Hackende Reporter

Murdoch stampft “News of the World” nach Skandalen ein

Ausland
07.07.2011 22:16
Nach den jüngsten Enthüllungen im seit 2006 schwelenden Abhörskandal um die britische "News of the World" unternimmt Eigentümer Rupert Murdoch jetzt einen radikalen Schritt: Die Wochenzeitung wird eingestampft. Wie berichtet, haben Reporter des Blattes jahrelang Handy-Mobilboxen gehackt, um an Storys heranzukommen. Lange Zeit wurde angenommen, dass dies nur bei Promis und Politikern gemacht wurde. In den letzten Tagen wurde jedoch publik, dass auch Verbrechensopfer und die Witwen getöteter Soldaten ein Ziel waren.

Der Medienmogul Rupert Murdoch (li.), der mit seiner Holding "News International" in Großbritannien auch "The Sun" und die renommierte "Times" besitzt und über den weltumspannenden Konzern "News Corporation" rund zwei Prozent der globalen Medien kontrolliert, ließ Donnerstagabend durch seinen Sohn eine Stelllungnahme verbreiten. 

Das Wochenblatt werde am Sonntag zum letzten Mal erscheinen, erklärte der Sohn des Tycoons, 38-jährige James Murdoch (re.), der in dem Konzern unter anderem für die englischen Zeitungen zuständig ist. Das 168 Jahre alte Blatt habe eine Geschichte hinter sich, auf die sie stolz sein könne, richtete er den Mitarbeitern und Ex-Mitarbeitern des auflagenstärksten englischsprachigen Sonntagsblattes aus. Man habe Verbrechen bekämpft, bei deren Aufklärung mitgeholfen, Ungerechtigkeiten aufgedeckt und Gesprächsthemen vorgeben. 

Bei sich selbst habe man diese Tugenden aber nicht anwenden können, sondern sich seine Reputation durch "einige Übeltäter" zerstören lassen. Der Newsroom sei über die Jahre von diesen Übeltätern "vergiftet" worden. Murdoch gestand ein, dass es die Zeitung verabsäumt habe, nach den ersten Aufdeckungen im Jahre 2006 - damals waren zwei Angestellte der Zeitung verurteilt worden, weil sie die Mobilboxnachrichten von Prinz Harry und anderen Mitgliedern der Königsfamilie abgehört hatten - eine vollständige Aufarbeitung der Ereignisse durchzuführen.

"Nicht im Besitz aller Fakten"
Das seien aber nicht die einzigen Fehler gewesen. "Leitende Mitarbeiter haben im Parlament Stellungnahmen abgegeben, ohne wirklich im Besitz aller Fakten zu sein. [...] Ich selbst habe außergerichtliche Einigungen unterzeichnet. Ich weiß jetzt, dass ich zu dieser Zeit bei Weitem kein vollständiges Bild der Vorgänge hatte. Ich bereue das. Es war falsch", erklärte James Murdoch.

Murdoch versicherte weiters, dass die Zusammenarbeit mit der britischen Polizei, die nach Jahren des Wegsehens und mutmaßlichen Vertuschens erst Anfang 2011 eine großflächige Neu-Untersuchung der Causa aufgenommen hat, weitergeführt werde. Parallel dazu habe man eine betriebsinterne Untersuchungskommission einberufen und eine Stelle für Zivilbeschwerden eingerichtet. "Entschuldigen und Wiedergutmachen, das werden wir jetzt tun."

Von der Schließung sind etwa 200 Journalisten betroffen, von denen sich viele schockiert zeigten. "Wir haben das überhaupt nicht erwartet", hieß es in Redaktionskreisen. "Keiner von uns hat etwas Unrechtes getan. Wir haben gedacht, dass wir den Sturm überstehen", sagte ein Journalist der Nachrichtenagentur Reuters.

Verbrechensopfer, Witwen und Anwälte ausgehorcht
Im seit 2006 schwelenden Abhörskandal wurden in den letzten Tagen immer mehr skandalöse Einzelheiten bekannt. Die größte Aufregung verursachte eine Enthüllung der britischen Zeitung "Guardian" mit Bezug auf einen Teenagermord aus dem Jahr 2002. Reporter und Privatdetektive der "News of the World" knackten die Handy-Mobilbox eines 13-jährigen Mädchens kurz nach dessen Verschwinden, hörten Nachrichten ab und löschten einige davon, um Platz für neue zu schaffen. Die Eltern des bis zum Auffinden der Leiche mehr als ein halbes Jahr vermissten Teenagers werteten die gelöschten Nachrichten als Lebenszeichen ihrer Tochter.

Weiters wurde publik, dass die Reporter auch Verbrechensopfer und Angehörige der Opfer der Terroranschläge vom 7. Juli 2005 angezapft haben, sowie Witwen von im Irak-Krieg gefallenen Soldaten. Im Visier der Reporter waren zudem der heutige britische Finanzminister George Osborne und der Anwalt Michael Mansfield, der die Familie von Lady Dianas Liebhaber Dodi al-Fayed in einem Untersuchungsschuss zum Tod des Paares vertreten hatte. Beiden wurde von der Polizei mitgeteilt, ihre Telefonnummern seien im Zuge des Ermittlungsverfahrens aufgetaucht. Zuvor waren bereits Prominente und Schauspieler wie Sienna Miller, Jude Law und Hugh Grant als Opfer der Abhöraffäre genannt worden.

Dass die britische Polizei die Praktiken der Reporter lange Zeit duldete, wurde schon seit Längerem verdächtigt. Als es 2006 zum Prozess kam, wurde nur im Hinblick auf die gehackten Royal-Handys ermittelt. Hinweisen, dass auch andere Personen betroffen waren und das Knacken von Mobilboxen bei NOTW quasi "Redaktionssport" war, gingen die Ermittler bewusst nicht nach. Britischen Berichten zufolge wollten sich die Polizisten ihre guten Kontakte zu den Reportern nicht verderben, die hin und wieder tatsächlich entscheidend zur Klärung von Verbrechen beitrugen. Allerdings gab es im Zuge der jüngsten Enthüllungen auch Indizien, dass sich Polizeibeamte von Reportern der NOTW für Auskünfte bezahlen ließen und gegen Bestechungsgeld Amtsgeheimnisse verrieten.

Einstellung nicht nur Ehrensache: Murdoch blutet Geld
Dass Murdoch die Zeitung nun einstellt, geschieht allerdings nicht nur aus hehren Motiven und zum Wohle des Rufes "seiner" Journalisten - immerhin betreibt er mit der "Times" ja eine der renommiertesten und journalistisch integersten Zeitungen der Welt. Es geht auch um Geld, viel Geld: Die wirtschaftlichen Folgen des Abhörskandals für "News of the World" und die britische Murdoch-Holding "News International" zeichneten sich nämlich am Donnerstag immer deutlicher ab. Mehr und mehr große Firmen zogen ihre Anzeigenbuchungen nicht nur für "News of the World", sondern für auch für andere Murdoch-Publikationen zurück. 

Zudem gefährdet der Skandal einen milliardenschweren Übernahmedeal, den Murdoch seit Monaten vorbereitet und für den die britische Regierung grünes Licht geben muss. Ursprünglich wollte die Regierung in der nächsten Woche darüber entscheiden, ob der Murdoch-Konzern die Senderkette "BSkyB" komplett kaufen darf, was den britischen Medienmarkt erheblich konzentrieren würde. Die "Financial Times" meldete am Donnerstag, dass Kulturminister Jeremy Hunt die politische Entscheidung über die Komplettübernahme nun auf September vertagen will. Bis dahin solle die Wettbewerbsbehörde "eingehend prüfen". Der Kurs der Aktie von "BSkyB" brach seit Wochenbeginn um vier Prozent ein, was einen Wertverlust des Unternehmens von einer halben Milliarde Pfund bedeutet.

Die von Murdoch versprochene Aufarbeitung der Praktiken bei NOTW könnte auch für ihn selbst unangenehm werden. 2002, als Reporter der Zeitung mit ihren Mobilbox-Hacks eine Vermisstensuche sabotierten, war nämlich Rebekah Brooks Chefredakteurin der Zeitung. Heute gilt sie als Vertraute der Familie Murdoch und ist mittlerweile in der Geschäftsführung von "News International". Brooks streitet ab, von den Praktiken gewusst zu haben.

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