Interview

„Frauen sind stark und mutig“

Ombudsfrau
08.03.2021 08:00

Seit drei Jahren unterstützt Doris Schmidauer, Frau des Bundespräsidenten, die Initiative #wirtun, die Frauen in Notsituationen hilft. Ein Gespräch gemeinsam mit der Leiterin der Caritas Sozialberatung, Doris Anzengruber geführt von Barbara Stöckl.

Barbara Stöckl: Frau Anzengruber, wie hat sich die Situation für Frauen im letzten Jahr verändert?
Doris Anzengruber: Alleinerziehende Frauen stellten schon vor der Krise einen großen Anteil der Menschen dar, die bei uns um Hilfe bitten. Durch die Krise hat sich dieser erhöht. Viele müssen zuhause alles alleine managen. Manche haben ihren Job verloren oder verdienen durch die Kurzarbeit weniger. Dazu kommt die Belastung durch Homeschooling.

Frau Schmidauer, wie nehmen Sie die Situation von Frauen im Krisenjahr wahr?
Doris Schmidauer: Frauen haben sich seit eh und je für Lebensbereiche wie Kinder, Familie und Betreuungsarbeiten zuständig fühlen müssen. Es ist in der Krise deutlich geworden, dass Frauen die Hauptarbeit leisten, wenn Betreuungseinrichtungen wegfallen. Ich habe vor drei Jahren mit der Caritas mit der Initiative #wirtun einen Hilfsfonds für notleidende Frauen gestartet. Oft sind diese Frauen zwar notleidend, gleichzeitig aber auch sehr mutig. Sie wagen den Schritt aus Abhängigkeitsverhältnissen, z. B. aus gewalttätigen Beziehungen, und finden bei der Caritas Hilfe. Deswegen ist es gut, dass es neben dem #wirtun-Frauenprojekt die Corona-Nothilfe zur kurzfristigen Unterstützung gibt!

Frau Anzengruber, ist „Empowerment“, also Stärkung von Bewusstsein und Fragen der Gleichstellung für Frauen, die zu Ihnen kommen, ein Thema?
Anzengruber: In akuten Phasen müssen zuallererst die dringendsten Probleme gelöst werden. Wenn Du nicht weißt, wie Du die Miete bezahlen oder den Kühlschrank füllen kannst, ist das nicht das erste Anliegen. Aber wir bieten auch viele Beratungsangebote, die Frauen dabei helfen, ihre Lebenssituation zu verändern.
Schmidauer: Ich glaube, dass starke Frauen als Vorbilder viel bewirken können. Ich habe im Zuge unserer Frauen-Netzwerktreffen viele kennengelernt. Eine junge Frau z. B., die durch Vorbilder an Selbstbewusstsein gewonnen hat. Es muss um beides gehen: akute Hilfe, wo sie notwendig ist und Stärkung für Frauen für ihren selbstbestimmten Weg.

Nach einem Jahr Pandemie befürchten viele, dass es einen „Backlash“ in Frauenfragen geben wird, wie sehen Sie das?
Schmidauer: Ja, diese Befürchtung teile ich. In Krisensituationen sind Frauen doppelt und dreifach gefordert. Es gehört schlicht und einfach in den Köpfen der Menschen verankert, dass Frauen die Hälfte der Bevölkerung darstellen. Das sollte sich in allen Bereichen des Lebens widerspiegeln.

Vor einem Jahr haben wir erkannt, dass zu systemrelevanten Berufsgruppen sehr viele Mindestverdienerinnen zählen. Heute scheint das nicht mehr auf der politischen Agenda zu stehen?
Schmidauer: Das stimmt leider. Die Supermarktverkäuferinnen, wurden anfangs zurecht beklatscht und gewürdigt. Bei Kollektivverträgen hat sich leider nicht wirklich etwas verändert.

Ist die Bewältigung der Krise eine Chance, große Fragen und Problemfelder jetzt mit anzugehen? Gleichstellung, aber auch die Klimafrage - wann, wenn nicht jetzt?
Schmidauer: Die Pandemie hat gezeigt, was es bewirkt, wenn wir in unsere natürlichen Lebensräume so massiv und destruktiv eingreifen. Auch bei der Frauenpolitik ist es so, dass bei Maßnahmen wie Konjunkturpaketen immer beachtet werden sollte, wie sich Beschlüsse auf Frauen auswirken. Studien sagen, dass Frauen zu den Hauptverlierern der Krise zählen. Deswegen muss bei einem Aufbruch aus dieser Krise endlich Gerechtigkeit hergestellt werden.

Was brauchen Frauen jetzt?
Anzengruber: Die Gesellschaft merkt in der Krise, wie wichtig die Arbeit der Frauen ist. Neben finanzieller Hilfe wird es einen Ausbau psychosozialer Angebote brauchen, um Entlastungsmöglichkeiten zu schaffen.

Nähere Infos zur Initiative #wirtun finden Sie hier.

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