"Schleunigst" abschaffen müsse man die Hackler- und Schwerarbeiterregelung sowie potenzielle Invaliditätspensionisten "aktivieren", forderten IHS-Chef Bernhard Felderer und sein Kollege Ulrich Schuh am Donnerstag.
Das reale Pensionsantrittsalter müsse angehoben werden, für sinnvoll halten sie es auch, das niedrigere gesetzliche Frauenpensionsalter von derzeit 60 Jahren schon vor 2033 anzuheben. Die Abschläge bei der Korridorpension sollten erhöht werden. Und insgesamt müsse das Pensionssystem einfacher und transparenter werden.
2050 fast 15 Prozent des BIP
Das IHS erstellt gemeinsam mit dem WIFO die Prognosen für die Pensionskommission. Die im November vorgelegten Berechnungen - die einen massiven Anstieg der staatlichen Ausgaben auswiesen - wurden aber von Teilen der Kommission und vom Sozialministerium bezweifelt, weshalb die Kommission ihre Empfehlungen auf das heurige Frühjahr verschoben hat. Nun haben IHS und WIFO neuerlich gerechnet. Am Resultat habe sich nichts geändert, betonte Schuh: Nach dem "realistischsten Szenario" würden die Ausgaben der Pensionsversicherung von 11,2 Prozent des BIP im Jahr 2009 auf nahezu 15 Prozent bis 2050 ansteigen, der Zuschuss des Bundes werde sich von 2,8 auf rund sechs Prozent mehr als verdoppeln.
Das ist wesentlich mehr als im Referenzszenario von 2004: Die Gesamtausgaben liegen in den neuen Berechnungen 2050 um vier Prozentpunkte, der Bundesanteil um drei Prozentpunkte höher.
Wir leben länger, arbeiten aber nicht länger
Der Hauptgrund für diese Entwicklung ist, so Schuh, dass die steigende Lebenserwartung nicht mit einem späteren Pensionsantritt einhergeht. Die Pensionsreform 2003/4 habe ihr Ziel, Menschen länger im Erwerb zu halten, verfehlt. Die Beschäftigungsquote habe sich nur vorübergehend verbessert, jetzt stagniere das durchschnittliche Pensionsantrittsalter bei 59 Jahren für Männer und 57 für Frauen - auf "erschreckend niedrigem Niveau", befand Schuh.
Dies sei ein "bedrohliches Signal", verschärft durch eine "tickende Zeitbombe": Denn die Zahl der 55- bis 65-Jährigen werde von derzeit einer Million auf 1,3 Millionen im Jahr 2020 anwachsen, weil jetzt die Babyboomer-Generation in dieses Alter kommt.
Österreicher aber "nicht faul, sondern nur vernünftig"
Dass das Pensionsantrittsalter weiter stagniert, liegt laut Schuh an den "Schlupflöcher" für einen vorzeitigen Pensionsantritt - wobei er einräumt: Die Österreicher seien "nicht faul, sondern nur vernünftig", wenn sie die Möglichkeiten nützen. Der "einzige Ausweg" wäre aber die Anhebung des Pensionsalters - fünf bis sechs Jahre mehr in den nächsten zehn bis 15 Jahren würden die Probleme weitgehend lösen.
Sehr viel bringen würde aus Sicht des IHS ein Reform der Invaliditätspension, kamen 2009 doch 31 Prozent der Neuzugänge aus diesem Bereich. Die verpflichtende Rehabilitation sei zu wenig, das IHS setzt auf skandinavische Vorbilder: Eine Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit soll nicht zur Pension führen, die Betreffenden sollten dem Arbeitsmarkt - z.B. mit Umschulung - erhalten bleiben.
Boom bei vorzeitigen Pensionen hält an
Gleichzeitig mit der Pressekonferenz der IHS-Experten trudelten am Donnerstag die neues Pensionszahlen des Hauptverbandes ein. Dabei zeigt sich erneut ein Anstieg der extrem teuren Hackler-Pensionen, die bekannterweise mehrheitlich nicht von "Hacklern" beansprucht werden, sondern von Angestellten und (noch mehr) Staatsdienern. Im vergangenen Jahr wurden durchschnittlich 2,2 Millionen Pensionen ausgezahlt. Davon sind mittlerweile 114.289 vorzeitige Alterspensionen. Der Anteil der Hacklerpensionen daran hat sich von rund 65 Prozent im Jahr 2009 auf mittlerweile über 70 Prozent erhöht. Mit Stand Jänner 2011 werden 83.557 Langzeitversichertenpensionen ausbezahlt, die im Schnitt das Zwei- bis Dreifache der Durchschnittspension ausmachen.
Gestiegen ist auch die Zahl der Invaliditätspensionen. Lag diese Zahl im Jahresschnitt 2009 noch bei 205.983, so bezogen 2010 im Schnitt 208.541 Personen die I-Pension - ein Plus von 1,24 Prozent. Ebenfalls gestiegen war im Vorjahr die Zahl der seit Anfang 2007 möglichen Schwerarbeiterpensionen, die - gemessen an der Gesamtzahl der Pensionen - mit nur 2.151 Empfängern einen verschwindend geringen Anteil darstellen, weil sie - wie der Oberste Gerichtshof kürzlich mit seinem Antrag auf Aufhebung des Gesetzes durch den VfGH andeutete - extrem schwer zu bekommen ist.
SPÖ will Firmen in die Pflicht nehmen
Die Koalitionsparteien reagieren unterschiedlich auf die erneute Konfrontation mit dem alten Problem: Der SPÖ-Pensionistenverband will beim Abbau von Frühpensionierungen die Firmen in die Pflicht nehmen. Viele Frühpensionisten würden von den Dienstgebern in die Pension gedrängt oder gar rausgeschmissen, vielfach mit Golden-Handshake-Programmen verabschiedet, kritisierte der Obmann des Pensionistenverbandes, Karl Blecha. Manche Firmen würden ihren Beschäftigen sogar den Nachkauf von Pensionszeiten finanzieren, damit sie die Hacklerregelung beanspruchen können.
Blecha verwies auf skandinavische Länder, wo es "Pönalisierungen für jene Wirtschaftstreibende" gebe, "die ältere Menschen rausschmeißen". Außerdem gebe es dort für ältere Arbeitnehmer besonderen Kündigungsschutz und altersgerechte Arbeitsplätze. Blecha forderte die Wirtschaft auf, sich auch an den Kosten für die Programme "fit2work" und die Gesundheitsstraße zu beteiligen.
Die IHS-Prognose kritisierte Blecha als unzutreffend. In den Berechnungen würden der langfristig sinkende Pensionsaufwand im öffentlichen Sektor nicht berücksichtigt. Der ÖGB kritisiert, die im jüngsten Sparpaket enthaltenen Maßnahmen zur Kostenreduzierung seien von IHS "noch nicht einmal eingerechnet" worden.
ÖVP-Senioren wollen Hackler-Aus und Systemangleichung
Auf einen gemeinsamen Forderungskatalog für eine Pensionsreform haben sich indes der ÖVP-Seniorenbund und die Junge Industrie geeinigt. Gefordert wird konkret die Abschaffung der Hacklerregelung statt der vorgesehenen Verschärfung ab 2014. Das Frauenpensionsalter soll rascher angehoben werden - derzeit ist vorgesehen, dass es von 2024 bis 2033 von derzeit 60 auf jenes der Männer von 65 Jahren angeglichen wird. Die Altersteilzeit soll vor allem in ihrer geblockten Form abgeschafft und stattdessen ein faires Gleitpensionsmodell geschaffen werden.
Die Angleichung der Pensionssysteme von Ländern und Gemeinden an jene des Bundes soll rascher geschehen. Die Pensionsprivilegien im staatsnahen Bereich (z.B. ÖBB, OeNB) sollen abgeschafft werden. Die vor zwei Jahren begonnene Reform des Pensionskassengesetzes soll rasch abgeschlossen werden. Weiters sollen die Sozialpartner Modelle für eine Änderung der Lebensverdienstkurve ausarbeiten, die höhere Anfangsgehälter und dann geringere Steigerungen vorsieht. Mit der IHS-Studie zeigte sich der Seniorenbund einverstanden.
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