Ex-Schwager ermordet

Aggression galt eigentlich seiner Lebensgefährtin

Oberösterreich
18.10.2023 14:21

„Der eigentliche Adressat der Aggression war die Lebensgefährtin“ - dieser Satz von Gutachterin Adelheid Kastner ließ ein Raunen durch die Zuseher im Mordprozess von Steyr gehen. Denn der Angeklagte hat offenbar seinen aufgestauten Hass an einem „Blitzableiter“ ausgelassen: dem verhassten Ex-Schwager. Doch der Auslöser war ein ganz anderer, nämlich seine eigene unheilvolle Beziehung.

„Sind Sie noch die Lebensgefährtin von Herrn K.?“ Richterin Dagmar Gursch brauchte einige Minuten, um diese Frage mit jener Frau zu klären, mit der der Angeklagte (38) zum Tatzeitpunkt in Ennsdorf zusammengelebt hatte. Die Frau meinte „ich lebe nicht mit ihm zusammen“, weil er ja in Haft sei. Aber sie sei noch „mit ihm zusammen“. Das reichte, um sie als Lebensgefährtin zu qualifizieren und sie konnte sich der Aussage entschlagen. Ein beiläufiges „Tschüss“ an den Angeklagten, kein Lächeln, dann verließ sie den Schwurgerichtssaal am Landesgericht Steyr.

Scheidungsstreit an diesem Tag kein Thema
Die Gerichtspsychiaterin Adelheid Kastner erläuterte in ihrem Gutachten, dass der Angeklagte „ganz gesund“ ist. Er sei sehr harmoniebedürftig und hatte sich auch aus dem Sorgerechtsstreit seiner Schwester und des Ex-Schwagers um die beiden Kinder (11, 12) weitgehend herausgehalten. Auch am Tattag war dies kein Thema gewesen. Warum er dann „ausgetickt“ sei, erklärte die Gutachterin in der Geschichte des Angeklagten: Schwierige Kindheit mit sehr bestimmender Mutter, die Trennung der Schwester von einem „Narzissten“ und die Vorgeschichte seiner aktuellen Lebensgefährtin, die auch unter einem „Narzissten“ gelitten habe. Aber eigentlich habe sich die Wut gegen seine Lebensgefährtin gerichtet, die ihn ständig kontrolliert habe und sehr eifersüchtig gewesen sei. Auch am Tattag habe sie ihn ins Wirtshaus „verfolgt“, wo er mit einem Freund über Autos diskutierte und so auch einem Streit daheim entgehen wollte.

„Die Aggression galt eigentlich der Lebensgefährtin“, meinte die Gutachterin. Aber gegen sie wollte oder konnte er sich nicht wenden, sondern suchte sich einen anderen Blitzableiter und entschied, dass sein gesamtes Unglück die Schuld von „Narzissten“ sei. Und deshalb habe er beschlossen, den Ex-Schwager, einen für ihn „pathologischen Narzissten“ zu töten. „Für ihn war diese Entscheidung logisch“, meinte die Gutachterin, die zwar „emotionale Enge“ beim Angeklagten sieht, aber keine Affekthandlung: „Er hatte lange Zeit gehabt, es sich zu überlegen, hielt aber am Plan fest.“

Der Angeklagte wollte zum Gutachten nichts sagen - die Geschworenen haben sich um 15.25 Uhr zur Beratung zurückgezogen. Bei seinem Schluss-Statement übernahm der Angeklagte übrigens die Verantwortung für Mord und bat um eine milde Strafe.

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