Live in der Simm City

Cavetown: „Die Musik verleiht uns eine Identität“

Wien
25.10.2022 06:01

Robin Skinner aka Cavetown kreiert sanften Bedroom-Pop mit persönlichen Texten, die einer verlorenen jungen Generation nicht nur aus der Seele sprechen, sondern sie auch zum Freilassen ihrer eigenen Kreativität animiert. Heute Abend spielt Cavetown in der ausverkauften Wiener Simm City. Ein Gespräch über Gemeinschaft, die Kraft der Musik und wie das Internet auch ein freundlicher Platz sein kann.

Als Robin Skinner im beschaulichen Cambridge seinen ersten Song „Haunted Lullaby“ auf YouTube lud, war er gerade einmal 13 Jahre jung. Die Liebe zur Musik wurde ihm schon früh von den Eltern mitgegeben. Seine Mutter spielt leidenschaftlich gerne Barockflöte und ist Musiklehrerin, Vater David gab ihm mit acht die erste Akustikgitarre in die Hand. Skinner wählte das Pseudonym Cavetown und stieg in den letzten Jahren zu einem Sprachrohr der LGBTQ-Community auf. Drei Alben und unzählige EPs veröffentlichte er in Eigenregie, erst für das 2020er Werk „Sleepyhead“ unterschrieb er erstmals einen Plattenvertrag. Cavetowns Songs handeln von Unsicherheiten, Inklusion, Gemeinschaft und Offenheit.

Die Mischung aus Bedroom-Pop, Autotune, Ukulele-Klängen und sanften Indie-Versatzstücken verstärkt er mit zartem Gesang und sehr offenen Texten, die sich oft tief in die eigene Familiengeschichte graben und ihm eine erkleckliche und vor allem treue Fanbase einbrachten. Auf seinem neuen Album „Worm Food“ zeigt sich Cavetown verletzlich und vorsichtig optimistisch. In „Frog“ handelt er etwa eine vergangene Beziehung ironisch ab, die erste Single „1994“ dreht sich um das Jahr, in dem seine Eltern eine besonders schöne Zeit hatten. Features von Vic Fuentes, Beabadoobee und Chloe Moriondo zeigen zudem, wie gut vernetzt Skinner mittlerweile in der Szene ist. Nach seinem gefeierten Auftritt beim Frequency ist Cavetown heute Abend in der Wiener Simm City zu Gast. Das Konzert ist bereits seit Monaten restlos ausverkauft.

„Krone“: Robin, bei dir passiert momentan einiges. Die Streamingzahlen explodieren, du spielst viele ausverkaufte Konzerte und auch große Festivals. Das war die letzten zweieinhalb Jahre nicht selbstverständlich …
Cavetown:
Die Dinge, die in meinem Leben so passiert sind, habe ich als sehr guten Inhalt für meine Musik betrachtet. Selbst wenn es mir nicht gut ging, habe ich durch das Schreiben darüber sehr viel verarbeiten und die Kontrolle über meine Gefühle zurückerlangen können. Meine EP „Men’s Best Friend“ ist sehr stark von dieser Zeit inspiriert und hat michw ieder zu meinen Wurzeln zurückgebracht. Ich war vor der Pandemie sehr viel unterwegs und die Pause kam zum richtigen Zeitpunkt. Als mein Album „Sleepyhead“ herauskam, machte die Welt im März 2020 gerade zu und beim Entstehungsprozess war ich so viel unterwegs, dass ich viel zu wenig Zeit zur Reflektion hatte. In der Covid-Zeit war ich die ganze Zeit daheim, musste keine großen Deadlines beachten und konnte im Schlafzimmer dann Musik schreiben, wenn mein Hirn Lust dazu hatte. Alles war wieder ungezwungen und unschuldig. So, wie es ganz am Anfang war.

Du hast deine Songs und auch Alben lange selbst rausgebracht und erst vor wenigen Jahren einen Plattenvertrag unterschrieben. Ist dir diese Freiheit wichtig? Brauchst du sie, um Kunst so zu erschaffen, wie du es für richtig hältst?
Ich schütze die Freiheit in meiner Kreativität enorm. Sie ist mir wichtiger als alles andere und ich gehe auch keine Kompromisse ein. Wenn es mit dem Leben als Musiker nichts geworden wäre, dann würde ich produzieren, weil ich die Ausbildung dafür habe. Mir ist es extrem wichtig, die Kontrolle über den Sound zu haben und ich lerne mit jedem Mal als Produzent ungemein viel dazu. Diese Freiheit würde ich nie aufgeben.

Magst du es genauso auf der Bühne zu stehen, wie Musik zu schreiben oder zu produzieren?
Live zu spielen fühlt sich immer etwas seltsam an. Die Musik ist für mich ein Ventil, um sehr persönliche Erlebnisse zu verarbeiten. Darin stecken Themen, über die ich selbst mit meinen engsten Freunden oft nur ungern rede. Diese Dinge müssen einfach raus, aber irgendwann teile ich sie mit der ganzen Welt und jeder hat seine Sichtweisen und Meinungen dazu. Ich versuche noch immer herauszufinden, warum das funktioniert und ob das für mich so okay ist, aber irgendwie klappt es. (lacht) Es fühlt sich gut an, diese Gedanken zu teilen und ich will, dass sich Menschen damit identifizieren oder sich darin wiederfinden können. Wenn sie sich verstanden fühlen oder ich ihnen damit helfen kann, dann ist das das Größte. Es ist für mich ungemein bereichernd.

Sind die Musik und das Verarbeiten von persönlichen Themen in deiner Musik für dich ein Startpunkt, um Persönliches auch in gängigen Konversationen zu teilen? Hilft dir das, um in Gesprächen offener zu sein?
Mit Sicherheit. Die Texte sind irgendwo in meinem Kopf vergraben und wenn sie niedergeschrieben und mit der Musik verbunden sind, dann unterstützen sie auf jeden Fall die Kommunikation abseits der Kunst. Wenn ich Gedanken in Texten ordne, dann machen sie oft mehr Sinn oder ich finde Wege, um leichter mit anderen Menschen darüber zu reden.

Deine Texte sind sehr erbauend und in verschiedene musikalische Genres verpackt. Kommt diese Vielseitigkeit bei dir auf ganz natürlichem Wege? Diese bunte Form von Kreativität?
Ich nähere mich jedem Song völlig ohne Plan und Vorsatz. Ich lasse die Dinge auf mich zukommen und warte ab, was sich richtig anfühlt oder zur jeweiligen Idee richtig klingt. Das passiert ganz natürlich. Ich habe keine Struktur, sondern lasse mich von den Gefühlen leiten. Es gibt keine Regeln und ich lasse mich komplett vom Moment leiten.

Deinen Durchbruch hast du über das Internet geschafft. Eine wichtige, aber auch grausame Welt für fragile Künstler. Kommst du mit den negativen Aspekten dieser Plattformen gut klar?
Ich gehe nicht sonderlich oft online und lese mir Kommentare oder Reviews durch. Ich habe erstmals Musik auf Bandcamp hochgeladen als ich 13 Jahre jung war. Ich habe immer versucht, sehr aktiv zu sein, mit den Leuten zu interagieren und viel Musik zu veröffentlichen. Dazu muss ich sagen, dass ich begeistert davon bin, wie nett die Menschen immer zu mir waren. Ich hatte bislang nur selten mit negativen Emotionen zu kämpfen und bin einfach erfreut, wie freundlich die Menschen immer zu mir sind. Die Energie, die du anderen gibst, die kommt dann auch zurück - daran glaube ich.

Hat sich dein Zugang zur Musik verändert, jetzt, wo du weißt, dass die Menschen deinen Sound mögen und sich gewisse Dinge von dir erwarten?
Ich müsste lügen, würde ich nicht zugeben, dass dieser Gedanke irgendwo in meinem Hinterkopf existiert, aber der Prozess des Songschreibens hat sich nicht sonderlich verändert. Ich fühle mich nicht von Erwartungen eingebremst oder zurückgehalten. Je besser ich mich in der Welt der Produktion auskenne, umso reiner und qualitativ hochwertiger wird mein Sound. Darauf liegt mein Fokus. Ich produziere alles selbst und bin sehr streng mit mir. Strenger mit der Produktion als mit dem Songwriting selbst.

Es gibt den „Cave-Club“, eine Organisation, wo du immer wieder direkt mit deinen engsten und größten Fans kommunizierst. Was gibt dir dieses Projekt? Was ziehst du daraus?
Mit jedem Jahr wird es schwieriger, persönlich mit meiner Fanbase und den Leuten zu kommunizieren, weil so viel passiert. Manchmal wird es mir auch zu viel, wenn viel auf mich reinprasselt und es ist nicht sonderlich nachhaltig, wenn man sich in so eine Rolle reinzwängt. Der „Cave-Club“ ist eine kleinere Gruppe von Menschen, mit denen ich tiefer in Kontakt trete, Erfahrungen und Gedanken austausche und dabei lerne. Alle sind sehr nett und offen zueinander und es ist ein schöner Ort, um aufeinander zuzugehen.

Ist dir bewusst, dass du vielen Menschen mit deiner Musik direkt helfen kannst?
Die Leute erzählen mir sehr oft, welche Auswirkungen meine Musik auf sie hat. Das ist sehr freundlich und es macht mich wirklich glücklich. Mir ging es mit meinen eigenen musikalischen Helden nicht anders. Ich hatte auch bei vielen das Gefühl, sie hätten ihre Musik nur für mich geschrieben. Man fühlt sich davon umarmt und beschützt. Wenn ich das nun über meine Musik von anderen höre, ist das cool und surreal zugleich.

Welche Art von Musik hat dich damals angesprochen?
Junge Emo-Bands haben mich immer begeistert. Meine absolute Lieblingsband war Pierce The Veil. Heute bin ich mit Frontmann Vic Fuentes gut befreundet und das ist surreal. Da war schon immer eine Verbindung da, die ich nicht in Worte fassen kann. Als Emo-Kid fühlte ich mich von ihm und der Band verstanden. So, wie es sonst niemand tat. Wenn man aufwächst ist Musik so dermaßen wichtig. Sie verleiht dir Identität und leitet dich auf dem Weg zu deiner Persönlichkeit. Wenn ich so eine Stimme sein kann, dann ist das großartig.

Ist das manchmal nicht auch etwas beängstigend, wenn die eigene Musik so wichtig für andere ist?
Ich würde nicht sagen beängstigend, aber wenn Leute oft sehr viel Persönliches offen mit mir teilen, dann weiß ich nicht immer, wie ich darauf reagieren oder antworten soll. Das Teilen ihrer Gedanken ist in erster Linie für sie wichtig. Vielleicht wäre es gar nicht so schlimm, wenn ich nicht immer nett darauf reagieren würde, weil die Kids ihre Probleme rauslassen müssen. Ich halte mir immer vor Augen, wie wichtig es für die Kids ist, wenn sie sich jemandem anvertrauen können. Das darf man nicht belächeln und ich konzentriere mich sehr darauf, in gewissen Situationen richtig zu reagieren. Es ist nicht leicht, immer die passende Antwort parat zu haben oder ständig gut drauf zu sein, aber für manche ist so ein Treffen immens wichtig und ich versuche natürlich, bestmöglich darauf zu reagieren. Ich versetze mich dann auch immer in die Lage der Leute und versuche zu verstehen, was ich in dem Moment erwarten und brauchen würde.

Herrscht zwischen dir und deinem Publikum gar eine besondere Form von Nähe oder Vertrauen?
Sie behandeln mich, meine Kunst und auch mein Privatleben sehr respektvoll. Natürlich versuchen manche intensiver in mein Leben zu kommen, als es gesund ist, aber die meisten kennen die Grenzen und das weiß ich sehr zu schätzen. Wir haben ein ungemein respektvolles Verhältnis zueinander und das ist nicht selbstverständlich. Die Leute sind nicht gemein oder untergriffig und das sichert mir das Selbstvertrauen, meine Musik frei und ungezwungen gestalten zu können. Ich habe sehr behutsame, intelligente und aufmerksame Kids als Fans, die sich um andere Menschen sorgen. Das ist sehr schön und sehr wichtig.

Im November erscheint dein neues Album „Worm Food“ mit dem Single-Vorboten „1994“. Nachdem du Jahrgang 1998 bist - was ist da passiert?
(lacht) Das Datum habe ich genommen, weil es sich mit dem Text davor gereimt hat, da steckt gar nicht mehr dahinter. Ich war da, wie du richtig angemerkt hast, noch gar nicht auf der Welt, aber es war eine sehr gute Zeit für meine Eltern, die bei mir mit sehr viel Nostalgie geladen ist. Der Song hat ein bisschen einen „der Sommer ist jetzt vorbei“-Vibe, der sich aber gut in das Album einbettet. Ich arbeite immer an neuer Musik und wenn mal genug für ein Album da ist, dann wird auch ein neues gemacht. Ich bin schnell von Musik gelangweilt und muss mich immer selbst überraschen und verändern können. Irgendwann bin ich bereit und dann entsteht wieder etwas Neues, so wie jetzt „Worm Food“.

Hast du eine bestimmte Vision, wo du mit Cavetown hinwillst?
Ich bin mir nicht ganz sicher. Meine ganze Karriere geht bislang mit dem Flow, es ist nichts erzwungen. Wenn es einfach so weitergeht, dann wäre ich wahnsinnig glücklich. Ich fühle mich wohl mit meiner Band, die Auftritte werden immer schöner und ich fühle mich rundum zufrieden. Es gibt keinen Grund etwas daran zu ändern oder allzu viel vorzuplanen.

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