Das sagen Experten

Steirische Jagdnovelle: Jetzt kracht‘s auch nachts

Steiermark
05.01.2024 07:00

Die steirische Jagdgesetz-Novelle bringt jetzt auch noch nachts Unruhe in den Wald zum Wild, das schon so unter Druck steht. Eine kritische Analyse.

Mitte Dezember wurde im Landtag die Jagdgesetz-Novelle beschlossen; interessanterweise das erste Ausrufezeichen, das Agrar-Landesrätin Simone Schmiedtbauer in ihrer neuen politischen Tätigkeit gesetzt hat. Bedient die bekennende Jägerin damit lediglich ihre Klientel, wie Kritiker meinen? Oder bringt das auch den Tieren im Wald etwas?

Wir haben zwei Experten zu einzelnen Passagen und um ihre Bilanz gefragt. Landesjägermeister Franz Mayr-Melnhof-Saurau, der die Novelle mitgetragen hat, und, quasi als Gegenpart, Rudolf Winkelmayer aus dem steirisch-niederösterreichischen Grenzgebiet. Der selbst Jäger war, sich von den Praktiken aber abgewandt hat, speziell die Treibjagden verdammt und Vorträge dazu vor allem auch in der Steiermark hält.

  • Schaffung der Möglichkeit zur Bejagung von Schwarzwild und Wölfen mit Nachtzieltechnik

Gerade der Landesjägermeister hebt immer wieder hervor, wie sehr das Wild seines Lebensraumes beraubt wird, dass ihm Wanderer etc. immer weniger Luft lassen und Sportler selbst in die letzten Rückzugsgebiete vordringen. Und jetzt wird zusätzlich nachts keine Ruhe gegeben - und das sogar von Mayr-Melnhof mitgetragen? Hat da jemand seine Überzeugung zu Grabe getragen?

„Das war eine lange Diskussion. Es wird aber nur Schwarzwild gejagt und der Wolf, das auch nur nach Schulung der Waidmänner“, erklärt dieser. Freilich bringt das für sämtliche Wildtierarten Stress mit sich, wie Rudolf Winkelmayer bestätigt: „Der Jagddruck wird damit auch noch nachts erhöht, die Landschaft der Angst wird auf 24 Stunden verlängert. Das ist durch absolut nichts zu entschuldigen.“

Wölfe „überproportional“ und gnadenlos verfolgt
Als Begründung erklärt der Landesjägermeister, dass man vermehrte Abschüsse wegen der drohenden Verbreitung der Afrikanischen Schweinepest vornehmen müsse. Winkelmayer: „Das Argument ist nicht stichhaltig. Die Ausbreitung, speziell die sprunghafte über größere Entfernungen, erfolgte bislang weitgehend durch Menschen, etwa über Lebensmittel.“

Und für die auch noch nächtliche Wolfsjagd findet er klare Worte: „Der Wolf wird, obwohl geschützt, in Österreich hochemotional, überproportional, gnadenlos verfolgt. Wobei Politik und Jägerschaft wohl EU-rechtswidrig handeln. Dabei sollte ihnen zu denken geben, dass die Mehrheit der Bewohner will, dass der Wolf geschützt wird.“ Und: „Es gibt genügend Alternativen, wie Herdenschutzhunde, mobile Zäune, Hirten.“

  • Ausweitung von Wildschutzgebieten für frei überwinterndes Rot-, Gams- und Steinwild

Mayr-Melnhof: „Die Wildschutzgebiete werden ausgeweitet, was ein klarer Vorteil für die Tiere ist, gerade in jenen Bereichen, wo sie überwintern. Diese sind und werden behördlich ausgezeichnet, nur Wege dürfen benutzt werden, darauf wird sehr genau geschaut.“

Rudolf Winkelmayer: „Das klingt gut. Aber Wildschutzgebiete - das wären vor allem jene, in denen ganzjährig auch nicht gejagt wird! Das ist selbsterklärend. Aber gejagt wird natürlich weiter“

  • Ausnahmen vom Aneignungsrecht, insbesondere für Trophäen von im Rahmen der Verminderung des Wildbestandes über den Abschussplan hinaus erlegtem Wild

Das heißt im Klartext: Wild durfte bislang schon sogar während der Schonzeiten getötet werden, wenn es Schaden anrichtet. Künftig wird das tote Tier samt Geweih etc. aber von der Behörde eingezogen. Mayr-Melnhof: „Hiermit wird gegen schwarze Schafe vorgegangen, die künstlich Schäden herbeiführen, um Wild schießen zu können. Die wollen wir nicht, die arbeiten gegen die Jagd.“ Winkelmayer: „Das beweist nur, wie wichtig die Trophäen sind.“

Fakten

24.682 Jäger sind derzeit in der Steiermark verzeichnet, und das sind damit so viele wie nie; wenngleich immer noch nur ein schmaler Prozentsatz unter der Bevölkerung. Zwölf Prozent der Jäger sind Frauen. Was viele als Motiv angeben: Beobachtungen in der Natur; diese sind freilich auch ohne Jagdschein möglich.

  • Künftig müssen Zäune, die Wildtiere verletzen können, sowie solche, die nicht mehr gebraucht werden, abgebaut werden.

Landesjägermeister: „Das ist eine deutliche Verbesserung.“ Winkelmayer: „Ja, sollte allerdings selbstverständlich sein. Jeder fixe Zaun in freier Wildbahn ist aber ohnehin einer zu viel.“

  • Ausweitung genehmigungspflichtiger Wildfütterungen auf bestimmte Wildarten

Hier zeigt der Landesjägermeister eindeutig die tierfreundlichere Haltung: „Wir drängen Wild immer weiter und höher zurück. Hirsche etwa würden im Winter in die Murauen kommen, weil sie dort noch Futter finden - stattdessen sind sie dort verboten, werden zusätzlich in immer höhere Lagen hinauftrieben. Natürlich muss man sie füttern, das ist Hausverstand. Man kann ihnen nicht den ursprünglichen Lebensraum wegnehmen, sie dann hungern lassen und, wenn sie dann Bäume anknabbern, als ,Schädlinge’ abschießen.“

Winkelmayer hingegen will ein generelles Fütterungsverbot; stattdessen sollen die Tiere ihre artspezifischen Verhaltensweisen ausleben können. Nun, das ist nicht realistisch der Fall.

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„Mit der Novelle scheint die Landesrätin nur um den Beifall der Jäger zu heischen, echte Meilensteine vor allem im Tierschutz wurden nicht geschaffen.“

Rudolf Winkelmayer

  • Kurzbilanz

Rudolf Winkelmayer: „Mit der Novelle scheint die Landesrätin nur um den Beifall der Jäger zu heischen, echte Meilensteine vor allem im Tierschutz wurden nicht geschaffen.“ Franz Mayr-Melnhof: „Das Gesetz ist ein starkes Zeichen, dass die Regierung erkannt hat, dass für Wildtiere und deren Schutz mehr zu tun ist.“

Diskutiert wird es auf jeden Fall noch heiß werden.

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