Radikaler Jobabbau

Drogeriekette Schlecker insolvent – Filialen sperren zu

Ausland
20.01.2012 18:10
Die größte deutsche Drogeriekette Schlecker, die auch in Österreich mit 970 Filialen vertreten ist, ist insolvent. Handels-Insider überrascht der Schritt kaum, da das Unternehmen bereits in den vergangenen Wochen deutschlandweit Hunderte Filialen geschlossen hatte. Wie es nun für die 47.000 Angestellten - davon 3.000 in Österreich - weitergeht, ist unklar. Experten glauben jedoch offenbar nicht daran, dass das Unternehmen noch zu retten ist.

Die derzeit noch zur Verfügung stehenden Geldreserven reichen nicht mehr für den groß angelegten Umbau, der den seit Jahren defizitären Branchenriesen retten sollte. Eine Zwischenfinanzierung für die anstehende Sanierung sei gescheitert, teilte das Unternehmen aus Ehingen bei Ulm am Freitag mit. Nun solle Schlecker über einen Insolvenzplan wieder auf die Beine gestellt werden. "Ziel ist der Erhalt eines großen Teils des Filialnetzes und damit auch der Arbeitsplätze", versicherte die Kette. In Summe beschäftigt Schlecker rund 47.000 Mitarbeiter, davon mehr als 30.000 in Deutschland und rund 3.000 in Österreich.

Akute Schließungspläne gibt es hierzulande anscheinend noch nicht. "Unmittelbar bemüht man sich, die Geschäfte in Österreich aufrechtzuerhalten", sagte Karl Proyer, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft der Privatangestellten, am Freitagabend. Dies habe ihm Schlecker-Österreich-Geschäftsführer Andreas Kozik gesagt. Kozik sieht laut Proyer unmittelbar keine Insolvenzgefahr in Österreich. Eine Insolvenz in Deutschland könnte die Österreich-Tochter aber mit in den Abgrund reißen, waren sich Experten am Freitag einig.

Experten sehen kaum Chancen für Rettung
Die sogenannte Planinsolvenz, die Schlecker anstrebt, ist ein Spezialfall des deutschen Insolvenzverfahrens und entspricht in etwa dem in Österreich 2010 eingeführtem Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung. Der Geschäftsbetrieb läuft vorerst "unverändert weiter, und auch die Zahlung der Mitarbeitergehälter ist gesichert", teilte Schlecker mit. Der "Weg der Restrukturierung" solle fortgesetzt werden.

Experten sehen für die Drogeriekette aber kaum Chancen auf einen Fortbestand. Ein Zerschlagungsszenario erscheint am wahrscheinlichsten. "Um so einen Laden umzudrehen, müssen Sie einen sehr langen Atem haben", hieß es. Schlecker habe allerdings weder einen guten Namen noch gute Standorte. "Vielleicht findet sich trotzdem ein Abenteurer, der das kauft. Aber ich kann es mir nicht vorstellen", so ein Experte, der nicht genannt werden möchte.

Schlecker seit 2008 in den roten Zahlen
Schlecker schreibt seit 2008 Verluste und hatte in den vergangenen eineinhalb Jahren Hunderte Filialen in Deutschland geschlossen - und andere modernisiert. Allein im ersten Quartal 2012 stünden rund 600 unrentable Läden in Deutschland auf der Kippe, hatte es zuletzt im Schlecker-Umfeld geheißen. Konkurrenten wie dm oder Rossmann hatten Schlecker mit seinem Billig-Image und den vielfach verwinkelten, mit wenig Personal besetzten Filialen immer stärkere Konkurrenz gemacht. Zuletzt hieß es, der frühere Edeka-Chef Alfons Frenk solle neue Geldgeber suchen, die den Umbau finanzieren sollten. Doch Finanzinvestoren zögerten.

Der Firmengründer Anton Schlecker hatte 1965 den ersten Selbstbedienungsladen eröffnet. Ab 1974 setzte Schlecker dann auf den Diskontbereich - bereits 1977 betrieb er 100 solcher Läden. 1984 waren es bereits über 1.000, 1987 folgte die Expansion ins Ausland. Zugleich geriet das Unternehmen immer wieder wegen der Arbeitsbedingungen und der niedrigen Löhne mit der Gewerkschaft Verdi in Konflikt.

Schlecker-Kinder übernahmen Führung erst 2010
Anton Schleckers Kinder Lars und Meike übernahmen 2010 die Führung. Ein Jahr später verkündeten sie, die Kette neu erfinden zu wollen - denn "niedrige Preise bei Drogerieartikeln findet der Kunde heute überall". Neu gestaltete Filialen sollten her. Doch die Berichte über finanzielle Schwierigkeiten häuften sich.

Der Vorsitzende des Verbandes der Insolvenzverwalter, Christoph Niering, sieht hausgemachte Strukturprobleme als Grund für die Schieflage. "Andere Drogerieketten stehen viel besser da und gewinnen Marktanteile." Eine Sanierung halte er für schwierig. "Schlecker hat ein dramatisches Imageproblem, gleichzeitig gibt es starke Konkurrenten", sagte Niering. Die Insolvenz verschaffe dem Unternehmen aber erst einmal Luft.

Handelsbranche zeigt sich wenig überrascht
In der Handelsbranche sorgte die Nachricht für wenig Überraschung. "Auf dem Drogeriemarkt herrscht ein harter Wettbewerb. Schlecker hat schon seit Langem restrukturiert, aber offensichtlich nicht erfolgreich", so ein Handelsexperte, der nicht genannt werden wollte. Schlecker unterscheide sich von den deutschen Hauptkonkurrenten Rossmann und dm durch seine schiere Größe. Schlecker sei sogar in kleinen Orten vertreten, während sich die Wettbewerber auf zentrale Lagen konzentrierten. "Die haben dann eine ganz andere Kundenfrequenz", erläuterte er. Außerdem leide Schlecker unter den Negativ-Schlagzeilen. "Der Umgang mit den Mitarbeitern kam in der Öffentlichkeit nicht gut an."

2010 schwere Datenpanne bei Schlecker
Im Jahr 2010 hatte außerdem ein Datenleck Schlecker in die Schlagzeilen gebracht. Wegen einer Panne im Sicherheitssystem waren 150.000 Kunden-Datensätze ungesichert im Internet zugänglich, darunter auch sensible Informationen wie Kontonummern und Passwörter (siehe Infobox).

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