Erstmals beobachtet

Auch Käfer und Larven zeigen Sozialverhalten

Wissenschaft
04.10.2011 10:12
Soziales Verhalten von Tieren in staatenähnlichen Gemeinschaften kennt man von Hautflüglern wie Wespen, Bienen und Ameisen, aber auch von Termiten. Nun haben zwei österreichische Wissenschaftler erstmals Arbeitsteilung bei Käfern nachgewiesen. Zudem konnten die an der Uni Bern tätigen Verhaltensökologen an Ambrosiakäfern zeigen, dass auch die Larven zum Gemeinwohl beitragen. Ihre Arbeit wurde im Wissenschaftsjournal "PNAS" veröffentlicht.

Ambrosiakäfer gehören zur Gruppe der Borkenkäfer, sind aber keine Wirtschaftsschädlinge. Die Tiere ernähren sich ausschließlich von einem Pilz, den sie in ihren Nestern züchten. Weil dies arbeitsintensiv ist, wurde Kooperation innerhalb der Kolonien schon länger vermutet. Der Nachweis scheiterte bisher aber an der versteckten Lebensweise der Käfer, die Gänge in das Hartholz von abgestorbenen Bäumen bohren.

Peter Biedermann und Michael Taborsky von der Abteilung für Verhaltensökologie der Uni Bern ist es nun gelungen, die nur wenige Millimeter großen Vertreter des "Kleinen Holzbohrers", einer einheimischen Ambrosiakäferart, in Glasröhrchen zu züchten und damit ihr Verhalten zu beobachten und zu filmen.

Muttertier kann Geschlecht des Nachwuchses beeinflussen
Beim Anlegen eines neuen Nestes verteilen die Käferweibchen die Sporen eines Pilzes, dessen Fruchtkörper später der Kolonie als Nahrung dient. Aus den Eiern des Weibchens entwickeln sich Jungkäfer, und zwar Männchen und Weibchen im Verhältnis von eins zu 20, wie Biedermann erklärte. Dabei kann das Muttertier das Geschlecht der Nachkommen beeinflussen, aus unbefruchteten Eiern entstehen Männchen, aus befruchteten die Weibchen.

Sobald die Nachkommen erwachsen sind, paaren sich die Brüder mit den Schwestern. Wie die Käfer mit dieser Fortpflanzungsart die genetische Vielfalt aufrechterhalten können, ist laut Biedermann noch völlig ungeklärt. Die begatteten weiblichen Tiere könnten nun ausfliegen, um selbst ein Nest zu gründen. Doch sie verbleiben noch einige Wochen im Nest und helfen der Mutter bei der Aufzucht der Brut und der Pflege der Pilzgärten. Auch die Töchter können in dieser Zeit Eier ablegen, dies sei aber nicht die Regel.

"Verwandtenselektion" Ursache für "Geschwisterliebe"
Warum pflegen die Jungkäfer Schwestern und Brüder anstatt eigene Nachkommen großzuziehen? Biedermann und Taborsky gehen davon aus, dass die sogenannte Verwandtenselektion ausschlaggebend ist: Primär geht es einer Art darum, möglichst erfolgreich Gene an die nächste Generation zu übertragen. Dazu kann ein Individuum entweder selbst Nachkommen in die Welt setzen oder aber seine Energie in Nachkommen von Verwandten investieren.

Letzteres ist dann von Vorteil, wenn der Verwandtschaftsgrad hoch und die eigene Fortpflanzung schwierig ist. Beides ist bei den Ambrosiakäfern gegeben: Durch die Inzucht sind die Käfer in einer Kolonie nahe verwandt. Gleichzeitig sind die Aussichten auf eine erfolgreiche Nestgründung für ein ausfliegendes Weibchen gering, denn der Ambrosiapilz wächst nur in Bäumen mit dem richtigen Alter und Feuchtigkeitsgrad.

Dazu kommt, dass der Pilzgarten viel Pflege braucht. Die Tiere müssen etwa permanent durch Verstopfen oder Öffnen der Eingangsröhre mit Bohrmehl für die richtige Luftfeuchtigkeit im Gangsystem sorgen sowie Bakterien- und Schimmelpilze-Herde entfernen. Dies kann von einer Gruppe von Tieren mit einer klaren Verteilung der Aufgaben leichter bewerkstelligt werden.

Auch die Larven packen mit an
Das Besondere und Neue dabei ist, dass beim "Kleinen Holzbohrer" auch die Larven mit anpacken. Während sich etwa Bienen- oder Ameisenlarven nur füttern und pflegen lassen, säubern sich die adulten Käfer und die Larven gegenseitig. Zudem erweitern die Käferlarven die Brutkammern. Ein Grund für diese "Kinderarbeit" könnte sein, dass sich die Larven noch häuten und damit ihre Mundwerkzeuge für das Bohren im Holz scharf bleiben, vermutet Biedermann.

Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Käferkolonien "ein Übergangsstadium zwischen solitärer und hochsozialer Lebensweise" darstellen. Die Arbeitsteilung ähnelt bereits jener von hochsozialen Insekten wie Bienen oder Ameisen. Im Gegensatz zu diesen, wo Arbeiterinnen unfruchtbar sind und es mit der Königin ein einziges fruchtbares Weibchen gibt, sind bei den Käfern aber alle Weibchen fortpflanzungsfähig. Sie verzichten aber zumindest für einige Zeit "freiwillig" auf eigene Nachkommen.

Foto: Peter Biedermann/Uni Bern 

Loading...
00:00 / 00:00
Abspielen
Schließen
Aufklappen
Loading...
Vorige 10 Sekunden
Zum Vorigen Wechseln
Abspielen
Zum Nächsten Wechseln
Nächste 10 Sekunden
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.



Kostenlose Spiele
Vorteilswelt