Blamage für Premier

Italien unter IWF-Aufsicht, Berlusconi verliert Mehrheit

Ausland
04.11.2011 15:54
Italiens Premier Silvio Berlusconi hat eine weitere Blamage hinnehmen müssen. Unter dem Druck der akuten Schuldenkrise musste Berlusconi beim G-20-Gipfel in Cannes einwilligen, sein Reform- und Sparprogramm auch vom IWF bewerten zu lassen. Doch auch im eigenen Land steht der Premier unter Druck: Nachdem fünf Parlamentarier aus seiner Partei ausgetreten sind, hat er die Mehrheit in der Abegordnetenkammer verloren.

Durch die IWF-Überwachung solle Vertrauen an den Märkten geschaffen und die Finanzierung der Schuldenlast erleichtert werden, berichtete EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso am Freitag in Cannes. Bisher hatte nur die EU-Kommission den Auftrag, die italienischen Reformschritte zu überwachen.

Berlusconi bestreitet jedoch, dass die Überprüfung durch den IWF einer Beschneidung der italienischen Souveränität gleichkomme. "Der IWF wird keine Urteile über die Reformen abgeben, sondern lediglich bezeugen, dass die mit der EU vereinbarten Maßnahmen umgesetzt werden, was mit keinerlei Einschränkungen verbunden ist", versicherte der Premier. "Die Zusammenarbeit mit internationalen Institutionen darf nicht als Überwachung betrachtet werden", ergänzte der Vizepräsident der EU-Kommission, der Berlusconi-Vertrauensmann Antonio Tajani.

Mehrheitsverlust im eigenen Land
Doch nicht nur die Schuldenkrise setzt Berlusconi unter Druck. Auch seine bröckelnde Koalition und eine heikle Vertrauensabstimmung kommende Woche bedrohen das politische Überleben des 75-jährigen Medientycoons. Nachdem fünf Parlamentarier seine Mitte-Rechts-Partei "Volk der Freiheit" (PdL - Popolo della libertà) den Rücken gekehrt haben, hat Berlusconi de facto keine Mehrheit in der Abgeordnetenkammer mehr.

Der Medienzar bestritt jedoch, dass sein Mitte-Rechts-Kabinett vor dem Sturz stehe. "Ich habe nicht den Eindruck, dass meine Erfahrung als Premier am Ende ist. Wir haben eine solide Regierung und werden weiterhin das Land führen. Ich sehe keine anderen Persönlichkeiten, die in der Lage wären, würdevoll Italien zu repräsentieren", sagte der Premier.

Budget-Abstimmung als nächster Prüfstein
Eine entscheidende Hürde muss Berlusconi am kommenden Dienstag bewältigen. In der Abgeordnetenkammer ist eine heikle Abstimmung über das Budget geplant. Bei einer ähnlichen Abstimmung im Oktober hatte die Regierung eine schwere Niederlage erlitten. Nächste Woche unterzieht sich der Medienzar außerdem im Senat einer Vertrauensabstimmung über das Stabilitätsgesetz zur Eindämmung der Verschuldung.

Zwar verfügt der Premier im Senat noch über eine Mehrheit, dem gebeutelten Berlusconi droht jedoch das Aus, sollten ihm weitere Parlamentarier aus seiner Partei den Rücken kehren.

Berlusconi warnte die Parlamentarier davor, sich von seiner Koalition abzuwenden. "Die Regierungskoalition zu verlassen, ist ein Akt des Verrats dem Land gegenüber. Ich bin überzeugt, dass ich die zweifelnden Parlamentarier zurückgewinnen werde", versicherte der Premier.

"Die Restaurants sind voll"
Berlusconi behauptete auch, dass in Italien die Wirtschaftskrise nicht zu spüren sei. "Italien ist ein wohlhabendes Land. Der Konsum ist nicht zurückgegangen. Die Restaurants sind voll, und in den Flughäfen bekommt man kaum einen Platz", meinte der Premier. Weiters sagte Berlusconi, mit der Einführung des Euro sei ein Teil der italienischen Bevölkerung verarmt. Dies sei jedoch nicht die Schuld des Euro, sondern der damaligen Regierung gewesen wegen des für Italien nachteiligen Wechselkurses zur Lira.

Die Opposition verstärkt unterdessen ihre Anstrengungen, den Premier aus dem Amt zu drängen. Die beiden stärksten Oppositionsparteien im Parlament - "Demokratische Partei" (PD) und "Italien der Werte" (IdV) - wollen gegen Berlusconi einen Misstrauensantrag im Parlament einbringen. Die Opposition rechnet auch mit der Unterstützung der fünf Parlamentarier, die sich von Berlusconis Partei abgewandt haben.

Mega-Demo gegen Berlusconi am Samstag
Die Opposition ruft die Italiener auch zur massiven Beteiligung an einer am Samstag in der italienischen Hauptstadt geplanten Großkundgebung gegen das Kabinett in Rom auf. "Fest für die Demokratie" heißt die von der PD organisierte Demonstration, an der laut den Organisatoren Hunderttausende Menschen teilnehmen sollen.

14 Sonderzüge, zwei Schiffe und über 700 Busse werden Demonstranten aus ganz Italien zur Protestkundgebung in Rom bringen. Die Kundgebung auf dem Platz vor der Lateranbasilika wird am Samstagnachmittag von Italiens Oppositionschef Pierluigi Bersani angeführt. Erwartet werden auch der sozialistische Herausforderer von Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy, Francois Hollande, und SPD-Chef Sigmar Gabriel. Die Demonstration wird live im Fernsehen übertragen. "Unser Ziel ist, all jene Italiener zu vereinen, denen die Zukunft des Landes am Herzen liegt und die gemeinsam am demokratischen, sozialen und wirtschaftlichen Neubeginn Italiens mitwirken wollen", betonte Oppositionschef Pierluigi Bersani.

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