Causa Wirtschaftsbund

Herzlich willkommen im ÖVP-Selbstbedienungsladen!

Vorarlberg
21.04.2022 18:05

Üppige Vergütungen, ein privates Darlehen für den Direktor, ein schickes Dienstauto für seinen pensionierten Vorgänger und eine Buchhaltung, die jeder Beschreibung spottet - Akten aus dem ÖVP-Korruptionsuntersuchungsausschuss stellen dem Gebaren des Vorarlberger Wirtschaftsbundes ein desaströses Zeugnis aus.

Eine Recherchekooperation von „Standard“ und „ORF Vorarlberg“ wurden Akten aus dem aktuellen ÖVP-Korruptionsuntersuchungsausschuss (genauer: ein Untersuchungsbericht des Finanzamtes) zugespielt, welche sich mit Fug und Recht das Prädikat „hochbrisant“ verdienen. Zum einen zeichnen die Unterlagen am Beispiel des Wirtschaftsbundes ein sehr konkretes Bild davon, wie das „System ÖVP“ in Vorarlberg - mutmaßlich - funktioniert, zum anderen sind sie Zeugnis einer zumindest schamlosen und womöglich gar illegalen Selbstbedienungsmentalität.

Ein Überblick: Der Wirtschaftsbund ist nicht nur eine Interessensvertretung, sondern auch ein florierendes Unternehmen. Zur größten Cashcow hat sich über die Jahre das Inseratengeschäft rund um das Wirtschaftsbund-Hausblatt „Vorarlberger Wirtschaft“ gemausert, die Provisionen dafür kamen dem jeweiligen Wirtschaftsbund-Direktor zu. Das Geschäft florierte: Laut „Standard“ und „ORF Vorarlberg“ soll der Wirtschaftsbund dem Finanzamt zufolge allein zwischen 2016 und 2021 rund 4,5 Millionen Euro über Inserate eingenommen haben - angesichts der Auflage ein fast schon rekordverdächtiger Betrag. 

Üppige Gewinne, geringe Steuermoral
Insofern erstaunt es nicht, dass sich der Wirtschaftsbund über satte Gewinne freuen durfte - allein im Jahr 2019 betrug das Positivsaldo 615.000 Euro, insgesamt verfügt die ÖVP-Vorfeldorganisation über Rücklagen in Höhe von rund fünf Millionen Euro. Wenn die Gewinne sprudeln, freut das in der Regel den Finanzminister - im Falle des Wirtschaftsbundes war die Steuermoral aber offenbar nicht sonderlich ausgeprägt: Das Finanzamt geht jedenfalls von einer Steuernachzahlung von bis zu 1,3 Millionen Euro aus. Beim Wirtschaftsbund selbst, der bekanntlich Selbstanzeige erstattet hat, rechnete man bis dato mit einem Betrag von maximal 700.000 Euro.

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Es wird immer offensichtlicher, dass es sich beim Wirtschaftsbund nicht etwa um eine Interessensvertretung von Unternehmen handelt, sondern um einen Selbstbedienungsladen für ÖVP-Funktionäre. Anscheinend diente der Wirtschaftsbund der Landes-ÖVP über Jahre als Partei-Bankomat, bei dem ungeniert in die Kasse gegriffen wurde und sich einzelne Funktionäre offenbar auch persönlich bereichert haben.

Sabine Scheffknecht, Landessprecherin der NEOS

Profiteure dieser ganz besonderen „Kreislaufwirtschaft Vorarlberger Prägung“ gab es viele. Zuvorderst ist die Landes-ÖVP zu nennen, deren Parteikasse durch Geldflüsse vom Wirtschaftsbund üppig gespeist wurde. Für ihre Dienste fürstlich entlohnt wurden aber auch die beiden ehemaligen Wirtschaftsbund-Direktoren Walter Natter und dessen Nachfolger Jürgen Kessler: Nebst den Provisionen aus dem Inseratengeschäft - bei Natter betrugen diese im Untersuchungszeitraum rund 40.000 Euro per anno, Kessler dürfte sogar noch mehr kassiert haben -, gab es noch weitere Zuckerl: So soll Natter laut den Finanzamt-Unterlagen seinen Dienst-BMW auch nach seinem Ausscheiden noch genutzt haben, weiters sei auf seinen Namen ein Kontoausgang in Höhe von 24.000 Euro an ein Versicherungsunternehmen verbucht. Gut geschaut hat der Wirtschaftsbund auch auf Kessler: Dieser hat u. a. ein Darlehen in Höhe von 250.000 Euro für einen privaten (!) Immobilienkauf erhalten - als „Anerkennung für seinen Arbeitseinsatz“

Geld floss auch an Landesräte
Wie aus den „ORF“ und „Standard“ vorliegenden Unterlagen hervorgeht, sind auch der ehemalige Landesrat Karlheinz Rüdisser - also ausgerechnet jener Mann, der jetzt den Scherbenhaufen als Interims-Obmann des Wirtschaftsbundes aufräumen soll - und sein Nachfolger Marco Tittler mit Geldspenden aus dem Wirtschaftsbund-Topf bedacht worden. Bei ersterem waren es in Summe 5000 Euro, letzterer erhielt 1000 Euro. Gegenüber den „VN“ gaben die beiden zu Protokoll, dass es sich dabei um „Verfügungsmittel für Veranstaltungen“ gehandelt habe, für private Zwecke sei „kein Cent“ verwendet worden. Weiters sollen Bargeldzahlungen in Höhe von insgesamt 4500 Euro laut diversen Vermerken an das Rote Kreuz gegangen sein - nur dass man dort von entsprechenden Eingängen nichts weiß, wie eine Nachfrage der „VN“ zu Tage förderte.

Fakt ist, dass sich die Causa Wirtschaftsbund zu einem Politskandal erster Güte ausgewachsen hat. Und in diesem sind noch viele Frage offen. Um nur ein paar wenige zu nennen: Was wusste Landeshauptmann Markus Wallner von den Vorgängen? Wurde seitens der ÖVP Druck auf landeseigene Unternehmen ausgeübt, damit diese in der „Vorarlberger Wirtschaft“ inserieren?

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