wegen Verjährung freigesprochen worden, die dem vermutlich von Wärtern zusammengeschlagenen Magnitski nicht geholfen hatte. Der 37-Jährige war offiziell an Herzversagen gestorben.

Audecker nach Folter in Haft gestorben
Sergej Magnitski hatte vor vier Jahren einen Skandal um Geldwäsche und die Veruntreuung von russischen Staatsgeldern in Millionenhöhe aufgedeckt, in den auch zahlreiche korrupte Behördenmitarbeiter verwickelt gewesen sein sollen. Er hat für seine Erkenntnisse bitter bezahlt: Er wurde 2008 festgenommen und ins Gefängnis gebracht, wo er Medienberichten zufolge gefoltert wurde. 2009 starb Magnitski in der Haft - es gibt Anzeichen für Mord, doch die Hintergründe sind bis heute nicht aufgeklärt. Auch ein anderer wichtiger Zeuge in dem Fall war erst kürzlich auf ungeklärte Weise gestorben.

US-Gesetz nach Anwalt benannt
Washington wirft Russland in dem Fall jedenfalls schwere Menschenrechtsverstöße vor und benannte gar ein Gesetz, den sogenannten "Magnitsky Act", nach dem verstorbenen Anwalt. Demnach ist Russen, denen schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden, künftig unter anderem die Einreise in die USA und die Nutzung des US-Finanzsystems verboten.

Der Kreml zeigte sich empört über das neue US-Gesetz. Die USA befänden sich wohl geistig noch im "Kalten Krieg", hieß es in einer Mitteilung des russischen Außenministeriums. Als Reaktion billigte das Parlament in Moskau erst vor wenigen Tagen ein Verbot von Adoptionen russischer Waisenkinder durch US-Familien (siehe Infobox).

"Wie zu Zeiten des Kalten Krieges"
"Ein Racheakt wie zu Zeiten des Kalten Krieges", kritisierte der Oligarch und frühere Präsidentschaftskandidat Michail Prochorow. Doch trotz der lautstarken Kritik von Bürgerrechtlern und Kreml-Gegnern, die Regelung mache hilflose Waisen zu Opfern politischer Interessen, unterzeichnete Präsident Wladimir Putin das umstrittene Gesetz am Freitag. Es trete somit am 1. Jänner 2013 in Kraft, teilte der Kreml mit.

Neben dem Adoptionsverbot für US-Bürger sieht das neue Gesetz zudem eine "schwarze Liste" für US-Staatsangehörige vor, die in Russland als unerwünscht gelten, weil sie Rechte russischer Bürger verletzt haben sollen. Diese Liste sei bereits erstellt worden, werde aber nicht veröffentlicht, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow der Nachrichtenagentur RIA Novosti. Eine weitere Bestimmung in dem Gesetz zielt auf russische Bürgerrechtsaktivisten und Regierungsgegner ab. Sie verbietet es politischen Organisationen in Russland, sich mit Geldern aus den USA zu finanzieren.

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