7 Modelle vorgelegt

Darabos: “Ein Freiwilligenheer ist die Zukunft”

Österreich
18.01.2011 08:21
Verteidigungsminister Norbert Darabos hat am Montag seine Pläne zur Neuaufstellung des Bundesheeres präsentiert. Von sieben Szenarien geht dabei nur eines von einer allgemeinen Wehrpflicht aus. Darabos favorisiert ein Mischmodell aus Berufs- und Zeitsoldaten, "Profi-Milizsoldaten" und Zivilbediensteten - und damit ein Freiwilligenheer ohne allgemeine Wehrpflicht. Den Ball sieht der Minister jetzt bei der ÖVP - und die Volkspartei zeigte Darabos zunächst einmal die kalte Schulter.

"Nach einer intensiven Auseinandersetzung mit der Thematik, nach Gesprächen mit meinen Amtskollegen aus dem Ausland, nach der internationalen Enquete und nach der genauen Analyse der sieben Wehrsystem-Modelle bin ich zur Auffassung gelangt, dass ein Freiwilligenheer die Zukunft ist", betonte Darabos.

Man habe mit dem bisherigen System in den letzten Jahrzehnten im Großen und Ganzen gute Erfahrungen gemacht. Aber er sei überzeugt, dass mit einer Freiwilligenarmee die künftigen Herausforderungen besser bewältigt werden können, so der Minister. Nun werde man mit der ÖVP in die Diskussion einsteigen und die weitere Vorgehensweise festlegen. "Am Ende eines sachlichen Diskussionsprozesses soll die Bevölkerung eingebunden werden", bekräftigte Darabos seine Tendenz in Richtung Volksabstimmung.

Darabos favorisiert Freiwilligenheer
Darabos sprach sich bei der Präsentation der sieben Modelle (die Eckpunkte der sieben Modelle siehe oben) ganz klar für das "Modell 3" aus, also ein Freiwilligenheer mit starker Milizkomponente, das auch weiterhin die Agenden Katastrophenschutz und Auslandseinsätze übernimmt. Auch in Zukunft würden dadurch "mindestens 10.000 Soldatinnen und Soldaten für den Katastrophenschutz und 1.000 Personen für internationale Friedenseinsätze zur Verfügung stehen". Auch dem verfassungsmäßig festgelegten Auftrag zur Landesverteidigung würde "selbstverständlich nachgekommen", zudem würden "langjährige Wünsche der Milizverbände erfüllt".

Ob es zu Kasernenschließungen kommen wird, ließ der Minister offen. Geplant sei das nicht. Erhalten bleiben sollen jedenfalls die Militärkommanden in den Bundesländern.

Gleiche Kosten, weniger Personal und "Friedensdividende"
Das neue Modell koste mit 2,18 Milliarden Euro pro Jahr auch nicht mehr als das bisherige, so der Minister. Dass nicht mehr jährlich 24.000 Grundwehrdiener für den Dienst mit der Waffe verpflichtet würden, sei eine Entlastung junger Staatsbürger und "die Friedensdividende der Republik Österreich".

Das "Modell 3" würde dem Heer tiefgreifende Veränderungen in der Personalstruktur bringen. Die Mobilmachungsstärke würde, wie im derzeitigen System, etwa 55.000 Mann betragen. Allerdings würde sich die Zusammensetzung aus Berufs- und Milizsoldaten sowie Zivilbediensteten zahlenmäßig verschieben. Das neue Heer hätte 7.000 statt 9.000 Zivilbedienstete und 9.500 statt 13.000 Berufssoldaten, im Gegenzug aber 5.500 statt 1.800 Zeitsoldaten.

Von den bestehenden Bediensteten müssten nach derzeitigem Stand 5.500 abgebaut bzw. durch neue ersetzt werden. Darabos würde das "Überstandspersonal" so rasch wie möglich abbauen - und zwar "sozial verträglich und innovativ". Der bereits eingeschlagene Weg, wie etwa der Wechsel von Bediensteten in das Finanzministerium, solle weiter und noch stärker forciert werden.

Soldaten sollen mit Geld gelockt werden
Pro Jahr würde das "Modell 3" 2.000 Freiwillige erfordern. 850 davon bräuchte man für die 10.000 Mann umfassende Miliz, den Rest für die 5.500 Zeitsoldaten. Die Milizsoldaten würden rund zehn Jahre als "Profi-Miliz" zur Verfügung stehen und dafür 5.000 Euro Prämie pro Jahr für die regelmäßigen und dann auch wieder verpflichtenden Übungen bekommen. Die Ausbildung würde sechs Monate betragen, die Miliz vor allem für Katastropheneinsätze gebraucht.

Damit das Freiwilligenmodell funktioniert, würde Darabos auf finanzielle Anreize setzen. Vorgesehen wären dabei u.a. Auslandseinsatzprämien für die Einsatzkräfte in der Höhe von circa 7.200 Euro jährlich pro Person. Das würde 100 Prozent aller Zeitsoldaten, die sich derzeit auf mindestens drei Jahre verpflichten müssen, erfassen. Für die Zeitsoldaten, derzeit in den bereits ähnlich dem "Modell 3" strukturierten Programmen KIOP/KPE untergebracht, soll es aber auch neue Formen der unterschiedlich langen zeitlichen Verpflichtungsdauer, eine Auslandseinsatzverpflichtung, unterschiedliche Anreizsysteme wie berufliche Weiterbildungsmaßnahmen, Umschulungsangebote, Beiträge für Zusatzpensionen, etc. geben.

"Mit diesen Anreizen ist aus meiner Sicht und aus der Sicht des Generalstabes die Rekrutierung der Freiwilligen machbar", erklärte der Minister. Für die Profi-Miliz, also rund 10.000 Mann, soll es eine Milizbeorderungsprämie von 5.000 Euro im Jahr geben.

Kritik der Generäle lässt Darabos unbeeindruckt
Einmal mehr bekräftigte Darabos, die Entscheidung "bestens vorbereitet" zu haben. Von der Kritik der Militärführung zeigte er sich unbeeindruckt. Österreich sei eine Demokratie, und "es gilt das Primat der Politik", richtete Darabos Generalstabschef Edmund Entacher aus. Dieser hatte sich am Wochenende für die Beibehaltung der Wehrpflicht ausgesprochen und außerdem zu bedenken gegeben, dass eine Berufsarmee im gleichen Umfang wie jetzt entweder mehr kosten oder weniger leisten werde. Da der Generalstab mit der Ausarbeitung der Alternativmodelle beauftragt wurde, meint Darabos, dass dieser auch zu dem Geschriebenen stehe.

Darabos bzeichnete seine Pläne als "radikalen Schritt", der gesetzt werden müsse. Denn man habe in den letzten Jahren auf sicherheitspolitische Veränderungen "nur kosmetisch reagiert". Es sei daher Zeit für größere Schritte. Zum Thema Zivildienst äußerte sich Darbos nicht, zumal vergangene Woche SPÖ-Sozialminister Rudolf Hundstorfer ein Konzept zur Schaffung eines Freiwilligen Sozialen Jahres mit finanziellen Anreizen vorgestellt hat (siehe Infobox).

Pröll: "Teurer, und das mit weniger Leistung"
Von ÖVP-Vizekanzler Josef Pröll erhielt Darabos am Montag umgehend eine Absage. "Wir haben uns die Modelle auf den ersten Blick angeschaut, die sind gleich teuer oder teurer, als wir sie jetzt haben, und das mit weniger Leistung", meinte Pröll, der am Montag bei einem Treffen der Euro-Finanzminister in Brüssel weilte. "Für uns steht die Wehrpflicht nach wie vor im Vordergrund", wobei der Vizekanzler durchaus in diesem Bereich Reformbedarf konzedierte.

Für die ÖVP sei auch klar, dass der "flächendeckende Katastrophenschutz jederzeit bereit gestellt" werden könne, ebenso die regionale Versorgung des Bundesheers und es müsse eine professionelle Abwicklung der Auslandseinsätze geben. "Und die Wehrfähigkeit muss weiter gegeben sein, der Zivildienst ist vollinhaltlich zu gewährleisten. Auf diese Fragen gibt es keine Antworten im Modell."

Pröll betonte, dass die ÖVP verhandlungsbereit sei. "Wir müssen uns überlegen, wie wir die Priorität der Sicherheitsdoktrin festlegen. Wo steuert Österreich hin, was sind die Aufgaben des Landes, in der Landesverteidigung. Das ist zu definieren." Also ein klares Nein zu Abschaffung der Wehrpflicht? - Pröll: "Wir haben keinen Grund, die Wehrpflicht abzuschaffen. Wir haben eine finanzielle Situation, die uns keinen Spielraum gibt. Und ein Berufsheer wird jedenfalls, das zeigen die Modelle, deutlich teurer."

FPÖ: "Darabos soll abdanken"
Ja zu einer Reform, aber Nein zur Abschaffung der Wehrpflicht sagte erwartungsgemäß die FPÖ zu Darabos' Präsentation – und zwar per Aussendung, noch bevor die Präsentation begonnen hatte. Den Verteidigungsminister griff Parteichef Heinz-Christian Strache scharf an: Darabos solle abdanken, "bevor er dem Heer endgültig den Todesstoß versetzen kann". Es sei klar, dass eine Heeresreform notwendig sei. Die Abschaffung der Wehrpflicht sei jedoch der für Österreich ungeeignetste Weg dazu, so Strache. Man müsse bedenken, dass dieser Weg direkt in die NATO führe und somit die österreichische Neutralität abschaffe. Es sei daher nicht zulässig, die Aussetzung der Wehrpflicht wie etwa im NATO-Mitgliedsland Deutschland eins zu eins auf Österreich umzulegen.

Vielmehr müsse man sich überlegen, wie der Dienst beim Bundesheer für Grundwehrdiener attraktiver und sinnvoller gestaltet werden könne, forderte Strache, der die SPÖ anlässlich des 100. Kreisky-Geburtstags darauf verwies, "dass sich der Jubilär angesichts der Machenschaften von Darabos und Co. wohl im Grabe umdrehen würde".

Das Bundesheer würde Pilz auf etwa 9.000 Personen verkleinern, das Ministerium halbieren, auf Panzer und Artillerie gänzlich verzichten, und auch die Landesmilitärkommanden stellt er infrage. Nun brauche es jedenfalls die "Regierungsgarantie, dass ab 1. Jänner 2012 keine jungen Männer mehr zum Bundesheer einberufen werden", fordert Pilz. Er will daher im übernächsten Plenum des Nationalrats eine Volksabstimmung über das Ende der Wehrpflicht beantragen.

BZÖ beantragt Volksbefragung
Auch das BZÖ hat am Montag einen Antrag für die nächste Nationalratssitzung angekündigt. Und zwar will das Bündnis eine Volksbefragung zur Aussetzung der Wehrpflicht beantragen. "Dieser Antrag wird zu einer Nagelprobe für die SPÖ, ob sie es mit der Abschaffung der Wehrpflicht wirklich ernst meint", sagte die orange Abgeordnete Martina Schenk. Schenk bekräftigte dabei die BZÖ-Forderung für eine Mischform aus Freiwilligenheer und Milizkomponente (ähnlich wie Darabos). Jährlich würden aus dem Heeresbudget 800 Millionen Euro für den Grundwehrdienst aufgewendet, diese könnten bei einer Aussetzung der Wehrpflicht eingespart werden, so Schenk.

Der Zivildienst solle durch das BZÖ-Modell "Bürgerhilfe" ersetzt werden. Junge Menschen, Langzeitarbeitsose und Pensionisten sollten dabei die Möglichkeit haben, auf freiwilliger Basis einen Dienst an der Allgemeinheit zu leisten. Dafür gebe es 1.300 Euro brutto monatlich (ähnlich, wie es die SPÖ vorgeschlagen hat).

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