„Wut und Verzweiflung“

Dr. Roßmanith: Warum auch Polizisten töten

Österreich
21.10.2021 18:15

Die Sachverständige Dr. Sigrun Roßmanith über Hände als Tatwerkzeuge und warum auch Polizisten töten.

„Krone“: Frau Roßmanith, Sie haben als erfahrene und gerichtlich zertifizierte Sachverständige schon viele verurteilte Mörder aus dem Blickwinkel der Psychiatrie und Neurologie begutachtet. Beim aktuellen Frauenmord soll der Täter ein Polizist gewesen sein. Wir haben in Österreich an Ordnungshüter in Uniform eigentlich andere moralische Ansprüche. Warum töten Polizisten?
Sigrun Roßmanith: Polizisten sind auch nur Menschen. Das Erwürgen, wie es in diesem Fall gewesen sein soll, spricht meiner Meinung nach für eine klassische Beziehungstat. Generell sind bei solchen Arten der Tötungsdelikte rund 90 Prozent der Täter Männer und die Opfer Frauen. Doch auch Frauen können in die Täterrolle schlüpfen mit dem Erwürgen.

Wann ist das der Fall?
Bei Neugeborenen-Tötungen zum Beispiel sind Frauen primär in der Rolle der Täterin. Da geht es um das „Loswerden-Wollen“.

Was bedeutet es, wenn eine Tötung mit bloßen Händen geschieht?
Die Hände als Tatwerkzeug kommen dann zum Einsatz, wenn eine Nahbeziehung zwischen Täter und Opfer vorhanden ist. Die Motive sind bei solchen Beziehungstaten meist Eifersucht, Streit oder Trennung. In seltenen Fällen kommen Hände als Tatwerkzeug auch bei Raub und Sexualdelikten vor.

Und in diesem Fall?
Es sieht, aus der Ferne betrachtet, nach einer Kombination von ohnmächtiger Wut und Verzweiflung aus.

Beim Erwürgen schaut der Täter seinem Opfer oftmals in die Augen. Ist das nicht wirklich die höchste Stufe der Brutalität?
Das In-die-Augen-Schauen ist immer eine frontale Konfrontation. Über das Auge baut man auch Kontrolle auf.

Erschüttern Tötungsdelikte durch die Hand eines Polizisten das grundsätzliche Vertrauen der Bevölkerung in unsere Ordnungshüter?
Nein, das sehe ich überhaupt nicht so. Polizisten sind keine Übermenschen. Viele Menschen haben da vielleicht eine verkehrte Moralvorstellung. Aber, so wird angenommen, die Beamten sollten gelernt haben, im Umgang mit anderen Menschen ihre Emotionen im Zaum halten zu können.

Wenn das Böse Uniform trägt

Bluttaten wie die jüngste in Deutsch-Brodersdorf sorgen zwar insgesamt für Schaudern, wenn es sich beim Täter noch dazu um einen Polizisten handelt, wird es noch heikler. Und naturgemäß ist es nicht das erste Mal, dass das Böse Uniform trägt - der letzte Fall liegt noch gar nicht so lange zurück und weckt Erinnerungen: In der ersten Oktoberwoche 2016 erschoss ein Wiener Polizist seine schwangere Lebensgefährtin und erwürgte einen Tag später seinen erst 20 Monate alten Sohn. Der Tragödie lag damals ebenfalls Eifersucht zugrunde. Weil Daniel L. das Verhalten seiner Freundin zuwider war, fasste er den teuflischen Entschluss, sie aus dem Weg zu räumen. Dafür musste seine Dienstwaffe herhalten - Kopfschuss! Den kleinen Sohn tötete er mit bloßen Händen, nachdem er ihm Frühstück zubereitet hatte. Von einem Geschworenengericht wurde der damals 23-Jährige zu lebenslanger Haft verurteilt.

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