Der französische Philosoph und Soziologe Bruno Latour ist tot. Er war Professor an der Elitehochschule Sciences Po in Paris. Latour galt als einer der größten zeitgenössischen Intellektuellen Frankreichs und wurde unter anderem als „einer der großen Erneuerer der Sozialwissenschaften“ geehrt. Seine Bücher sind in mehr als 20 Sprachen erschienen.
Der 1947 im zentralfranzösischen Beaune geborene Latour beschäftigte sich in seinen Werken mit der wissenschaftlichen Arbeit und damit, wie Gewissheiten entstehen. In den 1990er-Jahren geriet er so in den „Krieg der Wissenschaften“. Naturwissenschaftler empfanden es als Angriff auf ihren Anspruch objektiver Erkenntnis, dass Soziologen wie Latour ihre Mechanismen der Wahrheitsproduktion erkundeten. Latour betonte, er beschreibe nur die Fähigkeit wissenschaftlicher Netzwerke, Objektivität hervorzubringen.
Wegen seiner Feldstudien in Gerichten oder Labors, deren Ergebnisse er in umfassende Denkmodelle einordnete, bezeichnete sich Latour als „empirischen Philosophen“. Seine oft sprachgewaltigen Theorien gelten als nicht leicht verständlich.
Latour und das "Parlament der Dinge“
Latour stand auch für eine neue Sicht auf Umwelt und Gesellschaft und galt als ökologischer Vordenker. Er war einer der Begründer der sogenannten Akteur-Netzwerk-Theorie. Sie geht über den Gedanken sozialer Konstruktion von Wirklichkeit hinaus. Nach ihr schreiben sich Natur und Gesellschaft vielmehr in ständig neuen Verbindungen Eigenschaften zu. Latour führte dies zur Idee eines „Parlaments der Dinge“, in dem auch nicht-menschliche Akteure mitentscheiden sollen.
Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron würdigte Latour als humanistischen und pluralistischen Geist und drückte die Anerkennung der französischen Nation für den Vordenker aus. „Seine Überlegungen und seine Schriften werden uns auch weiterhin zu neuen Verhältnissen zur Welt inspirieren.“ Premierministerin Élisabeth Borne schrieb, Latour hinterlasse Werke, die auch in Zukunft das Bewusstsein anregen.
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