Stadthallen-Fieber

Melzer: “Adrenalin? Dann wäre ich ja ein nervliches Wrack”

Sport
20.10.2011 12:07
Tennis-Österreich erwartet von ihm nicht weniger als den dritten Stadthallen-Titel in Folge. Dass der Weg dorthin heuer mit echten Felsbrocken à la Tsonga und del Potro gepflastert ist - wurscht, denn der "König von Wien" soll auch 2011 aus Deutsch-Wagram kommen. Um die turmhohen Erwartungen an seine Person zu schultern, rackert sich Jürgen Melzer derzeit seine Hände hornhäutig. krone.at besuchte Österreichs zuletzt eher wankelmütigen Racket-Akrobaten Nummer eins und sprach mit ihm über Adrenalin, selbst auferlegten Druck und seine Karrierepläne.

Jürgen Melzer hat bereits über zweieinhalb Stunden schweißtreibende Schufterei hinter sich, sein graues T-Shirt gleicht von hinten einem in die Badewanne gefallenen Waschlappen. Trotzdem drischt er beim Smash-Training auf die wehrlose Filzkugel, die ihm von Brüderchen Gerald mustergültig serviert wird, als wolle er den eigens für ihn ins Wiener Tennis-Center La Ville verlegten Stadthallen-Belag löchrig ballern. Immerhin steht für Österreichs besten "Keulenschwinger" dieser Tage viel auf dem Spiel. Beim nächste Woche beginnenden ATP-Turnier in Wien bietet sich dem 30-Jährigen die Chance, die verkorkste Asien-Tournee (nur zwei Match-Siege in drei Turnieren) vergessen zu machen.

"Wäre schlimm, wenn der Adrenalinspiegel schon hoch wäre"
Sein Adrenalinspiegel ist allerdings noch recht niedrig, wie er im Gespräch mit krone.at (siehe auch Video) versichert: "Es wäre schlimm, wenn er jetzt schon hoch wäre. Dann wäre ich ja ein nervliches Wrack, wenn ich dann am nächsten Mittwoch in der Stadthalle erstmals auf den Platz gehe." Die Vorbereitungen darauf laufen auf Hochtouren. Täglich steht mehrstündiges Training auf dem Programm, seit Donnerstag auch direkt in der Stadthalle. "Die Formkurve wird bis nächsten Mittwoch hoffentlich noch steigen, und ich werde mich auch an den Platz gewöhnt haben", sagt Melzer.

Sollte er auch, wenn er die Abwärtsspirale stoppen will. Rangierte er im April noch auf dem sensationellen achten Weltranglisten-Platz, krebst Melzer derzeit "nur" auf Platz 25 herum. Gründe dafür? "Nachdem ich in Monte Carlo im Semifinale gestanden bin, war eigentlich alles auf Kurs, alles hat auf eine gute Sandplatz-Saison hingedeutet. Dass es dann nicht so gekommen ist, hat sicherlich mit meiner Rückenverletzung zu tun gehabt. Ich hab' kaum gespielt, kaum trainiert, das hat sich bis Wimbledon gezogen." Logisches Resultat: wenig Selbstvertrauen. "Und wenn man dann keine Matches hat und die wenigen engen, die man hat, auch noch verliert, dann ist das ein Teufelskreis. Aus dem habe ich mich im ganzen Jahr bisher nicht befreien können."

Doch jetzt soll alles anders werden. "Die Asien-Tournee ist abgehakt." In Wien, bei einem "ganz besonderen Traditionsturnier", bläst Melzer wieder zur Attacke. "Ich habe das Turnier zweimal hintereinander gewonnen, daher komme ich in diese Halle trotzdem mit viel Selbstvertrauen und guten Erinnerungen rein. Darauf möchte ich aufbauen und wieder ordentliches Tennis spielen. Ich bin sehr zuversichtlich."

"Zähle automatisch zu den Favoriten"
Davon, dass sich heuer in Wien auf seinem Weg zum Titel-Hattrick Kapazunder wie Jo Wilfried Tsonga oder Juan Martin del Potro als Spielverderber profilieren wollen, lässt sich Melzer nicht einschüchtern. Im Gegenteil: "Wenn man zuhause spielt und hier zweimal gewonnen hat, dann zählt man automatisch zu den Favoriten. Klar ist diesmal der haushohe Favorit Tsonga, der mit einer Top-Ten-Platzierung antritt und heuer schon sehr gut gespielt hat. Tsonga ist für mich sicherlich der Mann, den es zu schlagen gilt. Ich denke aber, dass die anderen auch mich als den Mann sehen, den es zu schlagen gilt."

Der Niederösterreicher ist sich bewusst, dass "es schwierig wird, den Titel in Wien zu verteidigen. Aber natürlich möchte ich auch heuer gewinnen. Insofern stellt sich für mich auch gar nicht die Frage, ob ich etwa mit dem Erreichen des Halbfinales zufrieden wäre. Mein Ziel muss es sein, am Sonntag immer noch auf dem Platz zu stehen und um den Titel zu spielen."

Karriereende noch kein Thema
Sollte ihm tatsächlich der Titel-Hattrick gelingen, würde Jürgen Melzer wohl endgültig in den (zumindest österreichischen) Tennis-Olymp aufsteigen. Sein Hunger nach Wettkämpfen und Erfolg wäre aber selbst dann noch nicht gestillt. An ein Karriereende denkt der mittlerweile 30-Jährige noch lange nicht. "Wenn man sich einmal damit beschäftigt, was man danach macht, hat man innerlich eigentlich schon aufgehört. So weit bin ich noch nicht. Für mich sind die Olympischen Spiele 2012 ein großes Ziel – genauso wie die darauffolgende Saison. Und was danach kommt, wird man sehen." Nur eines ist für ihn (derzeit) nicht vorstellbar: sich, so wie Super-Oldie Thomas Muster, mit Mitte 40 noch einmal unter die Profis zu mischen. "Das kann ich im Moment mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausschließen."

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.

(Bild: KMM)



Kostenlose Spiele