Kapitän verhaftet
Schützenhilfe für Israel: Athen stoppt Gaza-Hilfsflotte
Bei der griechischen Küstenwaffe stießen die inständigen Rufe der pro-palästinensischen Aktivisten auf taube Ohren. "Wir sind unbewaffnete Zivilisten", rief eine Frau auf dem US-Hilfsschiff "Audacity of Hope" über Lautsprecher. "Wir wollen doch nur nach Gaza fahren." Doch die Küstenwache blieb unerbittlich. Die "Audacity of Hope" musste in den Hafen von Piräus zurückkehren. Der Kapitän des Schiffes wurde verhaftet.
Am Montag stoppte Griechenland dann noch ein weiteres Schiff mit Kurs auf den abgeriegelten Gazastreifen. Wie einer der Aktivisten berichtete, hatte das kanadische Boot "Tahrir" bereits einen Hafen auf Kreta verlassen, als die Küstenwache die Kontrolle über das Schiff übernahm.
Adam Shapiro, Sprecher von Free Gaza, sagte am Sonntag: "Wir sind schockiert und überrascht darüber, wie weit die griechischen Behörden bereit sind, die Verlegung der Gaza-Blockade in griechische Gerichte und Gewässer zu akzeptieren." Er sprach von einem "nie dagewesenen Schritt der griechischen Regierung".
Offener Brief an Papandreou
Aktivisten der Gaza-Flotte wandten sich in einer Reaktion gegen das griechische Auslaufverbot der Flotte in einem Offenen Brief an Ministerpräsident Giorgos Papandreou. Darin wird er aufgefordert, die Schiffe Richtung Gazastreifen auslaufen zu lassen. Der Brief ist auch von dem Journalisten und Publizisten Leo Gabriel unterzeichnet, der die österreichische Gruppe, die sich an der Gaza-Hilfsflotte beteiligen will, leitet.
Zudem verbreiten Aktivisten eine Textvorlage eines Protestbriefs an die griechische Botschaft in Wien, wie aus einer Aussendung der Organisation "Solidar-Werkstatt" am Sonntag hervorging. In dem Schreiben an den griechischen Botschafter in Österreich, Panayotis Zografos, heißt es, die Entscheidung der griechischen Regierung, die Flotte zu stoppen, "widerspricht nicht nur dem Völkerrecht, sondern macht die Regierung Papandreou zu einem Komplizen bei der Unterdrückung Palästinas durch die israelische Armee. Wir fordern die griechische Regierung daher auf, die Schiffe der Gaza-Flottille sofort ausfahren zu lassen".
Seit einer Woche hatten sich Aktivisten aus zahlreichen Staaten darauf vorbereitet, von verschiedenen Mittelmeerhäfen aus mit einer Flotte Hilfsgüter in den Gazastreifen zu bringen. Die Schiffe und Boote der neuen Gaza-Flotte befinden sich in kleineren Häfen nahe Piräus sowie auf den Inseln Kreta und Korfu. Einige Schiffe sollten auch aus anderen Mittelmeerstaaten, darunter Frankreich und der Türkei, losfahren.
Üble Haftbedingungen für Kapitän?
Der am Sonntag festgenommene US-Kapitän soll am Dienstag vor Gericht erscheinen. Er wird nach Angaben eines Anwalts unter "schockierenden Bedingungen" ohne Bett und Toilette festgehalten, außerdem bekomme er weder Essen noch Wasser. Die Regierung in Athen hatte den Aktivisten am Freitag verboten, von Griechenland aus Richtung Gaza in See zu stechen. Zur Begründung hieß es, Israel habe vor dem Gazastreifen eine Verbotszone für Schiffe verhängt.
"Es tut mir weh. Ich bin traurig und verärgert", sagte eine Passagierin der "Audacity of Hope", Heidi Epstein, dem griechischen Fernsehsender Mega nach der Festnahme des Kapitäns. "Ich möchte nach Gaza fahren", fügte die Holocaust-Überlebende hinzu. Andere Aktivisten hielten Athen eine Verletzung des Seerechts vor. "Wir sind nicht Menschen, die so leicht aufgeben", sagte eine Frau im Fernsehen.
Israel hat im Kampf gegen die neue Gaza-Hilfsflotte überraschend internationale Schützenhilfe erhalten. Auch das sogenannte Nahost-Quartett, dem neben der UNO und der EU auch Russland und die USA angehören, stellte sich am Samstag eindeutig gegen die neue Gaza-Protestaktion.
Aktion kommt nicht richtig in Fahrt
Vor gut einem Jahr konnte die internationale Solidaritätsflotte mit ihrer Reise nach Gaza noch einen großen PR-Erfolg erzielen. Israel stand nach der blutigen Erstürmung der türkischen "Mavi Marmara" mit neun Toten international am Pranger. Doch in diesem Jahr kommt die Aktion nicht so richtig in Fahrt. Mehr als 300 Aktivisten, darunter auch einige aus Österreich, die in verschiedenen Mittelmeerhäfen auf die Abreise warten, haben mit immer neuen bürokratischen Schwierigkeiten und angeblich auch israelischer Sabotage an den Schiffen zu kämpfen. Der Rückzieher der türkisch-islamischen Hilfsorganisation IHH hatte der seit langem geplanten Aktion ohnehin etwas den Wind aus den Segeln genommen.
Doch auch der Rückenwind der internationalen Unterstützung bläst nicht mehr so stark. Das mag damit zusammenhängen, dass durch die Öffnung der ägyptischen Grenze nach dem Sturz Hosni Mubaraks die Blockade des Gazastreifens weiter aufgeweicht wurde. Die Notwendigkeit, die Seeblockade zu durchbrechen, erscheint nicht mehr so dringend. Das Nahost-Quartett hielt die Aktivisten so auch dazu an, Hilfsgüter doch über den Landweg und die "erprobten Kanäle" nach Gaza zu schicken.
Der israelische Verteidigungsminister Ehud Barak sagte am Sonntag, der griechische Einsatz habe der Gaza-Flotte erst einmal "den Stachel genommen". Barak bestätigte, dass Israel seit Wochen mit Griechenland, Zypern, der Türkei und anderen Staaten in intensivem Kontakt stehe, um die Flotte aufzuhalten. Israelische Diplomaten sollen griechische Amtskollegen eindringlich gewarnt haben, dass Athen angesichts der schweren Finanzkrise auf keinen Fall einen neuen blutigen Zwischenfall im Mittelmeer riskieren dürfe.
Annäherung Griechenlands an Israel
Griechenland unterhielt zwar traditionell gute Beziehungen zu den arabischen Staaten und den Palästinensern. Doch 2008 kam es zur Wende und zu einer Annäherung an Israel. Israel suchte angesichts der zunehmenden Abkühlung der Beziehungen mit dem türkischen Bündnispartner einen neuen Verbündeten in der Region und fand ihn in Athen. Griechenland erlaubte der israelischen Luftwaffe wichtige Übungsflüge auf seinem Gebiet. Seitdem haben beide Staaten auch weitreichende Kooperationsverträge abgeschlossen.
Die griechische Unterstützung gewährt Israel eine Art neue Pufferzone im Mittelmeer. Der Sprecher von Free Gaza sagte am Sonntag, man sei daher gegenwärtig gezwungen, die Konfrontation nach Griechenland zu verlegen. Dennoch wollen die Aktivisten nicht aufgeben. "Unsere Schiffe werden nach Gaza segeln", sagte Shapiro. "Es ist noch nicht vorbei."
Autor Mankell unterstützt Gaza-Flotte
Der weltbekannte schwedische Schriftsteller Henning Mankell kritisierte Griechenland und Israel wegen der Blockade der Gaza-Hilfsflottille scharf. Den Israelis sei es gelungen, die illegale Blockade des Gaza-Streifens an die Griechen "outzusourcen", sagte Mankell. Sollte es bei der Behinderung durch die Griechen bleiben, müsse man andere Formen des Protestes gegen die Behandlung der Palästinenser finden, erklärte der Autor, der die Flottille erneut unterstützt.
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