"Elite der Elite"

Das “Team 6” der Navy Seals: Obamas harte Kerle

Ausland
06.05.2011 21:45
Neben der "Delta Force" bilden sie die zweite geheimnisumwitterte Einheit der US-Streitkräfte: die Elite-Soldaten der Navy Seals, im besonderen das "Team Six" der Navy Seals. Eine 80-köpfige Abordnung dieser "Elite der Elite" tötete in der Nacht auf den 2. Mai 2011 den Al-Kaida-Anführer Osama bin Laden und steht seither im Rampenlicht. Allerdings: Die Einheit hat kein Gesicht, existiert offiziell gar nicht; und ihr Arbeitsalltag entspricht auch nicht unbedingt einem Videospiel, wie sich das viele vorstellen, die "Obamas harte Kerle" nun als Volkshelden feiern wollen.

Wo in Österreich der Ausbildungslehrgang beim Jagdkommando als härteste militärische Prüfung gilt, auf die man sich in der Alpenrepublik einlassen kann, gehen die Soldaten der "Sea, Air, Land"-Einheit der Navy noch ein paar Schritte weiter. Die Ausbildung dauert dort nicht ein paar Monate, sondern Jahre. Allein sechs Monate verbringen die Soldaten, die bei den Seals aufgenommen werden, mit einem "Basic underwater demolition training", dem Präparieren von Landungszonen für amphibische Missionen.

Der Abschluss erfolgt in einer "Hell week" (Höllenwoche), in der die Soldaten insgesamt vier Stunden Schlaf bei gleichzeitiger körperlicher Höchstanstrengung bekommen. Die genauen Anforderungen und Zusatzausbildungen für "Team Six" sind unbekannt, laut Gerüchten gehören Fallschirmsprünge aus 9.000 Metern Höhe und ein spezielles Geiselbefreiungstraining u.a. mit Kreuzfahrtschiffen dazu. Das Motto der Seal-Soldaten lautet übrigens "The Only Easy Day Was Yesterday", in etwa: Der letzte einfache Tag war gestern.

Eine Einheit nach JFKs Vorstellungen
Geschaffen wurden die Anti-Terror-Einheiten auf Anordnung von Präsident John F. Kennedy Anfang der Sechziger. Dieser erkannte im Vietnamkrieg den Bedarf für militärische Kräfte, die sich mit "unconventional warfare", also unkonventioneller Kriegsführung, befassen. Bei der Navy existieren offiziell nur neun Kompanien, Team 1 bis 5 und Team 7 bis 10, die jeweils sechs Züge ("Platoons") umfassen. Die geraden Nummern sind in Kalifornien stationiert, die ungeraden an der Ostküste in Virgina.

"Team Six" wird aktuell als "United States Naval Special Warfare Development" geführt und untersteht der übergeordneten Streitkräfteführung "Joint Special Operations Command". Die Missionen sind streng geheim. Die Truppenstärke ist unbekannt, soll laut Militärexperten aber bei bis zu 400 Mann liegen. In Sachen Einsätze sind nur wenige bestätigte Operationen vorhanden. Beim blutigen Staatsstreich 1983 in Grenada sollen Seal-Teams eine wesentliche Rolle bei der anschließenden US-Invasion des Inselstaates gespielt haben, im Jugoslawien-Krieg machten sie Jagd auf Kriegsverbrecher. Soldaten von "Team Six" sollen auch der Militär-internen Infiltrationseinheit "Red Cell" angehören, die Militärbasen der USA auf ihre Sicherheit überprüft und mit der Beurteilung und Entwicklung von Abwehrmaßnahmen beauftragt wird.

Tarnkappen-Hubschrauber entzückt Militär-Fans
Seit dem Bin-Laden-Einsatz debattieren amerikanische Militärexperten und Army-Fans auf Hochtouren: Noch nie war ein verdeckter Einsatz von "Team Six" dermaßen öffentlich gemacht worden wie in den letzten Tagen. Dass auch noch Fotos von den Spuren der Aktion existieren, wird wie eine Sensation gefeiert. Vor allem die Bilder des zerstörten Helikopters, von dem aus sich eine Gruppe von zwei Dutzend der Soldaten für die eigentliche Erstürmung des Bin-Laden-Verstecks abgeseilt hatte - der Rest des 80-köpfigen Kommandos wartete in weiteren Hubschraubern in der Nähe bzw. überwachte den Einsatz mit speziellen Wärmebild-Kameras -, bringen Rüstungsexperten ins Schwärmen.

Auf den Bildern ist der Heckrotor eines bisher unbekannten Hubschrauber-Modells zu sehen. Es dürfte sich um einen zum "Tarnkappen-Heli" umgebauten Hubschrauber vom Typ "Black Hawk" handeln, das Standard-Transport-Gerät der Seals. Die modifizierte, mattschwarze Verkleidung des in Pakistan zurückgelassenen Helikopters weise wie die "Stealth-Bomber" der Air Force Radarstrahlen ab, der Heckrotor sei mit sechs statt vier Rotorblättern und einer völlig neuartigen Trägerscheibe für den Heckrotor geräuschgedämmt, wobei die Konstruktion zusätzlich die Erkennung per Radar erschweren dürfte.

Jedenfalls ist für die Militärbeobachter damit belegt, dass das streng geheime "Team Six" in Sachen Ausrüstung über ein extravagantes Arsenal an Waffen und Gerät verfügen müsse. Der in Afghanistan gestartete Tarnkappen-Helikopter stürzte aber bei der Mission ab, laut einem neuen Bericht der "New York Times" allerdings aufgrund von Luftverwirbelungen, nicht wegen eines technischen Gebrechens. Bei der absichtlichen Zerstörung des durch die harte Landung auf einer Mauer des Bin-Laden-Anwesens beschädigten Fluggeräts waren die Seals dann nicht erfolgreich, wie die Bilder der Überreste beweisen. Die größten Wrackteile des Helikopters wurden am Morgen nach dem Einsatz mit einem Traktor aus der Nachbarschaft abtransportiert und befinden sich nun in pakistanischen Händen.

Hund als Begleiter bei Bin-Laden-Einsatz
Als zweite Überraschung gewertet wird die Tatsache, dass die Soldaten bei der Operation mindestens einen Hund dabei hatten. Laut US-Berichten hat sich die Zahl der eingesetzten Hunde in den Kriegsgebieten im Irak und Afghanistan - der Irak "gehört" in Sachen Elite-Einheiten der Delta Force, Afghanistan den Seals - in den letzten Jahren vervielfacht. Die Tiere erwiesen sich als effektiv im Aufspüren von Sprengstoff, heißt es. Bevorzugt werden die Rassen Belgischer Malinois und Deutscher Schäferhund eingesetzt.

Bei dem Einsatz im Bin-Laden-Versteck könnte der mitgeführte Hund möglicherweise dafür eingesetzt worden sein, um die von einer Hälfte des Seal-Teams nach draußen geführten unbewaffneten Bewohner des Hauses gewaltlos in Schach zu halten. Bei der zeitgleichen Erstürmung des Gebäudes durch die zweite Hälfte der abgeseilten Gruppe könnte der speziell abgerichtete Hund dazu benützt worden sein, Sprengfallen hinter Türen zu erschnuppern.

"Wenn wir schießen, muss es ganz schön brenzlig sein"
Als Hundeführer und Bruchpiloten sind die Seals aber nun eher nicht bekannt. Das Bild vom schießwütigen Rambo und der eiskalten Killermaschine, das Videospiele und Hollywood-Filme von den Elite-Einheiten der US-Streitkräfte vermitteln, entspreche aber auch nicht der Wahrheit, sagen Ex-Mitglieder der Seals, wie zum Beispiel Lalo Roberti. "Wenn wir einmal einen Schuss abgeben, muss es schon ganz schön brenzlig geworden sein", meint er in der "New York Times" in Bezug auf den Bin-Laden-Einsatz, wo der unbewaffnete Al-Kaida-Anführer mit einem "Double Tap", zwei nacheinander abgegebenen Schüssen in Brust und Kopf, getötet wurde.

Der 49-jährige Ex-Seal Don Shipley, der jetzt ein Freizeit-Trainingscamp in den USA leitet, verteidigt seine Kollegen, was die Tötung des Terrorpaten betrifft. "Es ist dunkel, Schüsse sind gefallen, du hast den Auftrag, Bin Laden tot oder lebendig zu fassen; wer weiß denn schon, was er unter seiner Kleidung versteckt hat?", meint Shipley zur "NY-Times". Im Einsatz passiere alles in Sekundenbruchteilen. "Dein Ziel steht vor dir und du weißt, dass schon der zweite Versuch Leben kosten wird."

Außerdem seien Seal-Teams bei derartigen Einsätzen keine reinen Attentatskommanden, sagen die Ex-Soldaten, sondern hätten auch einen Informationsbeschaffungsauftrag, der mindestens so wichtig sei wie die Zielperson, meint Shipley unter Verweis auf die im Bin-Laden-Versteck sichergestellten Datenträger und Computer, von denen sich die USA große Fortschritte im "Krieg gegen den Terror" versprechen. Bei einer Mission der Seals gebe es nur zwei mögliche Ausgänge, sagt Shipley: "hero" oder "zero".

"Ziemlich arrogant und eingebildet"
Dass die Elite-Soldaten im Alltag umgängliche Gesellen seien, will jedoch keiner ihrer ehemaligen Mitglieder behaupten. "Ich würde sagen, sie sind alle ziemlich arrogant und eingebildet", sagt der republikanische State-Senator Ryan Zinke, eines der wenigen öffentlich bekannten Ex-Mitglieder von "Team Six". Dass es sich bei den Soldaten um keine hirnlosen Draufgänger handeln könne, erklärt er mit dem Verweis auf dasSeals niemanden unter 30. "Wir nannten uns immer 'Club der alten Männer'", erzählt Zinke.

Eric Greitens, ein ehemaliger Seal, der über seine Erfahrungen im Einsatz das Buch "The Heart and the Fist" (Das Herz und die Faust) schrieb, sieht die Elite-Einheit in der Öffentlichkeit grundlegend falsch dargestellt. Es seien "kreative" Leute, die bei einem Einsatz verschiedenste Perspektiven im Blick haben können, eine Mischung aus Anti-Terror-Kämpfer und scharfsinnigem Ermittler.

Beförderung und Händedruck vom Präsidenten
Die Namen der an der Aktion gegen Bin Laden beteiligten Soldaten sind öffentlich nicht bekannt. Und es sei "unwahrscheinlich, dass die Namen der Männer des höchst spezialisierten Teams Six jemals bekannt werden", schreibt die "Washington Post" - obwohl einige US-Medien sicher vieles daran setzen werden, den Namen oder sogar ein Foto von "dem Mann, der Osama eine Kugel in den Kopf jagte", zu bekommen. Eine Militärparade am Ground Zero vorbei, wie sie von einigen Vertretern der amerikanischen Politik in den letzten Tagen gefordert wurde, wird es für die Seals freilich auch nicht geben.

Aber zumindest ein Treffen mit US-Präsident Barack Obama am Army-Stützpunkt in Fort Campbell, Kentucky, stand am Freitag am Programm. Er wolle den Mitgliedern der Sondertruppe persönlich seinen Dank aussprechen, so das Weiße Haus. US-Medien munkeln, finanzielle Belohnungen für die Team-Mitglieder seien wahrscheinlich. Immerhin waren 25 Millionen Dollar für die Ergreifung Bin Ladens ausgesetzt. Für die Kommandanten stehen in nächster Zeit Beförderungen an. Vizeadmiral William McRaven, ein ehemaliger Seal, der den Bin-Laden-Einsatz "Operation Neptune's Spear" als Chief Joint Special Operations geplant und kommandiert hat, wird nun Admiral und Chef des gesamten "US Special Operations Command".

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