Über eine Länge von einem halben Kilometer zwängen schroffe Felswände den Wasserlauf der Frutz in eine enge Klamm. Die Üble Schlucht in Laterns ist ein ganz besonderer Naturraum.
So unheilvoll wie der Name vermuten lässt, ist die Üble Schlucht in Laterns gar nicht. Vielmehr handelt es sich um ein Naturjuwel, das zu den Europaschutzgebieten des Landes zählt. Tosend und mit geballter Wasserkraft hat sich hier die Frutz ihren Weg durch Fels und Stein gebahnt. Je nach Tageszeit zeigt sich das Naturschauspiel dem Betrachter in einem völlig anderen Licht. Wie eine urzeitliche Landschaft wirken die steilen, schroffen Felsen in Kombination mit dem üppigen Pflanzenwuchs und dem dunkelblau bis glasklar dahinfließenden Wasser. Gerade in den tieferen Lagen Vorarlbergs gibt es nur noch wenige solcher ungezähmten Urlandschaften.
Der Weg zur Üblen Schlucht sollte nicht unterschätzt werden - darauf wird der Wanderer durch Schilder mehrfach hingewiesen. Denn auch im Sommer ist der Pfad durch die Nähe zum Wasser feucht und daher rutschig. Aufgrund der Steinschlaggefahr ist die Schlucht des Öfteren unpassierbar. Nach vorheriger Begutachtung und Felsräumung durch die Verantwortlichen der Gemeinde Laterns kann das Gebiet im Sommer von geübten Wanderern begangen werden. Die Strecke ist als alpiner Steig (Weiß-Blau-Weiß) markiert und erfordert Trittsicherheit sowie eine gute Grundkondition.
Über Stock und über Stein
Wir starten unsere Wanderung bei der Kirche in Laterns-Thal. Der ausgeschilderte Weg führt zunächst an Wohnhäusern und Höfen vorbei über eine Weide. Danach tritt der Wanderer in den Schatten der Bäume - auf den steilen Hängen, die vom Bachbett der Frutz aufragen, hat sich ein Bergahron-Eschen-Schluchtwald entwickelt. Durch diesen geht es sprichwörtlich über Stock und Stein bis zum Eingang der Schlucht. Das Tosen und Rauschen des Wassers ist bereits von Weitem zu hören.
Die senkrechten und überhängenden Felswänden mit Kieselkalk zählen zu den härtesten Gesteinsschichten Vorarlbergs. Die Frutz konnte sich daher in der Klamm nur in die Tiefe graben - eine Erweiterung in die Breite war nicht möglich. Die Felsen bilden einen eigenen Lebensraum für hochspezialisierte Pflanzen und Tiere. Wegen des feucht-kühlen Klimas gedeihen dort vor allem Moose und Farne. Diese müssen Wind, Niederschlägen und Trockenheit an ihrem exponierten Standort trotzen - nur besonders genügsame Gewächse können auf Kalkfelsen Fuß fassen.
Die Frutz weist in ihrem Verlauf langsam und schnell fließende Abschnitte auf, an manchen Stellen haben sich sogenannte Kolke (Vertiefungen) gebildet, in denen Bachforellen beobachtet werden können. Seltene Vogelarten wie die Wasseramsel, die Zippammer oder die Felsenschwalbe sind hier ebenfalls anzutreffen. Der Schluchtwald wiederum bietet verschiedenen Amphibienarten ein schattiges Zuhause in Wassernähe. Am Übergang zu den sonnigen Hangwiesen fühlen sich wärmeliebende Tiere wie Zauneidechsen wohl.
Die gefährliche Arbeit der Holz-Flözer
Das Europaschutzgebiet erstreckt sich auf einer Fläche von 7,59 Hektar und über 615 bis 812 Meter Seehöhe. Die Schlucht selbst hat eine Länge von rund 500 Metern. In früheren Zeiten war diese ein schwer zu überwindendes Hindernis zwischen dem Laternsertal und dem Rheintal. So nutzten beispielsweise Holz-Flözer die Frutz, um Baumstämme zu transportieren, dabei stellte die Üble Schlucht eine gefährliche Engstelle dar. Nicht selten wateten die Flözer im eiskalten Wasser neben ihre Fracht her, um dann wieder über die Steige zu klettern.
Das Auflösen von verkeiltem Holz war wohl eine der gefährlichsten Arbeiten. Denn wurde Verklausung gelöst, befreite sich die gesamte Holzfracht mitunter schlagartig und drohte die Arbeiter mit sich zu reißen. So waren leider auch immer wieder Todesopfer zu beklagen. In Gedenken an die Verunglückten wurden Kreuze entlang des Bachlaufs errichtet - an die 20 waren es über die Jahre hinweg. Das dürfte wohl auch eine Erklärung für die Namensherkunft der Üblen Schlucht sein. Das Wort „übel“ wird dabei im Sinne von unheilvoll und gefährlich verwendet. Acht bis zwölf Flözer, aufgeteilt auf beide Bachseiten, arbeiteten sich von ganz hinten im Laternsertal Stück für Stück bis nach Rankweil.
Heutzutage ist ein solch mühevoller und gefährlicher Transportweg nur noch schwer vorstellbar. Der Wanderer genießt vielmehr die ursprüngliche Natur und die kühle Brise, die an warmen Tagen vom Bach emporsteigt. Nach Durchquerung der Schlucht geht es auf demselben Weg retour nach Laterns-Thal, alternativ kann auch der Rundweg auf der gegenüberliegenden Bachseite gewählt werden. Dieser Variante führt großteils über eine Forststraße, bevor wieder die Frutz gequert wird.
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