Album & Wien-Konzert

Robert Forster: Mit Musik den Krebs bekämpfen

Musik
01.02.2023 09:00

Mit den Go-Betweens schrieb Robert Forster von Australien aus in den 80er- und 90er-Jahren Indie-Musikhistorie. Auf seinem achten Soloalbum „The Candle And The Flame“ besingt er fein instrumentiert eine private Krise und erinnert sich an die adoleszenten Tage voller Unschuld. Eine musikalische Perle.

(Bild: kmm)

Als vor knapp drei Jahren die Corona-Pandemie über uns hereinbrach, gingen manche Länder noch restriktiver damit um als andere. Australien etwa war besonders erbarmungslos und sperrte nicht nur Touristen aus, sondern auch Einheimische rigoros ein. Wenn man nun jemand wie Robert Forster ist und in Brisbane an der Ostküste ein schönes Haus sein Eigen nennt, lassen sich derartige Phasen natürlich leichter aushalten. Sein letztes Solowerk „Inferno“ konnte die legendäre Go-Betweens-Hälfte 2019 auf Tour nicht mehr auskosten, doch nach dem ersten Schock floss die Kreativität unvermindert weiter und erste Songs für ein achtes Album der Indie-Größe kristallisierten sich langsam heraus.

Den Schock verdauen
Im Juli 2021 verfiel die Familie Forster in Schockstarre, denn bei seiner Ehefrau und musikalischen Partnerin Karin Bäumler wurde Eierstockkrebs diagnostiziert. Nach dem ersten Schock und Momenten der Trauer entschließt sie sich dafür, den Kampf gegen den ungewünschten Eindringling in Form einer Chemo-Therapie aufzunehmen. Nach 32 Jahren Beziehung und intensiver Partnerschaft sind sich beide auch unausgesprochen einig, dass man einen solchen Kampf am besten mit Dingen in Angriff nimmt, die man liebt und zum seelischen Überleben braucht. „Seit wir uns das erste Mal getroffen haben, haben Karin und ich zusammen gesungen und Musik gemacht“, blickte Forster in einem emotionalen Facebook-Posting auf die lebensverändernde Diagnose zurück, „in diesen dunklen Tagen haben wir uns noch stärker der Musik zugewandt.“

Das neue Album „The Candle And The Flame“ ist mitnichten eine Abhandlung der Krebsdiagnose und des innerfamiliären Umgangs damit, sondern streift das Thema nur zu Albumbeginn. Das flotte, musikalisch bewusst lebensbejahende „She’s A Fighter“ eröffnet das Werk mit Hoffnung und dem Glauben an ein Happy End. Forster schrieb den Song kurzfristig als Ode an den bissigen Kampfgeist seiner Frau, der es knapp eineinhalb Jahre nach der Diagnose glücklicherweise wieder besser geht. Die anderen acht Songs stammen aus diversen früheren Songwriting-Sessions und waren schon fertig, bevor die Schocknachricht am Familienglück rüttelte. Umso beeindruckender ist ein Song wie die Single „Tender Years“, der ursprünglich eigentlich eine nahezu Spoken-Word-artige Hommage an die Liebe war und mit der Schattierung des Krebses plötzlich eine ganz andere Haltung einnimmt. Das dazugehörige Video, wo man Forster knapp sechs Minuten beim Zubereiten des Frühstück-Porridges sieht, gehört zu den seelenvollsten Momenten der jüngeren Indiepop-Historie.

Musik gegen den Schmerz
Auch ohne sich speziell auf die Gegenwart zu berufen, strahlen die Lieder eine wohlige Wärme des gemeinschaftlichen Glücks und eines Lebens weit abseits der Überholspur aus. Bei einer der vielen Musiksessions im heimischen Wohnzimmer merkte Karin einmal an, dass das gemeinsame Musizieren die einzige Zeit wäre, in der sie den Krebs für kurze Zeit völlig vergessen würde. Immer wieder kommen Sohn Louis und Tochter Loretta zurück ins Elternhaus, um nicht nur vernünftig Mittag zu essen, sondern gemeinsam zu jammen und eine musikalische Kohärenz zu entfachen. Ende September 2021, wenige Tage vor einer anberaumten Krebs-OP für Karin, sitzen Robert, Karin, Louis und die vormalige Go-Betweens-Bassistin Adele Pickvance in einem Sesselkreis, und nehmen im Studio so zehn Songs live in sieben Stunden auf. Zwei davon landen ungefiltert auf „The Candle And The Flame“, der Hintergrund war aber ein anderer. „Was auch immer die Zukunft bringen wird“, so Forster, „wir wussten, dass wir für immer diese Momentaufnahme haben würden.“

Als Geschichtenerzähler mit Akustikgitarre und sanfter, aber auch schon gealterter Stimme ist Forster nach wie vor unter den allerbesten seiner Zunft zu verorten. Wunderschöne Songs wie „The Roads“, „I Don’t Do Drugs I Do Time“ oder „Go Free“ sind von derart kompositorischer Präzision, dass man sie immer und immer wieder hören möchte. In „Always“ zieht Forster mit E-Gitarre und pulsierendem Drumming auch mal das Gaspedal an und hat einen untrüglichen Kanada-USA-Touch á la Pete Droge in der Instrumentierung. In „There’s A Reason“ findet der Australier Gründe für alles, was im Leben passiert und auch das filigrane „Go Free“ (samt wunderschönem Doppelgesang zwischen Forster und Bäumler) bekommt im Angesicht der schweren Familienzeit einen ganz neuen Anstrich. Da tut es am Ende gut, dass sich Forster in „When I Was A Young Man“ melancholisch der Nostalgie hingibt und sich, wie wir alle, ein bisschen nach den Zeiten zurücksehnt, als Begriffe wie Verantwortung und Lebensplanung noch fern am Horizont waren und nicht den Alltag bestimmten. Forster ist australisches Kulturgut und dieses intensive Album bestätigt diese These.

Live in Wien
„The Candle And The Flame“ stellt Robert Forster am 1. April (kein Scherz) im Wiener Theater Akzent auch live vor. Karten und Infos dazu gibt es unter www.oeticket.com. Da bleibt dann auch sicher etwas Zeit, um in seinem Lieblingscafé Goldegg auf einen Cappuccino mit Apfelstrudel einzukehren.

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