"Ein Monstrum"
Erdogan wettert gegen “Denkmal der Menschlichkeit”
Nun ist Erdogan weder ein ausgewiesener Kunstexperte noch hat er als Regierungschef in Ankara darüber zu bestimmen, was die Stadt Kars schön findet und was nicht. Aber wenn der Ministerpräsident etwas sagt, dann hat das Gewicht. "Da haben sie mal eine komische Sache hingesetzt", schnaubte Erdogan bei einem Besuch in Kars Anfang des Jahres. "Ein Monstrum" stehe da in der Landschaft herum.
Stadtrat stimmte für Abriss
Erdogans Kulturminister Ertugrul Günay äußerte sich wesentlich zurückhaltender, doch es half nichts. Kurz nachdem der Ministerpräsident sein Missfallen über das 35 Meter hohe und 300 Tonnen schwere "Denkmal der Menschlichkeit" des Bildhauers Mehmet Aksoy geäußert hatte, schritt der Stadtrat von Kars, der im Jahr 2006 den Auftrag zum Bau des Monumentes vergeben hatte, zur Abstimmung über die Zukunft des Kunstwerkes. Mit den Stimmen der Ratsmitglieder von Erdogans Partei AKP und der Nationalistenpartei MHP entschied der Rat, Aksoys Skulptur solle verschwinden.
Umstritten war das Denkmal schon lange. Die ursprüngliche Idee war es, in Kars ein Versöhnungsmonument zu errichten, das eine Antwort auf ein Völkermord-Denkmal der Armenier in Eriwan sein sollte. Doch schon zwei Jahre nach dem Beschluss zum Bau der Riesenskulptur forderten die Denkmalschutzbehörden, die Betonfiguren sollten wieder abgerissen werden. Seitdem standen die beiden riesigen Steinmenschen halbfertig auf ihrem Hügel über Kars. Jetzt will die Stadt das Denkmal Stück für Stück abtragen lassen.
Künstler kämpft um sein Werk
Aksoy reagierte betroffen, aber auch kämpferisch. "Es tut mir im Herzen weh, was über das Denkmal gesagt wird." Der Bildhauer, der mit schlohweißen Haaren und Bart fast aussieht wie eine biblische Figur, sagte den Behörden den Kampf an. Er habe doch einen offiziellen Vertrag zur Errichtung des Monumentes: "Ist dieser Vertrag denn vom Himmel gefallen?" Er kündigte Einspruch gegen den Beschluss zur Zerstörung des Monuments an, schließlich dürften Kunstwerke nach dem Gesetz nur mit Zustimmung des Künstlers verändert werden. Wenn nötig, werde er sich vor die Bulldozer werfen.
Vielleicht bleibt ihm das erspart. Erdogans abfälliger Kommentar hat landesweit die Kritik am autoritären Führungsstil des Premiers angefacht. Gegner werfen Erdogan vor, er führe sich auf wie ein Alleinherrscher, der über alles bestimmen wolle. Nicht zuletzt als Geste des Protestes gegen den Ministerpräsidenten meldeten sich deshalb Vertreter der westtürkischen Großstadt Izmir zu Wort, die eine Hochburg der Erdogan-Gegner ist: Sie wollen das abrissgefährdete "Monstrum" quer durch die Türkei von Kars an die Ägäisküste bringen lassen und dort aufstellen.
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