Regelkreise im Gehirn

Wissenschaftler entschlüsseln Kontrolle der Angst

Wissenschaft
02.09.2011 10:19
Wenn ein gesunder Mensch einer bedrohlichen Situation ausgesetzt ist, reagiert er mit einer angemessenen Verhaltensreaktion und verfällt weder in Gleichgültigkeit noch in Panik, wie zum Beispiel Angstpatienten. Mithilfe von genetischen Studien an Mäusen entdecken Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie nun zwei gegenläufige neuronale Regelkreise zur Angst-Erzeugung und Angst-Auslöschung.

Die Reaktion eines Organismus auf Stress gehört zu den überlebenswichtigen Strategien, um mit Einflüssen der Umwelt umzugehen. Eine balancierte emotionale Reaktion ist dabei von besonderer Bedeutung und unterliegt einer höchst komplexen molekularen Regulation. Ein zentraler molekularer Faktor der Stressreaktion ist das Corticotropin-Releasing-Hormone (CRH), welches im Gehirn ausgeschüttet wird und den Organismus in Alarmbereitschaft versetzt. Neben seiner Wirkung als hormoneller Botenstoff, steuert es im Gehirn durch Bindung an seine Rezeptoren auch die neuronale Aktivität von Nervenzellen.

Viele Patienten mit einer Angststörung oder Depression zeigen eine veränderte hormonelle Stressreaktion und erhöhte Mengen an CRH im Gehirn. Um den zugrundeliegenden Krankheitsprozessen näher auf die Spur zu kommen, nutzte die Arbeitsgruppe von Jan Deussing am Max-Planck-Institut nun Studien an Mäusen. Die Wissenschaftler setzten den Rezeptor 1 von CRH hoch selektiv nur in bestimmten Gehirnzellen außer Funktion, um so festzustellen, wann und wo der Rezeptor normalerweise aktiv ist und um gleichzeitig seine Funktion zu bestimmen.

"Karte der Angst" im Gehirn
Mithilfe immunhistochemischer Methoden gelang den Forschern erstmalig die präzise Beschreibung der Genaktivität des CRH Rezeptors 1 im Mausgehirn. Sie erstellten quasi eine "Karte der Angst" im Gehirn. Interessanterweise zeigt sich ein spezifisches Aktivitätsmuster in unterschiedlichen Nervenzellgruppen, welche verschiedene Nervenbotenstoffe ausschütten. In Regionen des Vorderhirns ist CRHR1 in Nervenzellen, die Glutamat ausschütten, nachweisbar. Diese Regionen sind als limbisches System miteinander verbunden und vermitteln, wie die aktuelle Studie zeigt, durch das CRHR1-System in glutamatergen Nervenzellen Angst auslösendes Verhalten.

In Regionen des Mittelhirns kommt CRHR1 in Dopamin ausschüttenden Nervenzellen vor. Als kleine Sensation zeigten die funktionellen Untersuchungen der Mäuse, dass das Stresshormon CRH hier über seinen Rezeptor zur Verringerung von Angst führt. Nachweislich lösen diese Nervenzellen direkt die Ausschüttung des "Glückshormons" Dopamin in Regionen des Vorderhirns aus und bewirken dadurch ein Angst lösendes Verhalten.

Einsatz bei Psychopharmaka denkbar
Durch ihre Ergebnisse erhoffen sich die Forscher neue Erkenntnisse, wie man CRH-Rezeptor-Antagonisten beim Einsatz von Psychopharmaka nutzen könnte. Die Autoren spekulieren, dass die Überreaktivität des CRH Systems in Patienten mit affektiven Störungen nicht generell, sondern wahrscheinlich nur auf bestimmte Regelkreise im Gehirn beschränkt ist und so eine Imbalance des Emotionsverhaltens entsteht. "Der Einsatz von CRH-Rezeptor 1-Antagonisten könnte vor allem bei Patienten sinnvoll sein, bei denen eines dieser System aus der Balance geraten ist", sagt Arbeitsgruppenleiter Jan Deussing.

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