„Krone“-Interview

Niavaranis Theater im Park startet wieder durch

Wien
22.05.2023 09:00

William Shakespeares „Sommernachtstraum“ in der Umsetzung von Michael Niavarani garantiert Außergewöhnliches. Vor der Premiere und dem Saisonstart des Theater im Park haben wir Niavarani und zwei seiner Darstellerinnen - Sigrid Hauser und Julia Edtmeier - zum entspannten Gespräch über das Stück, Political Correctness, Humor im Wandel der Zeit und die Grenzen von Satire gesprochen.

Kabarett, Wienerlied, Klassik, Literatur, Kammermusik und natürlich viel Theater - am 25. Mai startet das Theater im Park in seine vierte Sommersaison und gleichzeitig in die erste, die rundum von jeglichen Pandemiesorgen befreit ist. Los geht es diese Woche am 25. Mai mit der ersten Aufführung von William Shakespeares „Sommernachtstraum“ in der Bearbeitung von TiP-Chef Michael Niavarani. Wer den filigranen Humoristen kennt, weiß, dass die „Ein-Wienerung“ des Stückes mit ganz besonderen Schmankerln aufwarten wird. Natürlich voller Liebe, spitzzüngigem Humor und so manch wenig jugendfreier Pointe. Arrangeur Niavarani und die zwei Darstellerinnen Sigrid Hauser und Julia Edtmeier haben uns im Gespräch auf eine Reise durch das Stück und den Humor im Allgemeinen mitgenommen.

„Krone“: Herr Niavarani - wird 2023 nun hoffentlich die erste sorgenfreie Sommersaison im Theater im Park?
Michael Niavarani:
 Das Theater im Park war schon immer eine sorgenfreie Angelegenheit. 2020 wussten wir drei Wochen vor der ersten Vorstellung noch gar nicht, ob überhaupt Leute kommen können und einen Tag vorher, ob wir überhaupt spielen dürfen, weil die Genehmigung noch nicht da war. Dann waren ca. 90.000 Zuschauer da, das war unglaublich. Das Theater ist nie sorgenfrei. Man ist immer ganz kurz vorm Zusperren. Entweder aus finanziellen Gründen, oder weil man hinterfragt, warum man das alles überhaupt macht. (lacht) Ich hoffe jedenfalls, dass die Saison 2023/2024 für alle Theater in Österreich eine sorgenfreiere wird.

(Bild: Reinhard HOLL)

Halten existenzielle und ideologische Ängste wach und bleibt man damit kreativ frischer?
Julia Edtmeier:
 Man muss immer um das Publikum kämpfen. Dadurch fordert man sich ständig heraus, denkt nach und wird nicht zu gemütlich. Die nächste Komödie wird schon was werden. Ich glaube schon, dass diese Ängste antreiben, aber eine gewisse Sicherheit sollte es im Kulturbetrieb geben, die diese Plattform überhaupt ermöglicht.
Niavarani: „Die nächste Komödie wird schon was werden“ - das ist die Zusammenfassung meines Lebens. (lacht)
Edtmeier: Michael müsste viele Sachen gar nicht mehr machen, aber er brennt und lebt für das Theater, weshalb er immer weiterforscht. Bei der Premiere des einen Stückes hat er bereits Ideen für das nächste. Es ist ungemein spannend, das Lachen im Menschen rauszukitzeln. Der Humor unterliegt ständigem Wandel. Meme-Humor und jener auf TikTok und Social Media im Allgemeinen sind ganz anders als jener, den meine Eltern verstehen. Welches Vorwissen braucht man, um etwas lustig zu finden? Humor ist total faszinierend.
Niavarani: Das Interessante bei den neuen Entwicklungen ist, dass nicht aus dem Nichts etwas Neues entsteht. Ein 30-sekündiger TikTok-Sketch ist nichts anderes, als ihn in den 60er-Jahren Karl Farkas gemacht hat - nur hat er 25 Minuten gebraucht und ihn auf der Bühne gebracht. Durch diese Form glaubt man, der Humor wäre komplett neu, aber eigentlich ist er eine Weiterführung des bestehenden Humors. Heute geht er schneller und man hat nicht mehr so viel Zeit, ihn zu vermitteln. Das ist wie bei der Fotografie. Vor 20 Jahren konnte nur jemand professionell schöne Fotos machen, der Geld für eine Spiegelreflexkamera hatte - heute schafft man es günstig mit guten Handys. Die Fotografie und der Humor wurden demokratisiert. Jeder in Scheißleiten am Arsch kann nach dem Melken der Kühe eine Mörderwuchtel auf TikTok bringen und wird rundum bemerkt. (lacht)

Wie beeinflusst die immer kürzer werdende Aufmerksamkeitsspanne der Menschen das Theater und das Kabarett?
Edtmeier:
 Das sehe ich überhaupt nicht so, weil Theater und Kabarett andere Medien sind. Schnellen Humor gibt es schon ewig, nur wurde er nicht im Internet praktiziert. Die Aufmerksamkeitsspanne ist generell kürzer, aber das Theaterpublikum taucht in eine neue Welt ein - wie im Kino. Ich hoffe nicht, dass der Trend in die Richtung geht, dass wir nur noch 45 Minuten lange Stücke machen.
Niavarani: Für dich sind ja die schon zu lang. (lacht) Der große Unterschied ist das Medium. Für das Theater muss ich im Netz eine Karte kaufen und sie ausdrucken oder am Schalter abholen. Ich ziehe mich daheim an, setze mich in Bewegung und gehe wohin, wo ich mit vielen anderen und mir unbekannten Menschen ein Programm sehe - das alleine ist schon die Entschleunigung des Theaters. Beim Theater oder im Konzert kann ich nicht zum nächsten Lied oder Akt zappen, sondern lasse mich berieseln. Die Leute sitzen auf der Couch und machen Binge-Watching auf Streamingplattformen. Die Leute haben einen Lustgewinn, wenn sie fünf Folgen einer Serie sehen. Man darf im Kabarett oder in der Komödie nicht versuchen, diese Kürze zuzulassen, weil das Medium ein anderes ist.

Gerade in Krisensituationen nehmen sich die Leute gerne Auszeiten von der Realität. Insofern müsste es für Kabarett und Theater gerade eine goldene Zeit sein.
Sigrid Hauser:
 Und man hat die Gemeinschaft der Menschen. Das Erlebnis ist ein anderes, wenn neben mir jemand sitzt und Emotionen zeigt. Das Publikum gibt uns auf der Bühne einen Rhythmus vor und das überträgt sich positiv auf den Menschen, der im Publikum sitzt. Dieses Gemeinschaftserlebnis hast du zu Hause vor dem Fernseher nicht.
Niavarani: Wenn ich im Kabarett Simpl vor der Vorstellung durch den Saal gehe, sehe ich 250 fremde Menschen, die nichts miteinander zu tun haben. Wenn ich nach der Vorstellung durchgehe, haben sie alle zwei Stunden lang dasselbe erlebt und es gibt eine Verbindung. Die Menschen verhalten sich dann zueinander anders. Die Fremden werden zu einer Art Gemeinschaft.

Stichwort Gemeinschaft: ihr kennt euch alle natürlich sehr gut, aber entsteht sie erst so richtig, wenn man, wie in eurem Fall für den „Sommernachtstraum“, intensiv probt und sich völlig auf das Projekt einlässt?
Edtmeier:
 Das kommt immer darauf an, wie man personell zusammengewürfelt wird. Man lernt sich aber sehr schnell sehr gut kennen, was im Theater außergewöhnlich ist. Je nach Stück probt man an die sechs Wochen und dann ist alles gleich viel emotionaler als in einem Büro. 
Niavarani: In unserem Beruf ist es so, dass man sich so intensiv und schnell kennenlernt, dass man meist nur noch mit diesen Menschen zusammenarbeiten möchte. Man ist der tiefsten Überzeugung, man hätte noch nie so gute Freunde gehabt. Drei Jahre später trifft man sich wieder und ist sich nicht ganz sicher, wo man zusammenspielte. (lacht) 
Edtmeier: Eine bestimmte Konstellation von Menschen trifft oft nie wieder so zusammen - zumindest nicht im Kollektiv.

(Bild: Reinhard HOLL)

Das bedeutet im Umkehrschluss, dass jede schön verlaufende Produktion einen schweren Trennungsschmerz beinhaltet.
Hauser:
 Daran gewöhnt man sich. Man trifft sich oft wieder in einer anderen Produktion. Wir sind eine weltweite Theaterfamilie. Wenn ich in Frankreich in ein Theater gehe und sage, dass das mein Beruf ist, bin ich gleich zu Hause. Man spricht sofort eine gemeinsame Sprache. Egal wo auf der Welt.

Ist Sympathie essenziell für eine erfolgreiche Gemeinschaftsproduktion?
Niavarani:
 Nein. (lacht) Wäre dem so, würde es 90 Prozent der Welterfolge nicht geben. Es erleichtert aber die Arbeit und das Leben. Der Gehirnchirurg und der Anästhesist müssen nicht die besten Freunde sein, um professionell ihren Beruf auszuüben. Natürlich ist es sehr hilfreich, wenn man auf der Bühne für den anderen eine gewisse Sympathie hegt, es kann aber auch hinderlich sein, wenn man sich zu gut kennt. Es braucht da die richtige Balance.
Hauser: Für das Publikum muss es egal sein, aber es ist für einen auf der Bühne selbst schöner, wenn man sich mag.

Shakespeare war kein „Waserl“, das ist allgemein bekannt. Inwieweit wurde bei dieser Version des „Sommernachtstraums“ auf Political Correctness und moderne Strömungen geachtet?
Niavarani:
 Ich überlege mir eigentlich bei jedem Witz, ob man ihn überhaupt erzählen kann. Insofern habe ich - völlig unbewusst - schon immer auf die Political Correctness geachtet. Wenn ich einen Witz lustig finde und ihn machen möchte, dann mache ich ihn. Fühlt sich jemand davon beleidigt, soll er einfach nicht mehr in die Vorstellung kommen. 
Hauser: Ich möchte niemanden beleidigen, aber man kann es nicht ganz ausschließen. Ich bin ein sehr achtsamer Mensch, aber ich kann andere nicht komplett lesen.
Edtmeier: Diskussionen entstehen, wenn man in anderen Stücken Dinge spielt oder repräsentiert, hinter denen man persönlich nicht wirklich steht. Das finde ich aber auch ganz spannend, weil ich das von vielen jungen Kolleginnen von anderen Häusern höre. Man ist mit anderen Meinungen konfrontiert und muss sich erst finden. Man kann aber immer einen guten Mittelweg finden. Niemand sollte etwas darstellen, hinter dem er gar nicht stehen kann. Das merkt man in der Außenwirkung sofort.

(Bild: Reinhard HOLL)


Niavarani: Wenn ich einen Nazi oder Mörder spiele, muss ich deshalb kein Nazi oder Mörder sein.
Edtmeier: Ich rede von der Gesamtaussage des Stücks. Wenn ich mich beispielsweise mit dem Frauenbild in einem Stück gar nicht identifizieren kann, kann man sich schon dagegen wehren und es neu denken. Man soll alles dürfen, auch inkorrekt sein. Das ist wichtig, um Dinge aufzuzeigen.
Hauser: Wir stellen uns auch alle gerne der Diskussion. Wenn jemand diskutieren möchte, bitte gerne!
Niavarani: Ich habe schon Witze über alles gemacht. Die, die sich am meisten aufregen, sind die Tierschützer und die Veganer. Einmal machte ich einen persisch-österreichischen Abend, an dem dann ein Mann zu mir kam, der meinte, er wäre beleidigt. Ich würde Witze machen über Perser, über Österreicher, über Israelis und über Franzosen, aber nicht über Kurden, da er Kurde war. Ich sagte dann „wer kein eigenes Land hat, kriegt keine eigenen Witze“. Dann hat er gelacht und war doch zufrieden. (lacht)

Geht es dann ins Religiöse, wird das Eis aber schnell dünn. Über den Islam Witze zu machen, wird schnell gefährlich.
Niavarani:
 Über den Islam mache ich nicht aus politischer Korrektheit keine Witze, sondern weil ich noch länger am Leben bleiben möchte. Die Leute, die sich von Humor verletzt fühlen, sollen sich einfach überlegen, ob sie noch ins Kabarett gehen wollen. Es gibt genug andere Sachen, wo sie nicht verletzt werden. Zum Beispiel beim Spazierengehen im Stadtpark und beim Entenfüttern.
Hauser: Der Humor wird sich auch weiter verändern. 
Niavarani: Es gibt immer ein Missverständnis, denn Humor bedeutet nicht hinhauen. Roberto Benigni hat in seiner Komödie „Das Leben ist schön“ nicht auf KZ-Opfer hingehauen, sondern eine Komödie in dieser Örtlichkeit gemacht.
Hauser: Es gibt aber viele Kabarettisten, die nur inkorrekt sind und damit große Erfolge haben. Wie zum Beispiel Mario Barth. Man merkt schon, dass die Leute das genießen und gerne hören wollen.
Niavarani: Mario Barth ist doch kein Kabarettist. Nur weil sich ein Transgender umoperieren lässt, heißt das ja nicht, dass ich keinen Witz darüber machen kann. Und nur weil ich über sie oder ihn einen Witz mache, heißt das nicht, dass ich den Vorgang verachte. Es kommt immer darauf an, in welchem Kontext ein Witz steht. Wenn ich einen Witz über Herbert Kickl mache, dann, weil ich ihn verachte. Nicht ihn als Mensch, aber seine Politik. Die Satire haut hin, aber kein Satiriker haut nach unten. Man macht sich nicht über Menschen im Rollstuhl lustig, sondern über die Politiker. In London wird darüber gescherzt, dass einige U-Bahn-Stationen nicht Rollstuhlfahrer-tauglich sind. Das ist aber ein satirisches Hinhauen auf die Menschen, die das nicht ermöglichen. Und ein Mitlachen mit der Absurdität des Lebens. Es hat auch was Komisches.
Hauser: Zudem kann es was bewirken, wenn man die Probleme auf der Bühne anspricht.

(Bild: Reinhard HOLL)

Ist es der Anspruch dieses „Sommernachtstraums“, familientauglich zu sein?
Niavarani:
 Nein. Es ist kein Familien-Entertainment und schon gar nicht Walt Disney. Dort gibt es keine Geschlechtsteile, wir alle haben welche auf der Bühne. (lacht) Ich wünsche mir einfach, dass die Leute nach der Vorstellung denken, dass es lustig war und sie ihre Zeit hier nicht vergeudet haben. 
Hauser: Sie sollen etwas erlebt haben, dass sie aufheitert und ihr Leben erleichtert. Etwas, das sie für ein paar Stunden aus der Härte des Alltags herausholt.
Edtmeier: Und vielleicht hat der eine oder andere auch endlich den „Sommernachtstraum“ verstanden. (lacht)

Theater im Park live
„Der Sommernachtstraum“ von Michael Niavarani nach William Shakespeare startet am 25. Mai im Theater im Park und zieht sich dann durch einen großen Teil des Frühlings und Sommers. Bei der prestigeträchtigen Location gibt es noch weitere Highlights aus allen Bereichen von Kunst und Kultur zu bestaunen. Unter www.theaterimpark.at gibt es alle genauen Termine, die Veranstaltungen und alle weiteren Informationen.

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