Ach, übrigens...

Lukaschenkos Währung

Vorarlberg
09.08.2021 17:55

„Krone Vorarlberg“-Kolumnist Harald Petermichl hat in seiner neuesten Ausgabe von „Ach, übrigens...“ eine klare Meinung zum Medienrummel um den Fall Timanowskaja: „Würde man all den geflohenen Menschen, die derzeit auf Rettungsschiffen festsitzen, weil Italien und Malta mal wieder ihre Häfen dichtgemacht haben, ähnliche mediale Aufmerksamkeit zukommen lassen, und wie im Fall Timanowskaja ganz selbstverständlich akzeptieren, dass Menschen immer gute Gründe dafür haben, wenn sie sich zur Flucht entschließen, wäre schon viel gewonnen.“ 

Ein Segen, dass es in Belarus vor fünf Jahren eine Währungsreform gab, die den alten Belarus-Rubel (BYR) im Verhältnis 1:10.000 durch den neuen (BYN) ersetzt hat. Denn abgesehen vom Bedarf an monströsen Geldbörsen, weil man für den Erwerb von 100 Euro fast drei Millionen BYR hinblättern musste, was ganz schön dauern kann, ist man jetzt mit nur noch knapp 300 BYN dabei oder, falls man in Tokio dem Verzehr eines Schnitzels mit Kartoffeln und Krautsalat (es gäbe allerdings auch einheimische Gerichte), nähertreten will, mit 118 BYN, was gut 5.000 Yen (JPY) entspricht. Erstmals wurden bei dieser Reform auch Münzen eingeführt, die der Sprinterin Kristina Timanowskaja beim Versuch, am Flughafen von Tokio die japanische Polizei anzurufen, um sich dem Kidnapping durch wildgewordene belarussische Funktionäre zu entgehen, allerdings herzlich wenig genutzt hätten, da Nippon-Telefonzellen ihnen unbekannte Münzen umgehend humorlos ausspucken.

Der Kontakt mit der Airport Police konnte offenbar auch so hergestellt werden und darüber, dass die üble Geschichte für Timanowskaja zumindest für den Moment halbwegs glimpflich ausgegangen zu sein scheint, weil sie in Polen (40 BYN = 61 Zloty) humanitäres Bleiberecht genießt, wurde ausführlich berichtet. Ob der Grund für die krimireife Retourkutschiererei der Herren Funktionäre darin zu sehen ist, dass das IOC den belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko von allen olympischen Aktivitäten einschließlich der Spiele von Tokio ausgeschlossen hat und zudem nicht anerkennt, dass dieser seinen Sohn Viktor feudalistisch-erbfolgemäßig zu seinem Nachfolger als nationaler OK-Chef ernannt hat, wissen wir nicht, aber das IOC hat immerhin Untersuchungen angekündigt, die allerdings, so Sprecher Mark Adams, Zeit brauchen werden, weil man noch eine schriftliche Stellungnahme aus Belarus abwarten müsse.

Und weil man sich, einer mongolischen Tradition folgend, am Ende von Olympischen Spielen immer was wünschen darf: Würde man all den Menschen, die demnächst nach Afghanistan abgeschoben werden sollen, und würde man all den geflohenen Menschen, die derzeit auf Rettungsschiffen festsitzen, weil Italien und Malta mal wieder ihre Häfen dichtgemacht haben, ähnliche mediale Aufmerksamkeit zukommen lassen, und wie im Fall Timanowskaja ganz selbstverständlich akzeptieren, dass Menschen immer gute Gründe dafür haben, wenn sie sich zur Flucht entschließen, wäre schon viel gewonnen. Leider recht unwahrscheinlich, aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

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