Kunsthalle Praha

Kunstabenteuer: Buchrücken, die entzücken

Elmgreen & Dragset, Fruit of Knowledge, 2011

(Bild: © The Aegidius Collection, photo Jan Malý)

Was macht ein Schimpanse in der Bibliothek? Was ein Nesterl im Bücherregal? Die Ausstellung „READ“ in der Kunsthalle Praha gibt Auskunft. Sie läuft bis 22. April 2024 - und ist eine Reise wert.

Auf 7260 Einwohner kommt in Österreich eine Bibliothek. Gutes Mittelfeld. Doch weit hinter Tschechien, wo sich 1682 eine Bibliothek teilen. Schlusslicht ist Großbritannien mit 18.160, nachdem Boris Johnson viele Büchereien geschlossen hat. Zu lesen ist das auf einer Landkarte in der Schau „READ“ in der Kunsthalle Praha.

Elmgreen & Dragset: READ, Ausstellungsansicht

(Bild: © Kunsthalle Praha, photo Vojtěch Veškrna)

Das Künstler-Duo Elmgreen & Dragset hat dafür eine Bücherei in der Kunsthalle installiert. Eine humorvolle, kritische, nostalgische Buch-Zauberwelt voll eigener Kunst und der sechzig anderer. Es ist auch eine Verbeugung vor dem literarischen Prag, man denke nur an Kafka, Rilke oder Havel. Es hinterfragt zugleich die Situation des Buches in unserer digitalisierten Welt sowie die Lage der Büchereien mit ihrer sozialen Funktion.

(Bild: © Kunsthalle Praha, photo Jan Malý)

Ausgangspunkt ist Giorgio de Chiricos Gemälde „Verbotenes Spielzeug“ von1916, das Bücher mit leeren Rücken zeigt. Es ist aus der Sammlung der Kunsthalle, eine private Gründung, die seit Februar 2022 in der fantastisch umgebauten Transformationsstation am Fuß der Prager Burg residiert. Mit der vierten Ausstellung setzt man einen vitalen, zeitgemäßen Kontrapunkt etwa zur verschlafenen Staatsgalerie. Es lockt eine wundersame Abenteuerreise zwischen Bücherschluchten.

Elmgreen & Dragset

(Bild: Courtesy: Perrotin and Claire Dorn)

Das Künstlerduo Elmgreen & Dragset

Der Däne Michael Elmgreen (re.) und der Norweger Ingar Dragset arbeiten seit 1995 zusammen.

Seit 1997 leben und arbeiten sie in Berlin. 2009 bespielten sie auf der Biennale von Venedig den dänischen und den nordischen Pavillon. 

Im Auftrag der deutschen Regierung gestalteten sie in Berlin die Gedenkstätte für die schwulen Opfer des Naziregimes (2008).

Im Centre Pompidou-Metz haben sie für ihre spektakuläre Schau „Bonne Chance“ ein ganzes Haus ins Museum gestellt (bis 1. April 2024).

Caspar David Friedrichs Coverstar: Der Wanderer über dem Nebelmeer

(Bild: Stefan Musil)

Mit witzigen Interventionen, etwa in die Abteilung Ornithologie, wo ein Nest mit Eierschalen neben dem Buch „Wie man ein Vogel wird“ liegt. Eine Arbeit versammelt die am seltensten ausgeborgten Bücher. Partout ist eines über Bibliotheken darunter. Dahinter behält der Bücherleser auf seinem Hochsitz den Überblick. Daneben strahlt sonnig Peter Weibels Leuchtschrift „Savoir“, „Wissen“ - während der Menschenaffe die Bücher lieber stapelt, um an seine Banane zu kommen. Die Alpinismus-Bücher stehen wetterfest verpackt, nur für Kletterer erreichbar, ganz, ganz weit oben. Auf Leser warten aber auch an US-Schulen verbotene Bücher. Man darf sie angreifen. Sie bleiben handfest - während die digitalen Bücher rasch und unbemerkt gelöscht sind.