„Krone“ fragte nach

Personalmangel in Tirol: Das sagen die Parteichefs

Tirol
14.09.2022 13:04

Nahezu jeder Bereich in der Wirtschaft ist von der Knappheit an Arbeitskräften betroffen. Vier von fünf Unternehmen gehen davon aus, dass sich der Mangel noch verstärken wird. Was ist der Standpunkt der Spitzenkandidaten vor der Tiroler Landtagswahl bei diesem Thema? Die „Krone“ fragte nach.

Zuletzt ist die Beschäftigung und auch die Nachfrage nach Personal auf ein Rekordniveau gestiegen: Laut Stellenmonitor des Wirtschaftsbundes gibt es mit Stichtag Ende August in Tirol 28.310 offene Stellen. Am stärksten betroffen ist der Tourismus mit 7039 offenen Stellen, gefolgt von Handel, Logistik und Verkehr (6147) und Büro, Marketing, Finanz, Recht, Sicherheit (3568).

„Fast jede Branche betroffen“
Laut Fachkräfteradar des Instituts für Berufsbildungsforschung der Wirtschaft (ibw) – eine Unternehmensbefragung – gehen vier von fünf Betrieben in den nächsten drei Jahren davon aus, dass der Fachkräftemangel in Tirol weiter stark (59,1 %) oder etwas (19,9 %) zunehmen wird: „Es ist nahezu jede Branche von der Knappheit betroffen.“

Die größten Schwierigkeiten haben die Unternehmen bei der Suche nach Personal mit Lehrabschluss sowie beim Finden von Personen ohne berufliche Ausbildung, aber mit praktischer Berufserfahrung. 43,8 Prozent der befragten Unternehmen würden gerne mehr Lehrlinge ausbilden. Die Auswirkungen sind gravierend (Zustimmung der Unternehmen in Prozent):

  • Zusatzbelastung für die Unternehmen (90,3 %)
  • Höhere Ausgaben für Personalsuche (84,5 %)
  • Höhere Arbeitsintensität für die vorhandenen Mitarbeitenden (84,1 %)
  • Höhere Gehälter für neue Mitarbeitende (75,8 %)
  • Zunahme von Überstunden bei den vorhandenen Mitarbeitenden (71,8 %)
  • Anstellung von geringer qualifizierten Arbeitskräften (67,7 %)
  • Vermehrter Aufwand für die Qualifizierung und Weiterbildung von Mitarbeitenden (66,2 %)
  • Umsatzeinbußen, z. B. durch Ablehnen/Stornieren von Aufträgen
  • Einschränkung des Leistungsangebots, weniger Werbung oder Auftragsakquise (61,4 %).

Mit einer Arbeitslosenquote von nur 3 Prozent im August 2022 war Tirol im österreichweiten Vergleich das Bundesland mit der geringsten Arbeitslosigkeit. Gleichzeitig schmerzt der Personalmangel. Was sagen nun die Parteichefs dazu?

Anton Mattle (ÖVP): „Leistung fördern“
In Tirol herrscht Vollbeschäftigung, wir haben die niedrigste Arbeitslosenrate. Was einerseits erfreulich ist, wird für die Wirtschaft zur Herausforderung, weil sich der Fachkräftemangel längst zum Arbeitskräftemangel ausgewachsen hat. Um gegenzusteuern, müssen wir Leistung wieder stärker fördern: Abgaben auf Überstunden reduzieren, den Zuverdienst nach Pensionsantritt attraktiver machen und einen Steuerfreibetrag für Arbeit neben dem Vollerwerb einführen.

Georg Dornauer (SPÖ): „Ordentlich zahlen“
Wenn Betriebe die besten Arbeitskräfte wollen, müssen sie attraktive Arbeitsplätze bieten. Jene Firmen, die ihren Mitarbeitern mit ordentlichen Einkommen, attraktiven Arbeitszeiten, Arbeitszeitverkürzung sowie der Möglichkeit zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf entgegenkommen, haben weniger Probleme. Es braucht endlich den Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz. Für ältere Arbeitnehmer müssen altersgerechte Arbeitsplätze geschaffen werden.

Gebi Mair (Grüne): „Viele halten es nicht aus“
Die Belastung in vielen Berufen ist einfach zu hoch. Wir sehen das in der Pflege, wo viele Menschen es einfach nicht mehr aushalten. Wir wollen schrittweise die Arbeitszeit und damit die Belastung reduzieren, damit Menschen in der Arbeit auch Freude haben. Dabei muss es möglich sein, mit einem normalen Einkommen in Tirol gut zu leben. Ein Rechtsanspruch auf einen ganztägigen, ganzjährigen und kostenlosen Kinderbetreuungsplatz ermöglicht Erziehungsberechtigten Berufstätigkeit.

Markus Abwerzger (FPÖ): Gerechte Entlohnung
Die Arbeitnehmer müssen gerecht entlohnt werden, dann gibt es auch keinen Fachkräftemangel, und auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf muss garantiert werden. Wir fordern daher einen Mindestlohn von 1700 Euro für eine Vollzeitstelle. Es braucht auch bessere Kinderbetreuungsmöglichkeiten für Familien. Im Pflegebereich braucht es gezielte Maßnahmen wie die Pflegelehre. Wirtschaftsflüchtlinge aus Syrien oder Nordafrika sind kein Ersatz für heimische Fachkräfte.

Dominik Oberhofer (Neos): „Überlebensthema“
Tirol muss wieder ein attraktiver Standort werden, für Unternehmen, Anpacker und Talente gleichermaßen, das ist kein Nebenthema mehr, das ist ein Überlebensthema. Wir bilden die klügsten Köpfe aus, diese ziehen dann aber weg, weil sie sich das Leben bei uns einfach nicht leisten können. Darum müssen wir Steuern und Abgaben senken und dafür sorgen, dass die Preise für Wohnen, Lebensmittel und Energie nicht weiter explodieren. Deswegen wollen wir einen Preisgipfel.

Andrea Haselwanter-Schneider (Liste Fritz): Markt für Flüchtlinge öffnen
So positiv der Blick auf die Arbeitslosenzahlen derzeit ausfällt, so schwer tun sich viele Branchen, qualifiziertes Personal zu finden. Was den Tourismus betrifft, brauchen wir ein Umdenken in Richtung qualitätsvoller Angebote. Auch in der Pflege müssen wir den Beruf wieder attraktiv machen und Menschen mit verbesserten Rahmenbedingungen dafür begeistern. Für anerkannte Flüchtlinge würden wir den Arbeitsmarkt bei Mangelberufen öffnen, vor allem für die Lehrlingsausbildung.

Elfriede Hörtnagl-Zofall (MFG): Zuwanderung prüfen
Impfung, Tests und Maskenpflicht führten zu Kündigungen, Entlassungen, Lehrermangel, Pflegenotstand und auch Personalnot im Tourismus. Wenn man Arbeitskräfte händeringend sucht, dann kann man für manche Bereiche eine Lösung herbeiführen, indem über bedarfsorientierte Zuwanderung oder über das Flüchtlingswesen nachgedacht wird und den Menschen die Gelegenheit gegeben wird, sich an unseren Arbeitsprozessen zu beteiligen und in den Arbeitsmarkt einzusteigen.

Pia Tomedi (KPÖ): „Alle am Gewinn beteiligen“
Als KPÖ setzen wir uns für eine starke Gewerkschaft ein, welche die Interessen der Arbeiterinnen und Arbeiter selbstbewusst durchsetzt. Neben dem kurzfristigen Ziel kräftiger Lohnanpassungen geht es der KPÖ um eine umfassende Demokratisierung der Arbeitswelt. Es braucht eine Einbindung der Arbeitenden in allen Fragen der Unternehmensführung, insbesondere bei der Verteilung der Gewinne. Es muss eine Demokratisierung der Unternehmensführungen erreicht werden.

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