Das Schlagobershäubchen auf ihrem Kakao löffelt sie in Zeitlupe - die Rehaugen weit geöffnet, starrt Christina (10) auf die aufwirbelnden Schokoflankerln im Glas. Dann ein flehender Blick zu den beiden Burschen neben ihr - Konstantinus (14) sitzt nur da, kaut nur gedankenverloren auf der Unterlippe. Dimitrius dagegen folgt wachen Auges den Gesprächen um ihn herum. Da reden die Erwachsenen. Er ist der Einzige der drei, der ein paar Brocken Englisch versteht und Fragen stellen kann.
MA11 und die "Krone" begleiten Trio
Die Uhr im Flughafen-Café von Wien-Schwechat zeigt neun Uhr - Boarding-Time. Für die Kinder ist es der erste Flug ihres Lebens. Vorfreude? Ja, wären da nicht die bitteren Umstände, die diesen Flug erst heraufbeschworen haben. Karin Hirschl von der "Drehscheibe" (Wiener MA11) betreut und begleitet die drei jungen Griechen. Ziel der Reise: ihre Heimat, die griechische Provinz Zentralmakedonien. Dort warten die örtlichen Behörden.
Und das kam so: Ende August zog die Wiener Polizei einen Bus aus dem Verkehr, in dem in einem Versteck Illegale aus Afghanistan entdeckt wurden - die "Krone" berichtete (siehe Infobox). Um das Verbrechen zu vertuschen, hatten die Schlepper griechische Familien "gemietet", die als Touristen getarnt mit nach Österreich kamen. Für läppische 100 Euro pro Kopf waren auch Christina, Dimitrius und Konstantin 18 Stunden in den stickigen, überfüllten Reisebus gepfercht gewesen. Nicht zum ersten Mal: Sie hatten diese Tortur schon mehrmals ertragen müssen - weil es die Eltern (und ihre Geldgeber) so wollten.
Kinder werden "nicht einfach irgendjemandem" übergeben
Busfahrer, Passagiere, Schlepper, Illegale - sie alle landeten hinter Gittern. Übrig blieben die Kinder - übel benutzt, missbraucht für kriminelle Zwecke, standen sie plötzlich allein in einem fremden Land da. Letzter Ausweg: Krisenzentrum "Drehscheibe Augarten". Hier fanden auch diese drei jungen Griechen Zuflucht bei Norbert Ceipek und Co-Chefin Karin Hirschl (gemeinsam auf Bild 3). Ziel ihrer Arbeit: die Kleinen liebevoll zu betreuen und sie dann zurück nach Hause begleiten. "Dort übergeben wir sie nicht einfach irgendjemandem. Schließlich waren es ja ihre Angehörigen, die sie in die Arme der Schlepper getrieben haben", so Ceipek. Also stellten die Pädagogen Kontakt zu griechischen Sozialbehörden her, um die drei in gesicherten Verhältnissen zu wissen.
Der Flug: Dimitrius, Konstantinus und Christina klammern sich ängstlich an die Sitzgurte. Der Blick über die Wolken, alles so neu und auch faszinierend. Dann schon der Landeanflug, Umrisse von Thessaloniki werden erkennbar, erste Häuser, Gebäude, eine Stadt wie ein Spielzeugpark. Auch Hirschl wirkt jetzt nervös, niemand weiß, was auf die Gruppe zukommt. Hirschl: "Die Zusammenarbeit mit Griechenland ist eine Premiere für mich. Mir wurde zugesichert, dass wir von Sozialarbeitern empfangen werden und gemeinsam in eine betreute Wohngemeinschaft fahren."
Entspannung dank erster Worte in Muttersprache
Auf der Landebahn dann Uniformierte der Grenzpolizei. Getrennt von den anderen Reisenden, geht es zu einem Areal, weiter in den Warteraum für Diplomaten. Dort sitzen auch schon ein Sozialarbeiter und vier Beamte des Innenministeriums. Endlich wieder ein paar Worte Griechisch - Christina fasst wieder Vertrauen zu der Psychologin und erzählt plötzlich aufgeregt von ihren Erlebnissen. Dann bricht sie in Tränen aus, weint ganz still an der Schulter jener Frau, in die sie in dieser Minute jede Hoffnung setzt.
Der Plan der "Drehscheibe"-Co-Chefin, die Kinder zu ihrer neuen Bleibe zu begleiten, zerplatzt allerdings an der Willkür der griechischen Polizei. Trotz der verbindlichen Zusage weigern sich die Beamten, die Österreicherin beim letzten Schritt der Rückführung mitzunehmen. Sie erklären: "Sie verabschieden sich hier. Jetzt." Eine rasche Umarmung - und zumindest die Gewissheit, dass die Kinder vorerst einmal in Sicherheit sind.
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