Frust in Landregion

Notarztwesen: „Sind wir Patienten zweiter Klasse?“

Steiermark
01.10.2022 14:03

Droht der Notarzt-Versorgung ein Akut-Versagen? Speziell in der Obersteiermark wächst der Frust über die „Ignoranz der Politik“. Ein Bürgermeister und ein Rotkreuz-Stellenleiter sprechen Klartext.

„Im Notfall braucht in der Steiermark ein Notarzt durchschnittlich 13 Minuten bis zum Einsatzort. Damit unterschreiten wir unser selbst gestecktes Ziel, dass es innerhalb von 15 Minuten zu einer Ersthilfe kommt, deutlich", sagte Klaus Pessenbacher von der Gesundheitsversorgungs-GmbH (GVG), verantwortlich für das steirische Notarztwesen, bei einer öffentlichen Veranstaltung im Juni.

Vernichtende Untersuchung?
Im Juli verstarben zwei Patienten, da kein Notarzt verfügbar war. Beide Vorfälle ereigneten sich im Bezirk Liezen. Die nach einem Krisengipfel eingeleiteten Untersuchungen stehen kurz vor Abschluss, das Ergebnis soll vernichtend für das steirische Gesundheitsmanagement ausfallen.

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Ich zahle die gleichen Steuern wie jeder andere Österreicher. Wieso werde ich dann in der Peripherie wie ein Patient zweiter Klasse behandelt?

Ulrich Matlschweiger

Tragische Beispiele dafür, wie weit Theorie aus Grazer Perspektive mit Praxis in der Peripherie auseinanderliegen: „Wir warten im Winter bis zu eineinhalb Stunden, bis ein Notarzt eintrifft“, weiß Ulrich Matlschweiger. Der 34-Jährige leitet die Rotkreuz-Ortsstelle Altenmarkt-Großreifling und ist damit im Herzen der steirischen Gesundheitsunterversorgung stationiert.

In seiner 17-jährigen Tätigkeit hat er schon vielen Menschen geholfen - aber auch viele leiden sehen: „Es reicht ein Schenkelhalsbruch, diese Patienten schreien vor Schmerzen. Ich kann nur gut zureden und hoffen, dass rasch ein Arzt kommt, Schmerzmittel verabreichen darf ich nicht“.

Viel zu lange Wartezeiten
Das Problem: Die 20 bodengebundenen Notarztstützpunkte in der Steiermark sind um zumindest einen zu wenig. Ein Blick auf die Landkarte genügt, um dies zu belegen: Wird beispielsweise in der Gemeinde Landl ein Notarzt angefordert, benötigt dieser bei einer großzügig gerechneten Anfahrtsgeschwindigkeit von 80 km/h sowie idealen Fahrbedingungen vom nächstgelegenen Stützpunkt in Waidhofen an der Ybbs (NÖ) 38 Minuten bis zum Ziel, von Rottenmann und Leoben sind es jeweils 42 Minuten (siehe Grafik unten).

„Wir kämpfen gegen Windmühlen, von den Verantwortlichen werden wir nur abgespeist“, ärgert sich Bernhard Moser, Bürgermeister der 256 Quadratkilometer großen Gemeinde im Gesäuse, über „Arroganz und Ignoranz der Politik“.

Hubschrauber können oft nicht fliegen
Gerne wird in der Debatte auf die drei verfügbaren Notarzthubschrauber verwiesen. „Man vergisst dabei zu erwähnen, dass es für diese Art der Notfallversorgung vielfältige Einsatzbeschränkungen gibt“, sagt Moser. Vor allem in der kalten Jahreszeit, die jetzt wieder anbricht, würden Nebel, Wind und Schnee einen Rettungsflug oftmals unmöglich machen. „Ich weiß, wovon ich rede, es ist ja schon oft genug passiert“, sagt Moser.

Auch die von Gesundheitslandesrätin Juliane Bogner-Strauß gerne ins Treffen geführten sieben Minuten, die ein Heli durchschnittlich bis nach Eisenerz, wo man ebenso für eine bessere Basisversorgung kämpft, brauchen würde, zerlegen die Betroffenen in der Luft: „Sobald das Wetter nicht ganz optimal ist, benötigen wir alleine für die Flugvorbereitung eine Viertelstunde“, sagt ein ÖAMTC-Pilot zur „Krone".

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