Palme über Beckenbauer

Wie der Kaiser per Kunstschuss den Mistkübel traf

Fußball International
11.01.2024 06:56

Heinz Palme arbeitete bei der Fußball-WM 2006 als Generalkoordinator des Organisationskomitees, als Leiter des Projektmanagements und als Protokollchef sehr eng mit Franz Beckenbauer zusammen. Der Steirer über seinen Freund Franz, mit dem er unglaubliche Dinge erlebt hat. Alles begann mit einem Kunstschuss in einen Mistkübel.

Eine der legendärsten Episoden im Aktuellen Sportstudio des ZDF geht auf Franz Beckenbauer zurück. Als 1994 Bayern München gerade deutscher Meister geworden war, versenkte der Kaiser bei der Kultsendung den Ball von einem vollen Weizenglas im unteren Loch der Torwand.

Ball aus zehn Metern versenkt
Die einmalige Schusstechnik erlebte auch Heinz Palme 2001 bei einem der ersten Meetings für die WM 2006. Der Steirer und einige Kollegen probierten vor Beginn der Sitzung, einen Fußball in einen Mistkübel zu schießen, scheiterten aber mit Pauken und Trompeten. Dann ging die Tür auf und der Kaiser betrat den Saal und lächelte: „Griaß eich, was macht ihr denn da?“ Beckenbauer war natürlich gleich voll dabei, versenkte gleich den ersten Schuss aus zehn Metern direkt im Mistkübel. Palme sagt: „Franz hatte einfach eine elegant-lässige Art, der sich niemand entziehen konnte. Es war aber auch unglaublich, wie akribisch er gearbeitet hat, wie detailliert er Unterlagen gelesen hat. In seinem Aktenkoffer hatte er immer alles Wichtige dabei.“ Der frühere Pressechef des Österreichischen Fußball-Bundes betont weiters: „Franz war ein weltbekannter Mensch. Aber er hat nie jemanden spüren lassen, wie groß er eigentlich ist.“

Drei Macher der WM 2006: Wolfgang Niersbach, Heinz Palme und Franz Beckenbauer
Drei Macher der WM 2006: Wolfgang Niersbach, Heinz Palme und Franz Beckenbauer(Bild: GEPA pictures)

Freundlich und großzügig
Vielmehr war er immer ein sehr freundlicher und großzügiger Mensch. Folgende Anekdote beschreibt das gut. Palme checkte einmal im Hotel Adlon in Berlin gemeinsam mit Beckenbauer aus. Der Kaiser trug sein ganzes Gepäck selbst. Als ihm ein Hotelangestellter helfen wollte, sagte er nur: „Das passt schon, das schaffe ich schon.“ Trotzdem hielt er kurz an und gab 20 Euro Trinkgeld. Der Rummel um Beckenbauer war immer gewaltig. Palme erzählt: „Bei der WM 2006 bin ich einmal mit ihm mit einem Hubschrauber zu einem Spiel nach Köln geflogen. Er wurde dort von Tausenden Menschen erwartet. Trotz eines gewissen Terminstresses nahm er sich Zeit für die Fans.“

Toni Polster, Heinz Palme, Franz Beckenbauer und Fedor Radmann vor der EURO 2008.
Toni Polster, Heinz Palme, Franz Beckenbauer und Fedor Radmann vor der EURO 2008.(Bild: GEPA pictures)

„Franz brachte Lockerheit, öffnete die Herzen der Menschen“
Unvergessen für Österreichs Mr. Fußball ist auch folgender Beckenbauer-Satz kurz vor dem Ende der WM 2006: „Heinz, noch eine Woche, dann ist das Ganze vorbei und wir sind wieder normale Menschen.“ Lachende Replik von Palme: „Ich schon, du nicht.“ Der 65-Jährige betont: „Ohne Franz wäre die Fußball-WM 2006 nie zu diesem Sommermärchen geworden. Er brachte Lockerheit, öffnete die Herzen und verband die Menschen.“ Die Menschen liebten ihn. Beckenbauer kannten auch die Leute, die nichts mit Fußball am Hut haben. Auch dazu hat Palme ein passendes Erlebnis bereit. Vor vielen Jahren organisierte er beim Stadtheurigen Gigerl in Wien ein kleines Event mit Günther Netzer, Uwe Seeler, Rainer Bonhof und Franz Beckenbauer. Alles fand in einem ganz ruhigen Eckerl statt. Kaum jemand wusste davon. Zwei Mädchen erkannten aber Beckenbauer und baten um ein Autogramm. Die Fußball-Legende kümmerte sich extrem herzlich um ihr Anliegen. Palme: „Er hat nie einen Autogrammwunsch abgelehnt. Seine innere Ruhe war ein Markenzeichen von ihm.“

Letztes Treffen im Europa-Park in Rust
Beckenbauer schätzte Palme sehr. Bei Sitzungen des Organisationskomitees für die WM 2006 sagte er oft: „Der Heinz kennt sich aus, wir müssen ihm vertrauen, wir machen das so, wie er das vorschlägt.“ Als Beckenbauer einmal bei der GTM-Trophy zu Gast war, betonte er: „Hätten wir den Heinz bei der WM nicht gehabt, um Himmels willen. Er war einer der Wichtigsten.“ Palme: „Das hat mir extrem viel bedeutet.“ Aus der Zusammenarbeit entstand eine echte Freundschaft. An seine letzte Begegnung mit Beckenbauer erinnert sich Palme noch genau: „Wir haben uns 2016 beim Camp Beckenbauer im Europa-Park in Rust getroffen. Erstmals war Franz nicht mehr im besten Zustand. Er war körperlich angeschlagen, ging nicht mehr so locker und lässig durch die Gegend.“ Später an diesem Tag suchte Beckenbauer frustriert das Gespräch mit Palme. Die von Medien geschriebenen Vorwürfe rund um die Vergabe der WM 2006 gingen ihm extrem nahe. In Folge baute er auch nach dem Tod seines Sohns Stephan körperlich immer mehr ab.

„Es fühlte sich so an wie beim Tod von Ernst Happel“
Die am Montag verbreitete Todesnachricht von Franz Beckenbauer traf Palme hart: „Ich habe in der letzten Zeit sehr viel an ihn gedacht. Als ich von der Todesnachricht hörte, war ich sehr traurig. Es fühlte sich so ähnlich an wie beim Tod von Ernst Happel.“

Loading...
00:00 / 00:00
Abspielen
Schließen
Aufklappen
kein Artikelbild
Loading...
Vorige 10 Sekunden
Zum Vorigen Wechseln
Abspielen
Zum Nächsten Wechseln
Nächste 10 Sekunden
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
Loading
Kommentare
Eingeloggt als 
Nicht der richtige User? Logout

Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.

User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.

Kostenlose Spiele