Die einst jüngste Abgeordnete im Parlament ist jetzt Staatssekretärin für Jugend. Mit Conny Bischofberger spricht Claudia Plakolm (27) über Sebastian Kurz, geile Politik, Cannabis und eine blaue Posaune.
„Herzlich willkommen im neuen Büro“, sagt Claudia Plakolm, und ihrem Strahlen sieht man an, dass sie es selber noch kaum glauben kann, jetzt in der Amalienburg zu residieren. „Vom Tisch, an dem wir sitzen, sehe ich hinüber zur Hofburg. Als ich gestern Abend heimgegangen bin, hat im Maria-Theresien-Zimmer noch Licht gebrannt.“ Der Christbaum stammt von oberösterreichischen Jungbauern, am Adventkranz leuchten drei Kerzen. Die neue Jugend-Staatssekretärin der Regierung Nehammer I trägt Jeans, dazu ein weißes T-Shirt und ein rotbraunes Jersey-Sakko.
An der Wand hinter ihrem Schreibtisch hat sie Privatfotos aufgehängt. „Da fühlt man sich gleich zu Hause“, lacht sie. Bilder von Bergtouren, von Feuerwehr- und Musikfesten, von ihrer Familie. Was hat es mit der blauen Posaune, die in der Ecke neben einer Pistazienpflanze steht, auf sich? „Eine Festivalposaune“, erklärt Plakolm, „ich habe sie zum 25. Geburtstag geschenkt bekommen. Ihr nächster Einsatz wird das Woodstock der Blasmusik im Innviertel sein.“ Das jüngste Regierungsmitglied spricht Mühlviertler Dialekt, und das in einem Tempo wie die Gilmore-Girls, eine ihrer Lieblingsserien.
„Krone“: Sie sind eine der wenigen Frauen, die mit 27 von sich behaupten können, dass sie schon elf Jahre in der Politik sind. War das Teil Ihrer Karriereplanung?
Claudia Plakolm: In der Politik ist es schwer, Karrieren zu planen. Man lebt gewissermaßen von einer Wahl zur nächsten. Angefangen hat es mit der Schülervertretung. Richtung Matura haben meine Fehlstunden dann massiv zugenommen, mir hat das schon damals irrsinnige Freude bereitet. Mein Vater ist nebenbei Bürgermeister und so war Politik bei uns zu Hause immer ein wichtiger Faktor.
Konservative Politik. Wie jung ist diese Politik?
Zuletzt haben sehr, sehr viele junge Politikerinnen und Politiker - auch parteiübergreifend - die große Chance bekommen, in der Politik mitzumischen. Ich war Nationalratsabgeordnete während der Koalition der ÖVP mit der FPÖ und nun mit den Grünen - die letzten vier Jahre als Jugendsprecherin, da durfte ich die jeweiligen Regierungsprogramme mitverhandeln. Einiges haben wir bereits umgesetzt, und das trotz Corona. Die wichtigste Errungenschaft aus meiner Sicht ist die Erhöhung der Zuverdienstgrenze für alle Studierenden. Sie garantiert, dass jene, die neben ihrem Studium auch arbeiten, die Familienbeihilfe nicht verlieren.
Wann kam der Anruf des Kanzlers?
Nach der „ZiB 2“ am letzten Donnerstag. Mein Bruder hat gerade für eine Uni-Prüfung gelernt, ich war im Homeoffice und wir hatten uns gerade Pizza bestellt. Ehrlicherweise musste ich auch nicht lange überlegen, denn es ist eine riesengroße Chance, dass der Jugend in Österreich mit einem eigenen Staatssekretariat ein so großer Stellenwert eingeräumt wird. Ich habe noch kurz mit meinem engsten Umfeld Kontakt aufgenommen, beruflich wie privat. Da gab es keinerlei Bedenken, nur Rückhalt und Zuspruch.
Ist es schon real für Sie, dass Sie jetzt Regierungsmitglied sind?
Langsam, ja. Dabei habe ich mir vor einer Woche noch Gedanken darüber gemacht, wie ich den Silversterabend verbringe. Ob wir da wieder im Lockdown sind oder ob sich doch ein paar Leute treffen und wir feiern dürfen. Stunden später sieht die Welt schon ganz anders aus.
Ist Ihnen bewusst, wie schnelllebig und brutal dieses Geschäft sein kann?
Natürlich. Dennoch muss man immer diese große Vision vor Augen haben, was man politisch bewegen will. Deshalb ist es mein Ziel, so lange politisch aktiv zu sein, solange es mir erstens Freude macht und solange ich zweitens auch etwas gestalten kann.
Sechs Kanzler in vier Jahren - spricht das für die ÖVP?
Vor allem spricht für die ÖVP, dass wir großartige Verantwortungsträger haben und auch in Krisenzeiten für Stabilität sorgen.
Aber so viele Wechsel an der Spitze sprechen doch nicht für Stabilität.
Doch, das hat sogar Vizekanzler Werner Kogler betont. Trotz der schwierigen Situation haben alle die Verantwortung wahrgenommen und gut im Interesse des Landes zusammengearbeitet.
Die engsten Kurz-Mitarbeiter sind mehr oder weniger verschwunden. Nehammer hat in seinen ersten Reden den Namen Sebastian Kurz nicht erwähnt. Distanzieren sich gerade alle vom einstigen Wahlsieger der ÖVP?
Nein, ganz im Gegenteil. Wir sind Sebastian Kurz irrsinnig dankbar für die Arbeit, die er in den letzten Jahren geleistet hat. Letztlich wird man ihn an seinen Taten messen. An all den Meilensteinen, die er umgesetzt hat. (Zählt vom Familienbonus bis zur ökosozialen Steuerreform Punkte aus dem Regierungsprogramm auf.) Ich bin überzeugt davon, dass die Koalition zwischen ÖVP und den Grünen eine Koalition für die Zukunft ist, weil sie genau jene Themen, die die Jugend braucht, anspricht.
Tut es Ihnen leid, dass Sebastian Kurz nicht mehr da ist?
Ich kann seine Gründe, warum er sich aus der Politik zurückgezogen hat, absolut nachvollziehen.
Können Sie nachvollziehen, dass er sich, nach eigenen Worten, gejagt gefühlt hat?
Ja, die mediale Vorverurteilung macht es nachvollziehbar. Ich verstehe nicht, warum die Unschuldsvermutung immer nur für einen Teil der Politikerinnen und Politiker gilt. Immerhin gibt es bis heute noch nicht einmal eine Anklage.
Sie sind als Obfrau der Jungen ÖVP gewissermaßen seine Nachfolgerin. Sind Sie der weibliche Kurz?
(Lacht.) Nein, ich bin die Claudia Plakolm. Am Ende des Tages soll man nicht in die Fußstapfen anderer treten, sondern seinen eigenen Weg gehen. Und dabei Spuren hinterlassen.
Sebastian Kurz hat gesagt: „Schwarz macht geile Politik. Schwarz macht geile Partys. Schwarz macht Wien geil.“ Ist Politik geil?
Dieser Spruch stammt aus einer Zeit, in der ich selbst noch nicht bundesweit politisch tätig war. Deshalb liegt das nicht in meiner Beurteilungskraft. Ich bin auch nie im Geilomobil mitgefahren. (Lacht.)
Für welche Jugendlichen werden Sie sich einsetzen?
Junge Menschen sind für mich per Definition 14- bis 30-Jährige, in etwa. Das heißt, jeder fünfte Mensch, der in Österreich lebt, ist ein junger Mensch.
Vertreten Sie auch jene, die mit Transparenten auf die Straße gegangen sind, auf denen „Kurz muss weg!“ stand?
Ich möchte Pacemakerin der Bundesregierung für junge Themen sein, also ja. Corona hat uns alle geprägt, aber die Jugendlichen in ganz besonderer Weise. Distance Learning, das Fehlen sozialer Kontakte, das sind schwere Einschränkungen. Die jungen Leute mussten auf so vieles verzichten, was vorher selbstverständlich war. Sie brauchen wieder eine Zukunftsperspektive.
In der Lobau sitzen viele Jugendliche, um gegen den Tunnel zu demonstrieren. Haben Sie Verständnis für diese jungen Menschen?
Klimaschutz ist ein ganz wichtiges Thema, für das sich viele Jugendliche engagieren, diesem Thema werde ich mich auch verstärkt annehmen. Deshalb habe ich alle Jugendorganisationen durchtelefoniert und die Vertreterinnen und Vertreter von „Fridays for Future“ und des Klimaschutzvolksbegehrens angerufen und werde sie an einen Tisch holen.
Da sind Sie mir jetzt ausgewichen.
Das schauen wir uns an. Ich bin erst wenige Tage im Amt und werde bestimmt noch sehr viele junge Menschen kontaktieren.
Was hat sich denn konkret geändert, seit Sie Staatssekretärin sind? Haben Sie einen Chauffeur?
Ich habe mir das Klimaticket noch am 26. Oktober gekauft und fahre sehr viel Zug. Aber ja, ich habe auch einen Chauffeur.
Haben Sie je demonstriert?
Nein, demonstriert habe ich nie. Ich sitze lieber am Verhandlungstisch.
Was war das Verrückteste, das Sie je gemacht haben?
Das war letztes Jahr im Mai. Da bin ich 70 Kilometer zu Fuß von Salzburg nach Oberösterreich zu Fuß gegangen. Bei dem Spendenmarsch haben wir für Obdachlose gesammelt.
Je Cannabis geraucht?
Nein.
Ich frage das darum, weil die Ampelkoalition in Deutschland bekannt gegeben hat, dass Cannabis freigegeben werden soll. Könnten Sie sich das auch für Österreich vorstellen?
Das ist aktuell absolut kein Thema. Wir haben drängendere Herausforderungen.
Auch wenn es die meistkonsumierte illegale Droge in Österreich ist?
Das ist kein Grund, sie zu legalisieren. Davon steht ja auch nichts im Regierungsprogramm. Meine Antwort ist deshalb eindeutig. Nein!
Haben Sie eigentlich vor, Ihren Dialekt abzulegen?
Auf keinen Fall. Jeder soll hören, dass die Staatssekretärin für Jugend aus Oberösterreich kommt. Ich möchte echte, authentische Politik machen. Dazu gehört auch, sich nicht zu verstellen.
WG MIT DEM KLEINEN BRUDER
Geboren am 10. Dezember 1994 in Walding, Oberösterreich. Zwei ältere Schwestern, ein jüngerer Bruder. Ihre Eltern sind Landwirte, der Vater ist auch Bürgermeister. Nach dem Gymnasium bei den Kreuzschwestern in Linz, wo sie Schul- und später auch Landesschulsprecherin war, beginnt Plakolm ein Wirtschaftspädagogik-Studium. 2017 zieht sie als jüngste weibliche Nationalratsabgeordnete ins Parlament ein. 2021 wird sie Bundesobfrau der Jungen ÖVP. Plakolm lebt mit ihrem jüngeren Bruder in einer WG in Wien.
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