21.08.2012 12:55 |

Es gibt Zuckerbrot

Deutschland umschmeichelt nun die Pleite-Griechen

Hatte in den vergangenen Wochen vor allem eine sehr harte Sprache gegenüber Griechenland die politische Debatte in Deutschland bestimmt, sind nun andere Töne zu hören. Außenminister Guido Westerwelle empfing seinen griechischen Amtskollegen Dimitris Avramopoulos am Montag mit ausgesuchter Freundlichkeit. Mit der weichen Formulierung: "Es darf keine substanzielle Aufweichung des Reformpakets geben", setzte er sich etwa deutlich von CSU-Forderungen ab, an Griechenland müsse "ein Exempel statuiert" werden.
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Das deutsche Finanzministerium und der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionschef Michael Meister sekundierten bei den gedanklichen Lockerungsübungen, dass Änderungen innerhalb des zugesagten griechischen Reformpakets durchaus denkbar seien.

Ganz bewusst wird also derzeit eine Mischung aus Mahnung und Ermunterung gesucht. Denn vor dem Besuch des griechischen Ministerpräsidenten Antonis Samaras in Berlin am Freitag soll vor allem eine Botschaft in Athen ankommen: "Wir sind nicht gegen euch. Ihr habt immer noch die Chance, Reformen so ernsthaft anzupacken, dass die internationale Troika (aus EU, EZB und IWF) die Voraussetzungen für weitere Finanzhilfen aus dem zweiten Griechenland-Hilfspaket als gegeben ansieht."

"Keine großen Weichen" beim Samaras-Treffen
Mantra-artig wiederholt die deutsche Regierung, dass das Urteil über den nächsten Hilfskredit ohnehin erst gefällt werden könne, wenn die Troika ihren Bericht Mitte September vorlege. Mit diesem Hinweis wird systematisch allen Berichten widersprochen, die bereits von einer Vorentscheid für oder gegen neue Finanzhilfen wissen wollen. Demonstrativ hängte Regierungssprecher Steffen Seibert auch die Erwartungen an das Treffen Merkel-Samaras niedriger.

"Es ist nicht zu erwarten, dass da die großen Weichen gestellt und wesentliche Entscheidungen gefällt werden", betonte er. Als wichtiger wird erachtet, die griechische Regierung im Konzert mit dem französischen Präsidenten Francois Hollande und Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker eine gemeinsame mahnende Botschaft zu schicken. Juncker ist am Mittwoch in Athen, Samaras reist nach seiner Berlin-Visite am Samstag nach Paris.

Troika-Bericht mit Spannung erwartet
Das Pochen auf den richtigen Zeitpunkt einer Entscheidung hängt auch mit der Erwartung in Berlin zusammen, dass das Urteil der Troika eher gemischt ausfallen dürfte. Denn die Regierung in Athen hat durchaus einige Reformen in die Wege geleitet, etliche dagegen nicht - zumal es eine längere Verzögerung wegen der Parlamentswahlen gab. Am Ende, so heißt es, werde erst die Troika und dann die Politik also eine Abwägung vornehmen müssen.

Erfahrungsgemäß sieht die EU-Kommission dabei das Bild stets rosiger als der IWF. Und in die Abwägung muss auch einbezogen werden, wie sich die anderen Euro-Staaten aufstellen. "Wenn die anderen Euro-Länder bereit sind, Griechenland weiter zu helfen und damit ja auch mehr eigene Verbindlichkeiten zu übernehmen, kann Deutschland schlecht als Einziger Nein sagen", heißt es in Regierungskreisen.

Poltern gegen Griechenland wird eingestellt
Und die ersten Signale wichtiger Euro-Partner deuten in diese Richtung. Anfangs wurde in der deutschen Regierung das Poltern gerade aus Bayern, aber auch von FDP-Chef Philipp Rösler gegen Griechenland noch als hilfreich angesehen, weil Athen damit der Ernst der Lage klar gemacht wurde. Aber jetzt ändert sich die Einstellung etwas. "Bei aller Entschlossenheit darf auf keinen Fall der Eindruck entstehen, neue Griechenland-Hilfen seien nur an Deutschland gescheitert - und das schon vorab", hört man seitens der Regierung. Auch Außenminister Westerwelle hatte mehrfach gewarnt, es dürfe sich kein negatives Deutschland-Bild in der EU verfestigen. Also wird derzeit betont, dass Griechenland zwar den Rahmen der Vereinbarung einhalten müsse - aber: "Innerhalb des Rahmens halte ich Anpassungen für denkbar", so CDU-Politiker Meister in der Zeitung "Welt". Er hält sogar das Vorziehen von Zahlungen für möglich.

Dass sich neben Regierungsvertretern verstärkt Koalitionspolitiker mit solchen Bemerkungen in die Debatte einmischen, hat aber noch einen weiteren Grund. Nach den harten Festlegungen der zweiten und dritten politischen Reihe gegen weitere Griechenland-Hilfen in der Sommerpause müssen die Fraktionsführungen nun den Weg dafür ebnen, dass der Bundestag möglicherweise eben doch der Freigabe einer weiteren Hilfstranche - vielleicht sogar neuer Finanzhilfen - zustimmt. Dazu muss zunächst der in vielen Medien geschürte Eindruck korrigiert werden, der Finanz-Stopp für Griechenland und der Austritt aus der Euro-Zone sei bereits beschlossene Sache. "Wenn der Euro nicht zusammenbleibt, zahlen wir den höchsten Preis", warnte CDU-Finanzminister Wolfgang Schäuble am Wochenende.

"Der Schlüssel liegt in Griechenland"
Sollte die Troika am Ende aber doch zu einem klaren negativen Urteil kommen, wäre die deutsche Regierung zumindest den Schwarzen Peter los, was die ungewissen Folgen in diesem Szenario betrifft. "Der Schlüssel liegt in Griechenland", wiederholen deutsche Politiker wie Westerwelle oder der CDU/CSU-Fraktionsvize Michael Fuchs deshalb derzeit immer wieder. Eine Brandmauer gegen Griechenland-Wirren soll nicht nur um angeschlagene Euro-Länder, sondern auch um Deutschlands Image gezogen werden.

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