Skylink-Debakel

Kaufmann fliegt ohne Millionen-Abfertigung

Österreich
16.12.2010 13:03
Nach der Pizza-Lieferung wurde er abserviert: Der bisherige Vorstandschef der Flughafen Wien AG, Herbert Kaufmann, ist in der Nacht auf Donnerstag in einer insgesamt 14-stündigen Marathonsitzung des Aufsichtsrates abgesetzt worden. Kaufmann geht mit Ende des Jahres - und zwar ohne eine Millionen-Abfertigung, "nur" mit einem Jahresgehalt. In seiner Verantwortung verdoppelten sich die Baukosten beim Skylink-Terminal.

Der Aufsichtsrat begann die Sitzung am Mittwoch um neun Uhr am Vormittag. In die "heiße Phase" ging es aber erst am Abend. Dann fanden kaum noch Unterbrechungen oder Pausen statt. Neben der großen Runde gab es immer wieder gruppenweise Gespräche und zahlreiche Abstimmungs-Telefonate nach draußen. Ein Anruf war eine Essensbestellung. Nach 21 Uhr ließen sich die Teilnehmer - sehr zur Verwunderung der draußen wartenden Presseleute - Pizza bringen.

Aufsichtsratschef Christoph Herbst - ein Wirtschaftsjurist, bekannt auch als Opferanwalt im Inzestfall von Amstetten - trat um 23.30 Uhr vor die Reporter. An Kaufmanns Stelle werde interimistisch er selbst für längstens ein Jahr das operative Ruder übernehmen, gab der 50-Jährige bekannt. Wie Kaufmann (60) ebenfalls vorzeitig, allerdings erst per 31. Dezember 2011, werden die Verträge der Co-Vorstände Ernest Gabmann und Gerhard Schmid enden.

Keine Millionen-Abfertigung für Kaufmann
Mit Kaufmann wurde laut Herbst während der Sitzung eine einvernehmliche Lösung des Vertrags gefunden. Anstelle von Millionen-Ablösen bis zur bisherigen Vertragslaufzeit 2014 ist bei ihm nun von einem Jahresbruttogehalt, etwa 350.000 Euro, die Rede. Gabmann (60) und Schmid (53) wiederum könnten sich neu bewerben, wenn die Funktionen nächstes Jahr neu ausgeschrieben werden, erklärte Herbst.

Die Verträge der Vorstände waren erst im Herbst 2009 auf fünf Jahre verlängert worden, was schon damals heftig umstritten war. Die Ablöse der bis 2014 laufenden Verträge - allen voran jener von Kaufmann - hätte bis zum Vertragsende mehrere Millionen gekostet. Jetzt kommt der Flughafen weit billiger davon. "Für uns war wesentlich, dass wir nicht zahlen müssen, was wir bis zur Ende der Laufzeit bis 2014 hätten zahlen müssen", so Interims-Chef Herbst. Für ihn sei die Personalentscheidung "eine tragfähige Lösung".

Allerdings: In einer Presseaussendung der Flughafen Wien AG zur Aufsichtsratssitzung war in der Nacht auf Donnerstag zu lesen: "Der Flughafen Wien hat sich bis heute zu einem erfolgreichen und starken Unternehmen entwickelt, und Herbert Kaufmann hat diese hervorragende Entwicklung sehr wesentlich mitgestaltet. Kaufmann wurde deshalb eine Konsulenten-Tätigkeit angeboten."

Herbst wollte alle Vorstände auf einmal absetzen
Dem nunmehrigen Beschluss war eine monatelange Führungskrise vorangegangen. Herbst, der an der Aufsichtsratsspitze ab Jänner für ein Jahr vom bisherigen Vize Karl Samstag vertreten wird, versicherte am späten Mittwochabend, dass es nie wieder passieren werde, dass Vorstandspositionen ohne vorherige Ausschreibung freihändig besetzt werden.

Dass durch das pure Köpferollen die Zustände am Airport und vor allem das Chaos rund um die Skandalbaustelle Skylink nicht gelöst sind, bestritt Herbst nicht. Es sei nicht darum gegangen, dass jetzt alle Manager auf einmal gehen. Vielmehr habe es eine Abwägung zwischen Kontinuität und einem kompletten Neuanfang gegeben. "Wir schaffen einen gewissen Übergang", das Unternehmen stehe nicht führungslos da, so Herbst, der in vorangegangenen Aufsichtsratssitzungen für eine unmittelbare Ablöse aller Vorstände plädierte. Doch: "Ich habe mich überzeugen lassen." Rücktrittsdrohungen von Aufsichtsräten bestritt Herbst am Abend. Auch er selber habe in der Sitzung nicht damit gedroht.

"Weder Aktien- noch Strafrecht verletzt"
Die Aufsichtsräte haben sich in der Sitzung abermals mit dem Rohbericht des Rechnungshofes zum Skylink beschäftigt. "Nach Ansicht des Aufsichtsrates liegen keine Verletzungen aktienrechtlicher oder strafrechtlicher Normen durch den Vorstand vor", betonte der Flughafen in einem schriftlichen Kommunique.

Bei Studium aller Sachverhalte könne man laut Herbst nicht erkennen, ob es strafrechtlich relevante Vorwürfe gegen das Management gebe. Korruptionsvorwürfe habe es nicht gegen Flughafen-Manager gegeben. Wenn "im Umfeld" eines so großen Bauvorhabens Korruption im Spiel war, "mag sein, dazu will ich aber nichts sagen, weil das nichts mit dem Flughafen zu tun gehabt hat".

Wirtschaftsjurist Herbst bestens verlinkt
Herbst, ein enger Vertrauter des niederösterreichischen Landeshauptmanns Erwin Pröll, ist juristisch und politisch ausgezeichnet verlinkt. Der prominente Wirtschaftsjurist aus Wien hatte immer wieder spektakuläre Mandate: in Aufsichtsratsfunktion um die Jahrtausendwende als Präsident der skandalgeschüttelten Bank Burgenland und jetzt gerade am Airport, der den teuren Terminal-Baustellenkoloss Skylink zu verdauen hat.

Einem breiteren Licht der Öffentlichkeit ausgesetzt war er als Opferanwalt im Amstettner Inzestfall um Josef F. Im BAWAG-Strafprozess vertrat er einen angeklagten einstigen Bankwirtschaftsprüfer. Davor verteidigte er während Streikaktionen bei den ÖBB betroffene Pendler und war er unter anderem als Rechtsbeauftragter des Landes Niederösterreich auch sogenannter "Atombeauftragter". Die Länder Wien und Niederösterreich halten je 20 Prozent am Flughafen Wien-Schwechat.

Opposition: Herbst-Übernahme "Skandal erster Güte"
Während in Niederösterreich vonseiten der ÖVP geradezu gejubelt wird und auch die Wiener SPÖ die Absetzung der Vorstandsspitze als "vernünftig" bezeichnete, gab es von den Oppositionsparteien am Donnerstag viel Kritik, vor allem an Aufsichtsratschef Herbst.

Die Zwischenlösung mit Herbst als Flughafenboss ist aus Sicht der grünen Finanzsprecherin Helga Krismer ein "Skandal erster Güte". Dass der Aufsichtsratspräsident - quasi der Controller - vom Tower ins Cockpit springe, sei für eine Aktiengesellschaft eigenartig und wohl nur in Niederösterreich möglich, glaubt Krismer. Sie wirft Herbst Versäumnisse in der Kontrollarbeit vor. "Prölls schwarzer Sumpf ist nun auch am Flughafen gelandet." 

Die grüne Verkehrssprecherin Gabriela Moser sieht den Aufsichtsrat größtenteils ablösereif. Die Abfertigung an den scheidenden Vorstand sollten die Aufsichtsräte aus ihrer privaten Tasche zahlen, meinte sie, "denn sie haben den misslichen Zustand verlängert".

"Obszöne Abfertigung" ein "Wahnsinn"
Nach Meinung von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sollte die "obszöne Abfertigung" für den "Vorstandsversager Kaufmann" aus der SPÖ-Parteikassa gezahlt werden. Als "Wahnsinn" bezeichnete der BZÖ-Rechnungshofsprecher Gerald Grosz das Ergebnis der Aufsichtsratssitzung. In seinen Augen hätten alle Vorstände fristlos entlassen gehört. Stattdessen blieben "zwei gescheiterte Politgünstlinge ein weiteres Jahr auf ihren Posten und ein dritter geht mit einem Jahresgehalt und einem zusätzlichen arbeitslosen Einkommen als Konsulent spazieren", kritisierte er.

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