Bald live im Happel

The Rolling Stones: Neuer Abschied vom Abschied

Wien
10.07.2022 06:00

Die Rolling Stones feiern im Wiener Happel-Stadion (15.7.) 60 Jahre Bühne. Vor knapp 50 Jahren wurden sie das erste Mal zu einem Live-Ende befragt. Seither verschieben Jagger und Co. die Grenzen des Machbaren.

Vor wenigen Wochen gab es eine Schrecksekunde: Mick Jagger erkrankte kurz vor dem geplanten Auftritt der Rolling Stones in Amsterdam an Corona. Ein Konzert musste verschoben, eines abgesagt werden, doch das 78-jährige Fitnesswunder aus dem britischen Dartford war schnell wieder am Dampfer und die Steine rollen seitdem unaufhaltsam weiter. Jagger, Keith Richards und Co. befinden sich auf ihrer „Sixty“-Tournee und feiern, man mag es kaum glauben, 60 Jahre Live-Konzerte. Was am 12. Juli 1962 im Londoner Marquee Club seinen Anfang nahm, geht am 15. Juli im Wiener Happel-Stadion fast taggleich in die Jubelschleife. Der Verfasser dieser Zeilen hat sich beim Tourauftakt in Madrid selbst überzeugen können - die Briten setzen die Gesetze der Physik auch weiterhin mühelos außer Kraft.

Kein Ende in Sicht
Nicht schlecht für eine Band, die sich 1973 das erste Mal mit der Frage „wird das eure letzte Tour sein?“ befassen musste. Doch damals war Rock’n’Roll der Inbegriff von Jugend und Rebellion und die rund 30 Jahre alten Mitglieder galten als Relikte ihrer Epoche. Seit den 80er-Jahren sind sie permanent mit Abschiedsgerüchten konfrontiert, doch im Gegensatz zu anderen Bands, die mit fadenscheinigen „Last Tour“-Ankündigungen den Kartenverkauf aufbessern, schweigen sich die Stones dahingehend beharrlich aus. „Wir lieben was wir tun und rechnen nicht mit einem Ende“, erzählt Keyboarder Chuck Leavell der „Krone“ im Interview, „irgendwann wird es unweigerlich vorbei sein, aber es ist schön zu sehen, dass wir noch nicht wissen, wann das sein wird.“

Von Suff- und Drogenexzessen ist bei den Stones schon lange keine Spur mehr. Die drei Hauptdarsteller würden nicht derartig fulminante Shows abliefern können, würden sie nicht penibel auf ihre Gesundheit und den Fitnesszustand achten. Der 1975 zur Band gestoßene „ewige Neue“ Ronnie Wood hat sich von seiner jahrelangen Alkoholsucht mit bildnerischer Kunst befreit und zeichnet bunte Setlisten für die jeweiligen Konzertabende. Raubein Keith Richards bleibt abseits der Bühne das größte Mysterium, hat nach 54 Jahren aber das Rauchen aufgegeben. Und Frontmann Mick Jagger sorgt mit schwindelerregenden Pirouetten, dem markanten Gockelgang und seiner grazilen Knabenfigur ohnehin für atemloses Staunen. Etwa 20 bis 30 Fußballfeldlängen legt er pro Konzert zurück, die herausragende Stimme bricht dabei nicht ein einziges Mal. Nicht schlecht für den Frontmann, der nur elf Tage nach dem Wien-Gig seinen 79. Geburtstag feiert.

Hartes Training
Doch von nichts kommt nichts und Jagger betrachtet seinen Körper als Tempel. Er schwört auf Ballettstunden, läuft, schwimmt, fährt Rad, praktiziert Yoga und Pilates und trainiert nahezu täglich. Dass sich die Stones die allerbesten Personal Trainer und Ärzte leisten können, gerät ihnen nicht zum Nachteil. Wer im höheren Pensionsalter derart schweißtreibende Konzerte aufs Parkett knallt, legt die Messlatte für alle zukünftigen Generationen unerreichbar hoch.

Am Allerwichtigsten ist den honorigen Herren dann doch der pure Spaß an der Sache. Der Applaus, das ungläubige Staunen ihrer jüngeren Fans und die ungefilterte Kraft des Rock’n’Roll sind der größte Jungbrunnen für die Altherrentruppe. Die Rolling Stones sind ein nicht rational erklärbares Phänomen, auf dass wir alle ehrfürchtig hochblicken. Die Show geht unaufhaltsam weiter - und die Briten haben einen neuen Höhepunkt ihrer beispiellosen Karriere erreicht.

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