Trauer um Fotograf

Zeugen: Hammerl von Gadafi-Truppen erschossen

Österreich
20.05.2011 12:07
Der seit sechs Wochen in Libyen vermisste südafrikanisch-österreichische Fotograf Anton Hammerl ist vermutlich tot. Seine Familie teilte am Freitag mit, Hammerl sei "von Gadafis Truppen an einem äußerst abgelegenen Ort in der libyschen Wüste niedergeschossen" worden. Augenzeugen – zwei der am Vortag freigelassenen Journalisten, die Anfang April wegen illegaler Einreise in das Land festgenommen worden waren – hätten berichtet, dass seine Verletzungen so schwer gewesen seien, "dass er nicht ohne medizinische Betreuung hätte überleben können". Eine Bestätigung für den Tod des 41-Jährigen gibt es aber nicht.

"Worte reichen einfach nicht aus, um das unglaubliche Trauma zu beschreiben, das die Familie Hammerl durchlebt", heißt es in einer Erklärung der Familie, die im Online-Netzwerk Facebook veröffentlicht wurde, weiter. "Von dem Moment weg, als Anton in Libyen verschwunden ist, haben wir unsere Hoffnung in die Versicherung der libyschen Behörden gelegt, dass sie Anton haben. Es ist unglaublich grausam, dass Gadafi-Gefolgsleute von Antons Schicksal von Anfang an wussten und sich entschieden, es zu verheimlichen." Jenen, die für Hammerl gebetet hätten, drückte die Familie ihren Dank aus. Mit "Vielen Dank für eure Liebe und eure Unterstützung" endet die Erklärung.

Seit der wahrscheinliche Tod Hammerls bekannt ist, kondolierten der Familie auf der Facebook-Seite "Free photographer Anton Hammerl" unzählige Menschen und drückten ihr Beileid aus. Auch ein Bekannter Hammerls postete: "Es tut mir so schrecklich leid. Er war ein großartiger Typ. Ich bin froh, dass ich die Möglichkeit hatte, mit Anton zu arbeiten, wenn auch nur kurz. Meine Gedanken und Gebete sind bei dir und den Jungs, Penny, in dieser schrecklichen, unerträglichen Zeit." Mit "Penny" ist Hammerls Ehefrau Penny Sukhraj gemeint.

Sprecherin: "Familie geht vom Tod Antons aus"
Die Sprecherin der in der Nähe von London lebenden Familie, Bronwyn Friedlander, sagte Freitagmittag, dass Hammerls Frau und seine Eltern davon ausgingen, dass der 41-Jährige nicht mehr am Leben sei. Das Szenario, das die diese Woche freigelassenen Journalistenkollegen beschrieben hätten, legt nach ihren Worten den Tod des Fotografen nahe. "Es scheint, dass die Verletzungen, die er erlitten hat, ziemlich ernst waren, und er sofortige medizinische Hilfe gebraucht hätte, und das ist mitten im Nirgendwo passiert", sagte Friedlander dazu. "Nach allen Berichten klingt es so, als würde Anton nicht heimkommen."

Seit Anfang April fehlte jede Spur von Hammerl
Libyen hatte zu Ostern bekannt gegeben, dass sich der seit Anfang April vermisste Fotograf in Haft befinde. Er sei wohlauf und dürfe bald mit seiner Familie telefonieren, hieß es damals. "Fantastische Neuigkeiten, auf die wir alle schon so lange gewartet haben. Dafür sind wir sehr dankbar", sagte Sukhraj daraufhin nach "Krone"-Informationen. Seit Anfang April bereits fehlte von dem in Südafrika geborenen Österreicher jede Spur – niemand wusste, was mit dem mehrfach preisgekrönten Fotografen während seines Einsatzes in Libyen passiert ist. "Die vielen Spekulationen der letzten Tage waren schrecklich", so Sukhraj.

Nun scheint es Gewissheit zu sein, dass die schrecklichsten Befürchtungen bereits damals eingetroffen waren. Die beiden US-amerikanischen Journalisten unter den am Donnerstag Freigelassen, die inzwischen die libysche Grenze nach Tunesien überquert haben und endlich aufatmen konnten, schilderten nach Angaben von Außenministeriumssprecher Peter Launsky-Tieffenthal am Donnerstag der österreichischen Botschafterin, dass in von Gadafi-Truppen gehaltenem Territorium am Rande von Brega auf sie geschossen worden sei. Das letzte Mal, als sie Hammerl gesehen hätten, sei er verletzt zurückgeblieben. Sie selbst seien weggebracht worden und hätten ihm daher nicht helfen können.

"Unsere Gedanken gelten der Familie", sagte Launsky-Tieffenthal Freitag früh. Man werde "nichts unversucht lassen", um Klarheit und Gewissheit über den Verbleib Hammerls zu bekommen. In den Fall seien die Behörden mehrerer Länder eingebunden, darunter auch Österreich, dessen Staatsbürgerschaft der in Südafrika aufgewachsene Hammerl ebenfalls besitzt.

Freigelassene schildern das Drama bei Brega
Gegenüber der "Global Post" sagten James Foley, der für die Zeitung arbeitet, und Clare Gillis, sie beide, Hammerl und der spanische Fotograf Manu Brabo seien am frühen Morgen des 5. April in dem Außenbezirk von Brega angekommen und hätten geplant, die Nacht in einem dort gelegenen Rebellencamp zu verbringen. Doch dann seien Gadafi-Getreue aufgetaucht, die das Feuer auf sie eröffnet hätten. Es sei alles innerhalb von Sekunden geschehen, so Foley und Gillis. "Wir dachten, sie greifen die Rebellen an, doch dann merkten wir, dass sie auf uns schossen." Kugeln seien direkt neben ihnen eingeschlagen.

Sie hätten sich neben der Straße auf den Boden geworfen und gerufen, dass sie Journalisten seien, doch da sei es schon zu spät gewesen. Hammerl sei bereits getroffen gewesen, er selbst, Foley, sei von einem der Männer mit dessen AK-47 niedergeschlagen worden. Dann habe man ihm, Gillis und Brabo Handschellen angelegt und sie in einen Pickup verfrachtet. Von dort habe er den Körper Hammerls gesehen, der im Sand gelegen sei, schilderte Foley. Hammerl habe stark geblutet, ihm sei in den Bauch geschossen worden. Die Männer hätten Hammerl dort zurückgelassen.

Es sei unwahrscheinlich, dass der Verletzte ohne medizinische Hilfe überlebt habe, so Foley. Nach ihrer Freilassung und Ankunft in Tunesien hätten er und Gillis sofort Hammerls Ehefrau über den wahrscheinlichen Tod ihres Mannes informiert, die Familie daraufhin die Erklärung veröffentlicht.

Hammerl war mit Gefahrensituationen vertraut
Laut seiner Frau verfügte Hammerl über viel Erfahrung mit Konflikt- und Gefahrensituationen: Er habe jahrelang über die Townships in Südafrika berichtet, aber beispielsweise auch in Uganda Kindersoldaten fotografiert, erzählte Sukhraj Anfang Mai. Zuletzt hatte sie am 4. April via Skype Kontakt zu ihrem Mann. Er habe ihr dabei erzählt, dass er am nächsten Tag in ein ländliches Gebiet aufbrechen und eventuell dort übernachten werde, schilderte die Mutter von zwei Kindern in ihrer Wohnung nahe London. Seitdem hatte sie nichts mehr von ihm gehört.

Als diese Woche von den Behörden angekündigt wurde, vier Journalisten - darunter Hammerl - würden freigelassen, blieb die Familie skeptisch, denn sie sei nicht von der geplanten Freilassung informiert worden. Die Skepsis war angebracht. Zwar wurden tatsächlich vier Fotografen, darunter Foley, Gillis und Brabo, nach einem Prozess wegen "illegaler Einreise" freigelassen, doch Hammerl war nicht darunter. Der libysche Regierungssprecher Mussa Ibrahim sprach daraufhin von einer "Verwechslung" und sagte schließlich, der Austro-Journalist habe "nicht lokalisiert" werden können (siehe Infobox).

Spindelegger verurteilt Vorgehen gegen Hammerl
Am Freitag hat auch Außenminister und Vizekanzler Michael Spindelegger auf die Berichte reagiert: "Die Nachrichten aus Libyen sind nicht ermutigend. Dennoch werden wir gemeinsam mit den Angehörigen und unseren Partnern alles unternehmen, um der Ungewissheit über das Schicksal des österreichisch-südafrikanischen Journalisten Anton Hammerl auf den Grund zu gehen. In diesen schweren Stunden sind unsere Gedanken vor allem bei der Familie und den Freunden des Fotografen."

Das brutale Vorgehen der Soldaten Gadafis sei "ein erschreckendes Beispiel der Gefahren, denen besonders Journalisten in Konfliktsituationen ausgesetzt sind. Dabei kommt gerade in solchen Situationen der Pressefreiheit besondere Bedeutung zu", betonte Spindelegger. Auch die Vorgangsweise des Gadafi-Regimes, trotz mehrfacher Rückfrage nach dem Schicksal von Hammerl keine hilfreichen Auskünfte gegeben zu haben, wurde vom Minister kritisiert.

Dies hat auch in Südafrika Empörung ausgelöst. Außenministerin Maite Nkoana-Mashabane beschuldigte am Freitag in Johannesburg die libyschen Behörden, die südafrikanische Regierung im Fall Hammerl viele Wochen lang irregeführt zu haben. "Wir sind enttäuscht, dass wir nicht von den libyschen Behörden, sondern nun von Journalisten informiert wurden", so die Ministerin.

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