Peter Simonischek tot

Seine größten Rollen, seine schönsten Filme

Adabei Österreich
30.05.2023 11:09

Peter Simonischek gehörte zu den Publikumslieblingen im Kino, auf der Theaterbühne und im Fernsehen. Nun ist der Starschauspieler im Alter von 76 Jahren verstorben. Hier nur ein kleiner Überblick, über die größten Rollen der österreichsichen Ikone.

„Torquato Tasso“ (Salzburger Festspiele)
1982 feierte Simonischek nicht nur sein Debüt bei den Salzburger Festspielen, sondern arbeitete bei der Produktion des „Torquato Tasso“ auch das erste Mal mit Dieter Dorn und dessen eingespieltem Münchner Kammerspiel-Ensemble. Über diese Episode seiner Karriere erzählte der Schauspieler ein Vierteljahrhundert später in seinem Buch „Ich stehe zur Verfügung“: „Das ganze war ein großes Missverständnis. Man wartete auf brauchbare Angebote, und ich wartete, dass man probt, dass man gemeinsam sucht und findet. Schließlich wurde dann auch mit mir geprobt, aber ich merkte, eigentlich war es nicht vorgesehen. Es war wie Nachsitzen in der Schule.“

„Drei Schwestern“ (Schaubühne Berlin)
Peter Steins Tschechow-Aufführung, die 1984 Premiere hatte, schrieb Theatergeschichte - und Peter Simonischek als Andrej, der Bruder der drei Schwestern (verkörpert von Edith Clever, Jutta Lampe und Corinna Kirchhoff) war mitten drinnen - an der Seite von Tina Engel, Otto Sander und Ernst Stötzner. Von 1979 bis 1999 war der Steirer Teil eines der prominentesten deutschen Ensembles der Nachkriegszeit.

„Der einsame Weg“ (Schaubühne Berlin)
„In Andrea Breths Inszenierung wird nicht melancholisch gescherzt und wehmütig durchs Laub gegangen, sondern Ernst gemacht: Ein lautloses Massensterben findet hier statt, bei dem die Überlebenden den traurigsten Tod erleiden“, konstatierte der Kritiker Benjamin Henrichs 1991 über Schnitzlers Endzeitstück, das als hoch aktuelles Fest der Schauspieler zelebriert wurde. Neben Libgart Schwarz, Michael König, Hans Christian Rudolph, Tina Engel und Udo Samel gab Simonischek den Akademieprofessor Wegrat - und wirkte im selben Jahr unter Klaus Michael Grüber an einem gefeierten „Amphitryon“ mit.

„Kunst“ (Schaubühne Berlin)
Die deutschsprachige Erstaufführung des Welterfolgs von Yasmina Reza erfolgte im Oktober 1995 mit Udo Samel, Gerd Wameling und Peter Simonischek an der Berliner Schaubühne. Als zwischen zwei Streithähnen vermittelnder hilfloser und liebenswerter Tollpatsch zeigte er, dass Boulevard nicht nur Technik erfordert, sondern auch Herzblut verträgt. Mal durchaus gewillt, in dem von Freund Serge gekauften monochromen Bild faszinierende Farbnuancen zu entdecken, mal bereit, das Ganze als eine „weiße Scheiße“ zu deklarieren, gab er durch ständig wechselnde Koalitionen dem Streit erst so richtig seinen Reiz. Gute Kunst ist in allen Genres zeitlos - das bewies sieben Jahre später der Erfolg eines Wiener Gastspiels der Inszenierung.

„John Gabriel Borkman“ (Wiener Burgtheater)
Ibsens gestrauchelter Bankier, der von seiner Rehabilitierung fantasiert, war 1999 seine Antrittsrolle am Burgtheater: ein Unbußfertiger, der immer noch seinen Traum von der Macht und der Erschließung des Bergwerks, das dem Land Wohlstand und Fortschritt bringen soll, träumt. „In diesem Reich der Schatten ist er mit seinem unerschütterlichen, subtil komisch gezeichneten Egoismus der Vitalste“, hieß es damals in der APA-Kritik.

„Jedermann“ (Salzburger Festspiele)
2002-2009 verkörperte er jene Rolle, die ein Schauspieler wie einen Adelstitel in seine Vita aufnehmen kann: Hugo von Hofmannsthals Jedermann. Als vielleicht letzter Darsteller griff er auf jene Attribute zurück, die jahrzehntelang die Darstellung dieses reichen Prassers, dem das letzte Stündlein schlägt, geprägt haben: Ein kräftiges, raumgreifendes Mannsbild, das gewillt ist, sein Leben in allen Zügen zu genießen und nichts weiß, was daran schlecht sein soll. Dabei gelang ihm die Verzweiflung fast noch besser als die barocke Lebenslust. Die „Salzburger Nachrichten“ begeisterten sich: „Peter Simonischek ist der ideale Jedermann. Seit den sechziger Jahren hat es wohl keinen besseren gegeben.“

„Die Ziege oder Wer ist Sylvia?“ (Wiener Burgtheater)
Wie spielt man einen megaerfolgreichen Stararchitekten, der seine Frau mit einer Ziege betrügt? In Andrea Breths deutschsprachiger Erstaufführung von Edward Albees Broadwayerfolg ließ sich Simonischek 2004 auf das scheinbar Unmögliche ein: Mit größter Ernsthaftigkeit arbeitete er die Tragödie eines Mannes heraus, der sich in das falsche Wesen verliebt - und dabei nicht nur sein eigenes Leben zerstört. Dafür gab es viel Kritikerlob und eine Nestroy-Nominierung als Lohn.

„Baumeister Solneß“ (Schauspielhaus Graz)
Für seinen Baumeister Solneß in Anna Badoras Ibsen-Inszenierung gab es 2009 die zweite Nestroy-Nominierung als bester Schauspieler. „Peter Simonischek wandelt sich vom selbstgefälligen, illusionslosen Egoisten zum lebendigen, optimistischen Menschen, den die Bewunderung der jungen Frau zu tödlicher Selbstüberschätzung treibt“, hieß es dazu in der APA. „Aus kleinen Blicken, Gesten, dem Heben einer Augenbraue entsteht die ganze Geschichte dieses gequälten Menschen, den die Kälte seines Heims schon fast erstarren ließ.“

„Imperium“ (Schauspielhaus Graz)
In Götz Spielmanns Drama spielte er 2010 einen Bordellbesitzer, trug den beklemmenden Abend fast im Alleingang und begeisterte auch die APA-Kritikerin: „Simonischek beschönigt nichts, verharmlost nicht, zeigt den skrupellosen Geschäftemacher mit menschlicher Ware ebenso wie den Familienvater, der sich zu Hause eine heile Welt bewahren will. Er beeindruckt durch die Echtheit seines Spiels, bei dem es nie um Effekte, sondern immer um Inhalt geht.“

„Das weite Land“ (Wiener Burgtheater)
Mit dem über Leichen gehenden Fabrikanten Friedrich Hofreiter verkörperte Peter Simonischek auch eine der Paraderollen des Schnitzler-Repertoires. Die Inszenierung von Alvis Hermanis war 2011 allerdings streng als Film noir konzipiert und ließ wenig darstellerische Entfaltungsmöglichkeiten. Die Kritik konzedierte dem Hauptdarsteller immerhin, sich immer wieder erfolgreich aus der einheitlichen Charaktermodellierung zu befreien.

„Die Fledermaus“ (Wiener Staatsoper)
2011 feierte er seine Staatsoperndebüt mit der Sprechrolle des Frosch und trat dabei elegant in die Fußstapfen von Josef Meinrad, Fritz Muliar, Otto Schenk oder Robert Meyer. Neben aktuellen Seitenhieben, etwa über die immer vornehmer werdenden „Häfnbrüder“ („Das wird ja immer Grasser!“) brachte er vor allem Darstellungskunst in diese Paraderolle aller heimischen Publikumslieblinge ein. Die „Presse“ sah damals „einen gefährlich hintergründigen, in seiner Bösartigkeit vielleicht nur vom übermäßigen Slibovitz-Konsum gedämpften Apparatschik, der genau das hat, was der Frosch haben muss: wienerisches Weltformat, diesfalls mit steirischem Zungenschlag“.

„The Who and the What“ (Wiener Burgtheater)
Seinen Nestroy-Preis als bester Schauspieler erhielt er 2018 für seine Mitwirkung in einem brisanten Gegenwartsstück - und für die Darstellung eines muslimischen Vaters, der entdecken muss, dass seine Töchter sich für ein westliches Leben entschieden haben. „Der Parade-Macho mit butterweichem Herzen und Mutterwitz, für den weibliche Emanzipation als Sündenfall gilt, ist seine Rolle. Den Koran und das damit verbundene patriarchale Lebenskonzept verteidigt der einfache Einwanderer aus Pakistan auch in der Neuen Welt“, schrieb Eva Maria Klinger in der Jurybegründung über seine Interpretation des Afzal. „Peter Simonischek brilliert auf dem messerscharfen Grat, seinen liberalen Töchtern ebenso so viel Liebe wie Unverständnis entgegenzubringen. Für diesen herzzerreißenden Zwiespalt benötigt das mächtige Mannsbild mit Schnauzbart und glühend dunklen Augen wenig: das Heben einer buschigen Augenbraue, das Zucken eines Mundwinkels, ein plötzlich herrischer Ton in seiner sonoren Samt-Stimme reichen für die tiefsten, kostbarsten Momente.“

„Gebürtig“ (Regie: Lukas Stepanik und Robert Schindel)
2002 trägt Peter Simonischek in der Hauptrolle des jüdischen Emigranten Hermann Gebirtig, der sich ein Leben als erfolgreicher Schlagerkomponist in New York eingerichtet hat und glaubt, seine KZ-Vergangenheit als Lagerhäftling in Ebensee hinter sich gelassen zu haben, die Verfilmung von Robert Schindels 1992 erschienenen Roman, die Österreich (erfolglos) ins Rennen um den Auslandsoscar schickt.

„Daniel Käfer und die Villen der Frau Hürsch“ (Regie: Julian Roman Pölsler)
Ab 2005 spielt Peter Simonischek in dieser und drei weiteren TV-Verfilmungen von Romanen Alfred Komareks den arbeitslosen Chefredakteur Daniel Käfer, der durch die Bilderbuchlandschaft seiner Kindheitstage stolpert: das steirische Salzkammergut. Er ist nach Jahren in urbanen Chefetagen in Glaspalästen auf der Suche nach Neuorientierung. Der steirische Schauspieler hat dabei nicht nur ein Heimspiel, sondern kann auch seinen bubenhaften Charme ausspielen.

„Oktober November“ (Regie: Götz Spielmann)
In dem Film brillierte er als mürrischer Patriarch, der von einem Herzinfarkt heimgesucht wird und an dessen Sterbebett sich seine zwei sehr unterschiedlichen Töchter (Ursula Strauss und Nora von Waldstätten) versöhnen. Das konzentrierte Familiendrama feiert 2013 in Toronto seine Uraufführung und wurde auch in den Wettbewerb des Filmfestivals von San Sebastian eingeladen.

„Toni Erdmann“ (Regie: Maren Ade)
Simonischeks Durchbruch für eine späte Weltkarriere im Film wird aber 2016 Maren Ades „Toni Erdmann“, wo er mit grässlich schiefen falschen Zähnen und wilder Perücke beinahe seiner Filmtochter Sandra Hüller die Show stiehlt. Der geschiedene Musiklehrer Winfried Conradi versucht sich mit den abenteuerlichsten Mitteln immer wieder als Toni Erdmann, vermeintlicher Lebensberater in das Umfeld seiner als Unternehmensberaterin erfolgreichen Tochter Ines einzumischen, lockt sie damit aus der Reserve und führt sie zu manch schmerzhafter Selbsterkenntnis. Der Film hatte in Cannes Premiere und gewann in der Folge einige Europäische Filmpreise und eine Oscarnominierung. Für Simonischek gab es unter anderem Auszeichnungen als Bester Hauptdarsteller beim Europäischen und beim Österreichischen Filmpreis sowie beim Festival du Nouveau Cinema in Montreal.

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(Bild: kmm)



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