Pop-Hype des Jahres

The Last Dinner Party: Rückkehr des Pop-Anspruchs

Musik
31.01.2024 09:00

Fünf junge Frauen kommen auf der Uni zusammen, eröffnen ein Konzert der Rolling Stones, gewinnen die renommierte „Sound Of...“-Wahl der BBC und gehen mit ihrem Debütalbum „Prelude To Ecstasy“ auf eine fast ausverkaufte Europa-Tournee. Das alles ist real und passierte in knapp vier Jahren. Wie schön, dass sich Ende Februar auch ein Wien-Termin ausgeht.

(Bild: kmm)

50 Cent, Keane, Corinne Bailey Rae, Adele, Ellie Goulding, Jessie J, Michael Kiwanuka, Sam Smith oder Sigrid - allesamt klingende Namen aus unterschiedlichen Ecken der Populärmusik, die sich eine ungemeine Fanbase geschaffen und die Charts aufgerollt haben. Heute spielen sie alle zwischen üppigen Hallen oder gut ausgefüllten Stadien und sind zum Allgemeingut der Popwelt geworden. Ihnen allen gemein ist, dass sie die renommierte „Sound Of…“-Wahl der BBC gewonnen haben, die seit 2003 zu einem Indikator für die Stars von morgen geworden ist. Nicht alle, aber sehr viele der Sieger haben Weltkarrieren geschafft, Superstars wie Sampha, George Ezra, Chvrches, Frank Ocean, Vampire Weekend oder Lady Gaga waren sogar noch viel weiter hinten zu finden - der Rest ist Musikgeschichte.

The Hype Is Real
2024 bejubelt die internationale Musikpresse ein Fünf-Frauen-Kollektiv namens The Last Dinner Party und das ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Erstens: Erstmals seit 2013, als das US-Schwesterntrio Haim triumphierte, konnte wieder eine Gitarrenband den renommierten Bewerb für sich entscheiden. Zweitens: Sie führen eine ganze Phalanx an talentierten Frauen an, immerhin wurden auch die Plätze zwei bis vier weiblich gekrönt. Das wiederum spiegelt nur die Umsatzzahlen auf dem britischen Popmarkt wider, denn geleitet von Miley Cyrus, Taylor Swift und Dua Lipa dominierten Künstlerinnen in Großbritannien im letzten Jahr auch die Absatzzahlen. Drittens: The Hype Is Real! Zumindest, wenn man das dieser Tage erscheinende Debütalbum „Prelude To Ecstasy“ heranzieht, mit dem The Last Dinner Party nun endgültig zum Sturm auf den Pop-Thron blasen.

Begonnen hat die Märchengeschichte schon länger, die im April 2023 veröffentlichte Single „Nothing Matters“ war aber der Schlüsselmoment zum Hype der Stunde. Frontfrau Abigail Morris schwingt sich stimmlich in Kate-Bush-Sphären, während die Musik im Hintergrund mit träumerischem Pop ohne Kitsch und Pathos unterstützt. Eine Sensation war geboren, die weiteren Singles allesamt Volltreffer. Auf „Sinner“ rückt das Quinett in die Bereiche des schwungvollen New Wave, „My Lady Of Mercy“ startet mit einem Stoner-Rock-Rhythmus und bewegt sich zunehmend Richtung Indie-Pop, während das mit zartem Piano startende „On My Side“ nicht nur epische Stadionluft atmet, sondern in dieser Form auch spielerisch ein Hit von Florence + The Machine sein könnte. Mit einer derart beeindruckenden Vielseitigkeit lassen The Last Dinner Party erst gar keine Zweifel darüber aufkommen, dass man künftig mit allem rechnen kann.

Spontane Strahlkraft
Stichwort Florence + The Machine - Florence Welch und Co. supporteten die fünf talentierten Damen bereits live. 2022 spielte man - noch unter dem Namen The Dinner Party - im Vorprogramm der Rolling Stones und heuer hat man auch schon einen BRIT-Award für den „Newcomer des Jahres“ eingesackt. Die Musikerinnen bleiben indes noch derart abgeklärt und unaufgeregt, wie auch ihre Musik erklingt. Die Mischung aus unschuldig-naiven Eruptionen, wie man sie nur im juvenilen Alter zu entfachen vermag, abgeklärten Bombast-Rock-Momenten und unerwarteten Schlenkern in psychedelische Gefilde ist bewundernswert. Gleichzeitig ist man zuweilen verwundert, wie eine Combo, die sich 2020 auf der Uni bei gemeinsamen Konzertbesuchen herauskristallisiert hat, in so kurzer Zeit eine dermaßen souveräne Kompositionskraft aufs Parkett zu bringen vermag.

Neben der Musik und den spannenden Songs passt auch die visuelle Aufbereitung. The Last Dinner Party kleiden sich gerne in jeweiligen Themen-Kostümen und animieren ihre rasant steigende Fanschar, es ihnen bei ihren Konzerten gleichzutun. Ob man deshalb gleich mit dem leidigen Terminus „Barock Pop“ wedeln muss, sei dahingestellt, wenn man dadurch aber eine gewisse Grandezza und Erhabenheit im Gesamtpaket hervorhebt, dann lässt es sich damit gut leben. Neben den spannenden und kurzweiligen Songs strahlen The Last Dinner Party auch eine unpeinliche Sehnsucht nach den alten Zeiten heraus. Morris und Co. sind keine Band für den schnellen TikTok-Ruhm. Ihre Songs brauchen den nötigen Raum, um sich zu entfalten. Sie müssen in Ruhe gedeihen und ergeben im geordneten Sinn ein Gesamterlebnis, wie es etwa das Londoner R&B-Trio Flo, das den „Sound Of…“-Bewerb 2023 gewann, wohl nicht einmal unter größter gemeinsamer Anstrengung zu gestalten mag.

Mehr als das Mindeste
„Prelude To Ecstasy“ ist somit nicht nur das wegweisende Debütalbum für eine Band, die mit feministischer Selbstverständlichkeit gerade auf Welteroberung ist, sondern auch eine markante Standortbestimmung für die Zukunft der Rezeption von durchdachter Populärmusik. Steigen die Aufmerksamkeitsspannen der Hörer wieder? Haben Gitarren, Fünf-Minuten-Songs und metaphorisch gut durchdachte Texte wieder eine Zukunft? Erreicht eine gleichermaßen intellektuelle wie leichtfüßige Form von Art-Rock endlich wieder ein Publikum, das über Hornbrillen-tragende Uni-Hörsaalbesucher hinausgeht und damit an den Mainstream andockt? Die nächsten Monate und Jahre werden Antworten darauf geben. The Last Dinner Party stehen mit ihrem Debütalbum jedenfalls zurecht an der Spitze einer Generation, die wieder mehr will, als nur das Mindeste. Diesen Hype kann man gerne einmal mitfeiern.

Live in Wien
Am 26. Februar kommen The Last Dinner Party mit ihrem Debüt erstmals als Headliner nach Österreich, um in der Grellen Forelle in Wien zu konzertieren. Die Tickets sind bereits alle weg. Unwahrscheinlich, dass man die fünf Damen noch einmal in einem so intimen Rahmen zu sehen bekommt.

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