Texta sind zurück: Die Linzer Hip-Hop-Institution legte fünf Jahre nach ihrem letzten Studioalbum unlängst die Platte „Mehr oder weniger“ vor. Eine besondere Angelegenheit, ist es doch die erste Veröffentlichung seit dem Ableben von Gründungsmitglied Harald „Huckey“ Renner 2018. „Letztendlich ist er auch schuld, dass wir weitergemacht haben“, so Daniel „DJ Dan“ Reisinger. „Er hätte sicher gesagt: Seid ihr deppert, was soll die Frage? Natürlich macht ihr weiter!“
Seit bald 30 Jahren gehören Texta zum heimischen Musikkosmos und sind aus diesem nicht mehr wegzudenken. Dass da jemand die Band per E-Mail auflöst, wie im Albumopener „Ka hoibe Soch“ angerissen wird, mag man kaum glauben. „Eigentlich habe ich damals geschrieben: Für mich ist es voll okay, wenn ihr zu zweit weitermacht“, erläuterte Dan die Textstelle von Bandkollege Klaus „Laima“ Laimer. „Wir haben ja fast alles erreicht, haben sehr viel erlebt. Also habe ich das einfach in den Raum gestellt.“
Digitale Tücken
Doch Laima wollte das keineswegs so hinnehmen. „Ich habe mir an dem Tag dann einen ziemlichen Damenspitz umgehängt“, sagte er im APA-Interview. Nach mehreren, dann nicht illuminierten Gesprächen, sei aber klar geworden: Texta bleiben bestehen, nun eben als Trio mit DJ Dan, Laima und Produzent sowie Rapper Philipp „Flip“ Kroll. „Die digitale Kommunikation hat ja oft ihre Tücken“, rekapitulierte Flip die ganze Angelegenheit. „Da ist es ja teils schwer, was man zwischen den Zeilen lesen kann und was nicht.“
Fakt war jedenfalls: Nach zwei Gigs Ende 2019 in Wien und Linz haben die drei Musiker gemerkt, dass die Freude am Tun noch da ist. Das Album habe sich danach ganz natürlich entwickelt. „Es war sehr frei von der Leber weg“, nickte Laima. „Wem müssen wir schließlich etwas beweisen? Exakt niemandem!“ Man habe sich dann jeden Donnerstag getroffen und an den Tracks gearbeitet. Ein paar schnelle Nummern für die Streamingdienste waren dabei nie Thema. „Die Langlebigkeit erzielst du ja letztlich eher mit einem Oeuvre, das war uns schon immer wichtig“, unterstrich Flip.
Mit der Zeit gehen
Und in dieses, seit der Debüt-EP „Geschmeidig“ (1995) stetig wachsende Oeuvre fügt sich „Mehr oder weniger“ auch nahtlos ein. Die 14 neuen Tracks bieten verschiedenste Themen, sind mal gesellschaftskritisch, dann wieder selbstreflektierend und gerne mit einem guten Schmäh ausgestattet. Musikalisch setzen Texta auf Kontinuität, also einen von den 1990ern geprägten Hip-Hop, der sich neuen Trends keineswegs verschließt, sich diesen aber auch nicht anbiedert. Wehleidigkeit angesichts neuer Entwicklungen lehne man ab, meinte Flip. „Hip-Hop ist anders geworden. Die Zeiten damals waren total wichtig, lassen sich aber auch nicht beliebig fortsetzen. Also kann ich mit gutem Beispiel vorangehen, oder es bleiben lassen. Aber mit dem Zeigefinger argumentieren, das geht gar nicht.“
In Sachen Energie können Texta jedenfalls locker mit jungen Kollegen mithalten. „Unsere alten Sachen sind ja bei Gott nicht perfekt. Aber sie haben immer Energie gehabt. Wir waren jung und hungrig“, erinnerte sich Flip. „Und genau das wollte ich wieder kanalisieren.“ Das hat sich etwa in Liveaufnahmen ausgedrückt, bei denen das Mikrofon gewissermaßen von Hand zu Hand ging. „Wir wollten die Nummern einfach nicht zu Tode denken, produzieren und perfektionieren.“
Neuer Lifestyle
Dabei schaut der Arbeitsablauf als Familienvater natürlich anders aus als für einen jungen Hip-Hop-Head. „Früher waren wir nur bekifft im Studio am Abend, jetzt haben wir uns am Vormittag getroffen, und Kaffee war das Suchtmittel“, schmunzelte Flip. Der Lifestyle, er sei eben ein anderer. „Zwei Stunden kreativ sein und dann nach Hause kochen?“, formulierte es Laima überspitzt. „Kann eine Gefahr sein. Aber letztlich funktioniert es schon.“ Rap sei ja ein Handwerk. „Wir waren auch nicht die Supertalente, aber wir haben es gelernt!“
Recht deutliche Worte findet das Trio wiederum für Abläufe in der Musikindustrie. „Rap soll Spaß machen, das muss im Vordergrund stehen und nicht die Vermarktung“, so Flip über an Spotify und Co angepasste Nummern. „Jetzt muss alles ja auch TikTok-tauglich sein. Ganz ehrlich: Dann studier doch Marketing auf der WU und verkauf Zahnbürsten! Ich finde das so lahm. Aber alle unterwerfen sich diesem Druck. Die Industrie ist dann immer wieder ganz erstaunt, wenn jemand mit einem anderen, eigenen Schmäh daherkommt und durch die Decke stößt.“ Nachsatz: „Alte Schlachtrösser wie uns kannst du jedenfalls nicht redesignen und als den neuen Hot-Shit verkaufen.“
Skero mit an Bord
Ein kleines Comeback versteckt sich auf „Mehr oder weniger“ übrigens auch: „Ein besserer Ort“ versammelt neben Huckey auch Urmitglied Martin Schlager alias Skero. „Die Nummer war eigentlich für das Album ‘Nichts dagegen, aber...‘ gedacht, wobei Huckey eines seiner trojanischen Pferde bauen wollte, das - gefühlt - in den Mainstream hineinreichen sollte“, erzählte Flip. „Er wollte für den Refrain Conchita Wurst, die auch mitgemacht hätte.“ Das Management der Song-Contest-Siegerin habe dem letztlich einen Riegel vorgeschoben. „Der Song hat uns aber so getaugt, auch was die Message betrifft, das wir jetzt Skero dafür gefragt haben.“ Herausgekommen ist also der wahrscheinlich letzte Texta-Song in Originalformation.
Bleibt noch die Frage, was bis zum 30-Jahre-Jubiläum von Texta in zwei Jahren ansteht? DJ Dan würde es reizen, den runden Geburtstag im Österreichischen Kulturforum in New York zu begehen. „Im Endeffekt geht es wohl darum, etwas Neues zu erleben“, meinte er. Flip ergänzte wiederum: „Früher hast du dir als Band natürlich Benchmarks gesetzt. Das gibt es mittlerweile nicht mehr wirklich. Es ist cool, wenn es gut funktioniert, aber wir sind nicht davon abhängig. Ich bin jedenfalls stolz darauf, dass wir als einer der letzten Acts der frühen 90er noch da sind. Da gibt es gar nicht so viele.“ Überlegt kurz, und schiebt lachend nach: „Bald sind wir die nächsten Fendrichs und Ambrosse.“
Livegigs in Österreich
Texta präsentieren das neue Album und ihre Hits auch noch ein paar mal live in Österreich. Am 16. Oktober sind sie im Salzburger Rockhouse zu Gast, am 29. Oktober im WUK Wien und am 30. Oktober im Linzer Posthof. Weitere Infos und Karten gibt es unter www.texta.at.
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